Wie hört man langfristig mit dem Rauchen auf?
Eine sogenannte repetitive transkranielle Magnetstimulation kann Menschen wirksam dabei unterstützen, mit dem Rauchen aufzuhören. Diese nicht invasive Methode der Hirnstimulation ist mit einer sehr hohen Rate der Abstinenz gegenüber dem Rauchen verbunden.
In einer großen Untersuchung zur Rauchentwöhnung unter Beteiligung der University of South Carolina wurde festgestellt, dass die repetitive transkranielle Magnetstimulation einen wirksamen Ansatz bei der Behandlung der Tabakabhängigkeit darstellen kann. Die Ergebnisse können in dem englischsprachigen Fachblatt „World Psychiatry“ nachgelesen werden.
Deutschland: Mehr als 120.000 Tote jährlich durch Rauchen
Die Folgen des Rauchens kosten alleine in Deutschland jedes Jahr mehr als 120.000 Menschen das Leben. Neben anderen Behandlungsansätzen gibt es die sogenannte repetitive transkranielle Magnetstimulation (rTMS), welche sich zur Zeit allerdings noch im Stadium der Erforschung befindet.
Hohe Abstinenzrate dank Hirnstimulation
In der Studie mit 262 Teilnehmenden führte die nicht invasive Methode der Hirnstimulation nach einem Zeitraum von lediglich sechs Wochen zu mehr als einer Verdopplung der Abstinenzrate, verglichen mit Personen aus der Kontrollgruppe. „Das ist in Ergänzung zu den bisherigen Behandlungsoptionen bei Tabakabhängigkeit ein beachtliches Ergebnis“, berichtet Professor Dr. Walter Paulus von der Deutschen Gesellschaft für Klinische Neurophysiologie und Funktionelle Bildgebung (DGKN) in einer Pressemitteilung.
Die repetitive transkranielle Magnetstimulation (rTMS) könnte nicht nur wirksam bei der Behandlung psychiatrischer Leiden sein, sondern auch bei der Behandlung von Suchterkrankungen eine wichtige Rolle spielen. Studien zu diesem Thema umfassten bisher aber meist nur eine geringe Anzahl von Personen, so der Experte.
Wirksamkeit von deep TMS zur Rauchentwöhnung
In der neuen Studie wurde eine spezielle Form der rTMS verwendet, die sogenannte deep TMS. Diese nutzt eine weniger fokal wirkende Stimulationsspule (eine sog. H4 Spule). „Das randomisierte und placebokontrollierte Design dieser Studie erfüllt die höchsten Standards und macht die Ergebnisse gegenüber früheren Untersuchungen belastbarer“, so Proffessor Dr. Frank Padberg von der Psychiatrischen Uniklinik München.
Die Teilnehmenden der neuen Studie hatten bereits mindestens einmal erfolglos versucht, mit dem Rauchen aufzuhören. Bei zwei Dritteln der teilnehmenden Personen waren sogar drei oder mehr Versuche fehlgeschlagen.
„Eine weitere Besonderheit der Studie ist, dass zusätzlich zu dieser speziellen Form der rTMS auch verhaltenstherapeutische Kurzinterventionen eingesetzt wurden“, erklärt Professor Padberg. Innerhalb der Untersuchung wurde für einen Zeitraum von fünf Minuten suchtspezifische Symptome provoziert. Dabei wurden die Teilnehmenden gebeten, sich die Auslöser ihres Suchtverlangens vorzustellen. Dies wurde unterstützt von einer Audiodatei und Bildern zum Rauchen.
Darauf folgend wurde die Hirnstimulation (pro Sitzung 60 drei Sekunden andauernde Einheiten mit jeweils 30 Pulsen) mit der Hilfe einer Magnetspule durchgeführt. Diese wurde über den Regionen des sogenannten lateralen präfrontalen Kortex und der Inselrinde platziert.
Jede/r zweite Teilnehmende wurde in Wirklichkeit allerdings nur zum Schein stimuliert und diente zum Vergleich der Wirksamkeit. Auf die Hirnstimulation folgend wurde dann eine kurze zwei Minuten lange Intervention in Form eines Motivationsgespräch durchgeführt.
Knapp zwanzig Prozent waren nach 18 Wochen rauchfrei
In den ersten drei Wochen erfolgte die Behandlung an Werktagen, danach drei Wochen lang einmal wöchentlich. Nach 18 Wochen hatten es in der Gruppe mit rTMS laut einem Fragebogen 19,4 Prozent geschafft, über einen Zeitraum von mindestens vier Wochen durchgehend nicht zu rauchen. Überprüft wurde diese Aussage mit Hilfe von Urinproben auf Nikotinabbauprodukte. In der Vergleichsgruppe lag der Anteil dagegen bei lediglich 8,7 Prozent.
Rauchverlangen wurde reduziert
Nach den ersten sechs Wochen hatten sogar 28,0 Prozent der mit rTMS behandelten Personen mit dem Rauchen aufgehört, verglichen mit 11,7 Prozent in der Placebogruppe. Die Personen aus der Behandlungsgruppe rauchten durchschnittlich weniger Zigaretten und zeigten laut den Forschenden auch ein vermindertes Verlangen zu Rauchen.
„Die Studie etabliert ein sicheres Behandlungsprotokoll zur Raucherentwöhnung durch die Stimulation relevanter Hirnregionen“, berichten die Fachleute zu den Ergebnissen ihrer neuen Untersuchung. Die bisherigen Studienergebnisse haben in den USA bereits zu einer Zulassung der rTMS für die Behandlung von rauchenden Menschen geführt. Der Experte merkt hierzu an, dass für eine Beurteilung des Stellenwerts der Anwendung in Deutschland allerdings weitere Forschung nötig sei.
„Da es sich um einen ganz speziellen rTMS-Ansatz handelt, ist das Verfahren hierzulande noch nicht einfach verfügbar. Zur genauen Beurteilung des Stellenwertes bedarf es – trotz der klaren Ergebnisse dieser Studie – weiterer Forschung“, fügt Prof. Padberg hinzu. (as)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Abraham Zangen, Hagar Moshe, Diana Martinez, Noam Barnea-Ygael, Tanya Vapnik, et al.: Repetitive transcranial magnetic stimulation for smoking cessation: a pivotal multicenter double-blind randomized controlled trial; in: World Psychiatry (veröffentlicht 09.09.2021), World Psychiatry
- Deutsche Gesellschaft für Klinische Neurophysiologie und Funktionelle Bildgebung: Raucherentwöhnung mittels transkranieller Magnetstimulation: Wirksamkeit erstmals in großer Studie belegt (veröffentlicht 22.10.2021), Deutsche Gesellschaft für Klinische Neurophysiologie und Funktionelle Bildgebung
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.