Antibiotika hinterlassen dauerhafte Spuren im Darmmikrobiom
Unsere Darmflora, heute eher als Darmmikrobiom bezeichnet, enthält Milliarden von Kleinstlebewesen, die in einem ausgeglichenen Miteinander leben und wichtige Aufgaben bei der Verdauung und dem Erhalt der Gesundheit haben. Was passiert, wenn diese Balance zerstört wird und wie sich die Darmflora im Anschluss wieder aufbaut, untersuchte ein internationales Forscherteam kürzlich in einer Studie.
Breitband-Antibiotika kommen zumeist zum Einsatz, wenn andere Antibiotika versagen. Die antibakterielle Keule tötet nicht nur Krankheitserreger ab, auch ein Großteil des Darmmikrobioms wird infolge einer solchen Medikation zerstört. Forschende des Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin (MDC) untersuchten zusammen mit internationalen Kollegen, wie sich die Darmflora nach einem solchen Schlag Stück für Stück wieder erholt. Die Ergebnisse wurden kürzlich in dem Fachjournal „Nature Microbiology“ veröffentlicht.
Jeder Darm enthält einen eigenen Mikrokosmos
In jedem menschlichen Darm tummeln sich ebenso viele Bakterien, wie es Menschen auf der Erde gibt, schätzen die MDC-Forschenden. In den meisten Fällen seien die winzigen Lebewesen dienlich für das Wohl des Inhabers. So unterstützen sie beispielsweise die Verdauung von Lebensmitteln, produzieren Vitamine, trainieren die Immunabwehr und schützen vor krankheitserregenden Artgenossen.
Ein zerbrechliches Gebilde
Krankheiten oder Medikamente können dieses störanfällige Gebilde aus dem Gleichgewicht bringen oder es sogar zerstören. „Gerät es aus dem Gleichgewicht, drohen Infektionskrankheiten, Übergewicht und Diabetes sowie chronisch entzündliche Darmerkrankungen oder neurologische Krankheiten“, berichtet Forschungsleiterin Dr. Sofia Forslund in einer Pressemitteilung. Ihr Team erforschte nun die komplizierten Wechselwirkungen zwischen Mensch und Mikrobiom.
Antibiotika verändern die Darmflora dauerhaft
Gemeinsam mit Forschenden aus Dänemark, Deutschland und China untersuchte das Team um Forslund, wie gravierend eine Behandlung mit Breitband-Antibiotika sich auf das zerbrechliche Zusammenspiel der Darmbakterien auswirkt. Dem Studienteam zufolge dauert es bis zu einem halben Jahr, bis sich die Darmflora wieder erholt hat. Eine komplette Regeneration konnte die Forschergruppe jedoch nicht feststellen. „Einige empfindliche Bakterienarten blieben dauerhaft verschwunden“, so Forslund.
Über den Ablauf der Studie
Bei den Untersuchungen erklärten sich zwölf gesunde Männer bereit, über vier Tage hinweg einen Cocktail aus den drei Antibiotika Meropenem, Gentamicin und Vancomycin einzunehmen. Anschießend wurde sechs Monate lang ihr Darmmikrobiom analysiert. Dabei wurde nicht nur die Anwesenheit der einzelnen Bakterienarten festgehalten, sondern auch deren Gene mittels DNA-Sequenzierung bestimmt.
Auch nach der Antibiotika-Gabe war der Darm nicht steril
Die erste Überraschung zeigte sich kurz nach der Medikation. Wie die Forschenden berichten, hatten einige Bakterien sogar die stark wirksamen Antibiotika überlebt. Unter den Überlebenden fand das Wissenschaftsteam einige bislang unbekannte und noch nicht näher charakterisierte Arten. Andere Bakterienarten verwandelten sich in Sporen. In dieser Lebensform können die Bakterien lange Zeit unter schlechten Bedingungen verharren.
Wie sich der Darm langsam erholt
Im weiteren Verlauf der Regenerationsphase zeigte sich die zweite Überraschung. Die ersten Bakterien, die den Darm wieder besiedeln, waren vorwiegend den krankmachenden, also pathogenen Stämmen zuzuordnen wie beispielsweise Enterococcus faecalis und Fusobacterium nucleatum. „Diese Beobachtung erklärt gut, warum die meisten Antibiotika Magen-Darm-Störungen hervorrufen“, schließt Forslund.
Milchsäurebakterien sorgen für die Wende
Mit der Zeit werden die pathogenen Stämme zunehmend von nützlichen Bakterienarten wie beispielsweise den Milchsäure produzierenden Bifidobakterien verdrängt, berichten die Forschenden. Nach sechs Monaten war die Darmflora wieder intakt – aber nicht mehr ganz die alte. Einige Bakterienarten fehlten und kehrten nicht wieder zurück. „Auch die Anzahl der Resistenz-Gene hatte sich in den Bakterien erwartungsgemäß erhöht“, erläutert Forslund.
Mehr Bedacht im Umgang mit Antibiotika
„Aufgrund des offenbar dauerhaften Verlusts einzelner Arten und der erhöhten Zahl der Resistenz-Gene zeige die Studie einmal mehr, wie wichtig es ist, Antibiotika mit Bedacht zu verabreichen“, resümiert die Expertin. Nun müsse man herausfinden, wie es besser gelingen kann, die empfindliche Darmflora vor Antibiotika zu schützen. Weitere Informationen zum Aufbau und zur Darmsanierung finden Sie in den Artikeln „Darmflora aufbauen: So gehts” und „Die 10 besten Tipps zur Darmsanierung“. (vb)
Autoren- und Quelleninformationen
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.