Antibiotika-Resistenzen: Schnelltest hilft bei Vergabe des „richtigen“ Medikaments
Die Zunahme von Antibiotika-Resistenzen stellt das Gesundheitswesen vor eine immer größer werdende Herausforderung. Wenn solche Medikamente nicht mehr wirken, können selbst kleine Entzündungen zu einem großen Risiko werden. Deutsche Forscher haben nun einen neuartigen Schnelltest entwickelt, der innerhalb kürzester Zeit Auskunft darüber gibt, welches Antibiotikum im konkreten Fall noch wirksam ist.
Gefährliche Zunahme von Antibiotika-Resistenzen
Multiresistente Keime stellen eine wachsende Bedrohung dar. Der massenhafte und oft unnötige Einsatz von Antibiotika führt dazu, dass immer mehr Erreger gegenüber Medikamenten unempfindlich sind. Erst im vorvergangenen Jahr hat eine EU-Kommission vor massiv zunehmenden Antibiotika-Resistenzen gewarnt. Wenn das Problem nicht bald unter Kontrolle gebracht wird, droht Forschern zufolge ein Schreckensszenario. So könnte es laut einer älteren Studie der Berliner Charité bis 2050 rund zehn Millionen Tote durch multiresistente Keime geben. Bisher gut behandelbare Infektionen können lebensbedrohlich verlaufen. Ein neuer Test könnte künftig dazu beitragen, die Verbreitung von Resistenzen einzudämmen.
Schnellere Diagnostik rettet Leben
Wie das Leibniz-Institut für Photonische Technologien (Leibniz-IPHT) in einer aktuellen Mitteilung schreibt, kann ein neuartiger Schnelltest innerhalb von dreieinhalb Stunden Auskunft darüber geben, welches verfügbare Antibiotikum im konkreten Fall noch wirksam ist.
Eine schnellere Diagnostik ermöglicht eine personalisierte Therapie und rettet Leben.
Den Experten zufolge ist eine gezielte, sparsame und verantwortungsvolle Verwendung von (Breitspektrum- und Reserve-)Antibiotika Voraussetzung, um die Verbreitung von Resistenzen einzudämmen.
Bei Standardverfahren dauert es mitunter drei Tage bis das Ergebnis vorliegt
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Leibniz-Instituts für Photonische Technologien (Leibniz-IPHT), des Center for Sepsis Control and Care des Jenaer Universitätsklinikums und der Friedrich-Schiller-Universität Jena arbeiten an einer schnellen, kostengünstigen Alternative zur bislang zeitintensiven mikrobiologischen Erregerdiagnostik.
„Wir kombinieren lichtbasierte Analysemethoden mit mikrofluidischer Probenprozessierung. Mit unserem Lab-on-a-Chip-System, also einem miniaturisierten Labor, können wir Bakterienstämme und deren Resistenzen in weniger als dreieinhalb Stunden eindeutig bestimmen,“ erläutert Projektleiterin Prof. Ute Neugebauer den Vorteil des neuen Ansatzes.
Standardverfahren für die Infektionsdiagnostik benötigen mitunter 72 Stunden bis ein verlässliches Ergebnis vorliegt.
Dies liegt unter anderem daran, dass die Anzahl der Erreger in einer Patientenprobe viel zu gering ist, um Tests durchführen zu können. Erst nach einer zeitraubenden Kultivierung ist eine Analyse möglich.
Mediziner müssen oft „blind“ mit Antibiotika behandeln
Vor allem in der klinischen Anwendung, bei der Behandlung von schweren Infektionen, z.B. bei einer Sepsis, ist Zeit ein entscheidender Faktor.
Intensivmediziner stehen vor einem besorgniserregenden Dilemma: „Viel zu oft müssen wir ‚blind’ mit Breitspektrumantibiotika behandeln, da wir zunächst weder den Erreger noch eventuell vorhandene Resistenzen bestimmen können“, so Prof. Michael Bauer, Direktor der Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin am Universitätsklinikum Jena.
„Daher schießen wir unter Umständen mit Kanonen auf Spatzen. Ein Teufelskreis, der das Entstehen neuer Resistenzen begünstigt.“
Grundlage für eine verlässliche Therapieentscheidung
Eine deutlich schnellere Diagnose als Grundlage für eine verlässliche Therapieentscheidung liefert das neue Verfahren aus Jena.
Ute Neugebauer, die am Leibniz-IPHT und am Universitätsklinikum Jena arbeitet, deutet auf winzige Elektroden, die auf der Oberfläche des etwa briefmarkengroßen Chips angebracht sind: „Hier fixieren elektrische Felder die Bakterien in einem sehr kleinen Bereich.“
Dort gefangen, bringen die Jenaer Forscherinnen und Forscher die Erreger mit verschiedenen Antibiotika in unterschiedlichen Konzentrationen in Kontakt und untersuchen diese mit Hilfe der Raman-Spektroskopie.
„Das heißt, wir bestrahlen die Erreger mit Laserlicht und werten das gestreute Lichtspektrum aus,“ beschreibt Neugebauer die Methode.
„Bereits nach zwei Stunden sehen wir eindeutige Veränderungen in den Raman-Spektren. Daraus lässt sich ableiten, ob der Stamm resistent oder sensibel ist,“ erklärt Prof. Jürgen Popp, Direktor des Leibniz-IPHT und Leiter des Instituts für Physikalische Chemie der Friedrich-Schiller-Universität Jena.
„Zugleich erhalten wir Informationen darüber, wie hoch die Konzentration des Antibiotikums sein muss, um das Bakterienwachstum vollständig zu hemmen. Das ist ein wichtiger diagnostischer Parameter, der den Erfolg der Behandlung entscheidend beeinflusst,“ so Popp weiter.
Die Ergebnisse hierzu präsentierte das Team aus Chemikern, Medizinern und Biologen im Fachjournal „Analytical Chemistry“.
Hilfe bei der Vergabe des passenden Medikaments
Die Kombination aus schneller, lichtbasierter Diagnostik und einem hohen Automatisierungsgrad verkürzt die Zeit von der Probennahme bis zum Ergebnis von bisher 72 auf dreieinhalb Stunden.
„Eine derart schnelles Verfahren könnte die Diagnostik von Infektionskrankheiten revolutionieren,“ ist sich Prof. Bettina Löffler, Direktorin des Instituts für Medizinische Mikrobiologie am Universitätsklinikum Jena, sicher.
Momentan arbeiten die Forscherinnen und Forscher an einer Plattform für den Einsatz in Krankenhäusern.
Ein weiter in die Zukunft reichendes Ziel ist die Weiterentwicklung zu einem kartuschenbasierten Schnelltestsystem, das es erstmalig Hausärzten ermöglichen wird, die Resistenzen unkompliziert und schnell zu bestimmen.
Damit hätten Mediziner ein mächtiges Werkzeug, welches sie bei der personalisierten Therapieentscheidung, d.h. bei der Vergabe des passenden Medikamentes unterstützt. (ad)
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Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.