Richter erlauben ärztliche Sterbehilfe im Ausnahmefall
05.04.2012
Das Urteil des Berliner Verwaltungsgerichts sorgt für Aufregung: Berliner Ärzte dürfen demnach in Ausnahmefällen unheilbar kranken Patienten Substanzen für einen Freitod überlassen. Die Landesärztekammer hatte dies einem Arzt im Jahr 2007 untersagt. Nach Auffassung der Richter verstoße ein generelles Verbot jedoch gegen die Gewissensfreiheit und die Freiheit der Berufsausübung.
Urteil gilt nur für Kläger und Landesärztekammer Berlin
Ärzten darf nicht generell von der Ärztekammer verboten werden, Patienten, bei denen keine Heilungschancen mehr bestehen, tödliche Substanzen für einen Suizid zu überlassen, so das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin. Für gesunde und psychisch Kranke Menschen ist die assistierte Sterbehilfe jedoch weiterhin untersagt.
Im aktuellen Fall hatte ein Arzt, der zum Zeitpunkt der Klage zweiter Vorsitzender des Vereins Dignitas Deutschland war, gegen ein Verbot der Landesärztekammer Berlin aus dem Jahr 2007 geklagt. In dem damaligen Urteil verwies die Ärztekammer auf die „ärztliche Ethik“ und untersagte dem Arzt nicht nur die konkrete Sterbehilfe durch assistierten Suizid sondern auch „Substanzen, die allein oder in Verbindung mit anderen dazu geeignet sind den Tod eines Menschen herbeizuführen, an Patienten abzugeben oder in sonstiger Weise zum Gebrauch für deren beabsichtigten Suizid zu überlassen“. Bei Zuwiderhandlung gegen dieses Verbot wäre ein Zwangsgeld in Höhe von 50.000 Euro fällig geworden.
Berufliche und organisierte Sterbehilfe weiterhin verboten
Die Richter sahen in dem generellen Verbot jedoch einen Verstoß gegen die Gewissensfreiheit und die Freiheit der Berufsausübung. Der Arzt könne in Ausnahmefällen in einen Gewissenkonflikt geraten. In der Pressemitteilung des Verwaltungsgericht heißt es dazu : „Gemessen am verfassungsrechtlichen Maßstab der Freiheit der Berufsausübung (Art. 12 GG) und der Gewissensfreiheit des Arztes (Art. 2 Abs. 1 GG) habe aber kein uneingeschränktes Verbot des ärztlich assistierten Suizids ausgesprochen werden dürfen. Mit den genannten Grundrechten unvereinbar sei es nämlich, die ärztliche Beilhilfe zum Suizid auch in Ausnahmefällen unter Androhung eines Zwangsgeldes zu verbieten, in denen ein Arzt aufgrund einer lang andauernden, engen persönlichen Beziehung in einen Gewissenkonflikt geraten würde, weil die Person, die freiverantwortlich die Selbsttötung wünsche, unerträglich und irreversibel an einer Krankheit leide und alternative Mittel der Leidensbegrenzung nicht ausreichend zur Verfügung stünden. Der Kläger habe dargelegt, dass ein solcher Ausnahmefall für ihn außerhalb seiner Tätigkeit für den Sterbehilfeverein keine bloß theoretische Möglichkeit darstelle.“ Die Richter wiesen eindringlich darauf hin, dass Gesunde und psychisch Kranke von der Überlassung tödlicher Medikamente ausgenommen seien. Darüber hinaus sei es Ärztekammern „ohne weiteres“ erlaubt, berufliche oder organisierte Sterbehilfe, wie beispielsweise vom Verein Dignitas angeboten, zu verbieten. (ag)
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