Nahrungsergänzungsmittel: Giftige Produkte können unkontrolliert auf den Markt kommen
Für Nahrungsergänzungsmittel wird in Deutschland keine Zulassung benötigt, um sie auf den Markt zu bringen. Allerdings brauchen solche Präparate eine behördliche Erlaubnis. Reporter zeigen nun, dass teilweise hochgiftige Produkte unkontrolliert auf den Markt gelangen können.
Laut einem Bericht von „tagesschau.de“ ist es einem Autorenteam des ARD-Politikmagazins Report Mainz gelungen, bei den Behörden ein gefährliches Nahrungsergänzungsmittel für den Verkauf anzumelden. Den Angaben zufolge wurde das Präparat während des gesamten Experiments über knapp zwei Monate weder kontrolliert noch verboten.
Nahrungsergänzungsmittel mit giftiger Zutat
Um Nahrungsergänzungsmittel auf den Markt zu bringen, „wird keine Zulassung benötigt“, erklärt das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) auf seiner Webseite. Aber: „Nahrungsergänzungsmittel müssen beim BVL angezeigt werden!“, schreibt das BVL an anderer Stelle. Laut dem Amt hat derjenige, der ein Nahrungsergänzungsmittel herstellt, auf den Markt bringt oder importiert, die geltenden rechtlichen Vorschriften in eigener Verantwortung zu beachten. „Die Einhaltung der rechtlichen Vorgaben überwacht die jeweils zuständige Lebensmittelüberwachungsbehörde in den Bundesländern“, so das BVL.
„tagesschau.de“ zufolge sind für die Überwachung die rund 400 Landkreise und kreisfreien Städte zuständig. Doch die kontrollieren offenbar nur stichprobenartig, wie das Autorenteam von Report Mainz feststellte. Die Reporter hatten auf dem Etikett des angemeldeten Nahrungsergänzungsmittels einen giftigen Pflanzenstoff als Zutat angegeben: Datura-Extrakt, also Stechapfel.
Wie die Informationszentrale gegen Vergiftungen Bonn auf ihrer Webseite erklärt, ist Stechapfel „sehr giftig, schon bei Einnahme kleinerer Mengen sind ernste Symptome zu erwarten; In der Literatur wurden Todesfälle beschrieben.“ Laut den Experten kann es zu Symptomen wie Unruhe, Bewusstseinstrübung und/oder Halluzinationen, Pupillenerweiterung, Mundtrockenheit, Blasensperre, Übertemperatur und Pulsbeschleinigung kommen.
Dem Bericht zufolge erklärten die drei im Experiment betroffenen Städte auf Nachfrage, warum sie das gefährliche Produkt nicht kontrolliert haben, dass Nahrungsergänzungsmittel nur stichprobenartig kontrolliert würden. Verkauft und hergestellt haben die Reporter das gefährliche Produkt übrigens nicht.
Überwachung in Deutschland funktioniert nicht
Wie „tagesschau.de“ berichtet, zeigt das Experiment für den Pharmakologen Martin Smollich vom Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, dass die Überwachung in Deutschland nicht funktioniere. Dem Experten zufolge könne deshalb aktuell eine Gesundheitsgefahr für Verbraucher durch Nahrungsergänzungsmittel nicht ausgeschlossen werden.
Die Verbraucherschutzpolitikerin Renate Künast (Bündnis90/Die Grünen) will, dass Nahrungsergänzungsmittel – so wie Arzneimittel – zugelassen werden müssen, bevor sie verkauft werden. „Wir können den Markt mit etwas, das am Ende gesundheitsschädlich ist, nicht einfach so unreguliert lassen“, so die Politikerin laut dem Medienbericht.
Ausgewogene und abwechslungsreiche Ernährung
In Deutschland greift etwa ein Drittel der Erwachsenen regelmäßig zu Vitamintabletten, Mineralstoffkapseln oder anderen Nahrungsergänzungsmitteln. „Viele Produkte versprechen positive Effekte für Gesundheit, Wohlbefinden und Leistungsfähigkeit – ihre Einnahme kann jedoch auch mit gesundheitlichen Risiken verbunden sein“, erklärte der Präsident des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR), Professor Dr. Dr. Andreas Hensel, in einer Mitteilung. „Eine ausgewogene und abwechslungsreiche Ernährung bleibt in der Regel die beste Basis, um gesund zu bleiben“, so der Experte. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit: Nahrungsergänzungsmittel, (Abruf: 09.09.2019), Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit
- Informationszentrale gegen Vergiftungen Bonn: Stechapfel (Datura stramonium), (Abruf: 09.09.2019), Informationszentrale gegen Vergiftungen Bonn
- Bundesinstitut für Risikobewertung: Nährstoffversorgung? Teller statt Tablette!, (Abruf: 09.09.2019), Bundesinstitut für Risikobewertung
Wichtiger Hinweis:
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