Welchen Effekt haben eingewanderte Makrophagen nach einem Schlaganfall?
Bei einem Schlaganfall wird das Hirngewebe geschädigt und im Falles des Überlebens der Betroffenen zeigt der Körper anschließend verschiedene weitere Reaktionen, die bislang nur unzureichend verstanden sind. In einer aktuellen Studie wurde nun deutlich, dass nach einem Schlaganfall auch sogenannte Makrophagen aus dem Knochenmark in das Gehirn wandern. Welche Wirkung die Riesenfresszellen dort entfalten, haben die Forschenden ebenfalls versucht zu entschlüsseln.
Ein Forschungsteam des Universitätsklinikums Jena, der Universität Bonn und des Memorial Sloan Kettering Cancer Center in New York (USA) hat mithilfe einer neuen Methode nachgewiesen, dass nach einem Schlaganfall Makrophagen aus dem Knochenmark in das Gehirn einwandern. Und auch die Wirkung der eingewanderten Riesenfresszellen haben die Forschenden im Mausmodell untersucht. Ihre Ergebnisse wurden in dem renommierten Fachmagazin „Nature Neuroscience“ veröffentlicht.
Entscheidend für die Hirnentwicklung und -funktion
Als Bestandteile des angeborenen Immunsystems sind Makrophagen in jedem Gewebe unseres Körpers zu finden und auch für die Hirnentwicklung und -funktion sind die Riesenfresszellen von entscheidender Bedeutung, erläutern die Forschenden. Die dort ansässigen Immunzellen werden Mikroglia genannt.
Makrophagen aus dem Knochenmark rekrutiert
Jedoch kommen „während Entzündungsvorgängen, zum Beispiel nach einem Schlaganfall, bei Infektionen des Gehirns, Multipler Sklerose oder auch bei der Alzheimer-Erkrankung, weitere Makrophagen ins Spiel, die aus dem Knochenmark rekrutiert werden“, berichtet das Forschungsteam weiter.
Hier stellte sich den Forschenden die Frage, inwiefern es einen Unterschied hinsichtlich der Gehirnerkrankungen macht, ob die Makrophagen im Gehirn ansässig oder ins Gehirn eingewandert sind. Da die beiden Zellarten mit herkömmlichen Mitteln nicht voneinander unterschieden werden konnten, sei dies bisher nicht feststellbar gewesen.
Eingewanderte Makrophagen nach einem Schlaganfall
Das Forschungsteam hat nun allerdings eine neue Methode entwickelt, mit der sie Makrophagen, die im Knochenmark gebildet wurden, zum Leuchten bringen können. Mit dieser Technologie konnten sie in Untersuchungen an Mäusen nachweisen, dass „kurz nach einem Schlaganfall zahlreiche aus dem Blut eingewanderte Makrophagen abgestorbenes und angrenzendes gesundes Hirngewebe befallen.“
Leuchtende Makrophagen
„Das Team untersuchte Mäuse, bei denen die genetische Information für einen molekularen Schalter in ein Cxcr4 genanntes Gen eingebracht wurde. Aktiviert man diesen Schalter mit einem speziellen Wirkstoff, so erzeugen Stammzellen im Knochenmark, von denen alle im Blut zirkulierenden Immunzellen abstammen, fortan ein farbig fluoreszierendes Protein“, so die Mitteilung des Universitätsklinikums Jena.
Keine eingewanderten Makrophagen bei gesunden Mäusen
Da das Leuchten nur auf die im Blut zirkulierenden Tochterzellen übergeht, während ansässige Mikroglia im Gehirn nicht markiert werden, konnten die Forschenden die eingewanderten Immunzellen einfach anhand ihrer Farbe von Mikroglia unterscheiden. Auf diese Weise lies sich nachweisen, „dass sich während eines gesunden Mäuselebens praktisch keine von Knochenmarksstammzellen gebildeten Makrophagen im Gehirn ansiedeln.“
Riesenfresszellen zogen sich wieder zurück
Dem Forschungsteam um Professor Dr. Ralf Stumm vom Universitätsklinikum Jena, Professorin Dr. Elvira Mass von der Universität Bonn und Professor Dr. Frederic Geissmann vom Memorial Sloan Kettering Cancer Center in New York zufolge, war in den Untersuchungen jedoch auch festzustellen, dass sich die eingewanderten Riesenfresszellen in den nachfolgenden Tagen vollständig aus dem gesunden Hirngewebe zurückzogen und dann nur noch im abgestorbenen Hirngewebe zu finden waren.
Spezielle Genfunktion von entscheidender Bedeutung
Für weitere Untersuchungen inaktivierten die Forschenden eine spezielle Genfunktion (Cxcr4-Genfunktion), welche eine wesentliche Rolle bei Entzündungsvorgängen im Gehirn spielt. Bei fehlender Cxcr4-Funktion wurden nach einem Schlaganfall zunächst weniger Makrophagen ins Gehirn gelockt und die eingewanderten Makrophagen zogen sich in den Folgetagen nur unvollständig in das tote Hirngewebe zurück, berichtet das Forschungsteam.
Zudem wurden bei inaktiver Cxcr4-Genfunktion „zahlreiche Gene, die für eine schützende Immunantwort notwendig sind, in den eingewanderten Makrophagen nicht angeschaltet, wohingegen entzündungsfördernde Gene in den ansässigen Makrophagen zu stark ausgebildet wurden“, so Prof. Elvira Mass. Auch seien einige Makrophagen viel zu lang im gesundem Hirngewebe verblieben und verhinderten, dass dort ansässigen Mikroglia zur Ruhe kamen.
Rekrutierte Makrophagen schützen das Gehirn
Insgesamt führte das Fehlen des Cxcr4-Rezeptors bei Mäusen mit einem Schlaganfall zu einem leicht vergrößerten Gewebeschaden und zu einem schlechteren Gesamtzustand der Mäuse, so das Forschungsteam weiter. Durch die Studienergebnisse werde deutlich, „dass der Cxcr4-Rezeptor Teil einer Immunantwort ist, mit der aus dem Knochenmark stammende Makrophagen das geschädigte Gehirn schützen.“
Je besser die räumliche und zeitliche Aktivierung des Cxcr4-Moleküls während eines Schlaganfalls verstanden wird, desto besser könne in Zukunft mit Cxcr4-inhibierenden Medikamenten geholfen werden, betont Prof. Stumm.
Universelles Werkzeug für weitere Forschung
Ein wesentlicher Meilenstein ist nach Ansicht der Forschenden zudem der entdeckte genetische Schalter, mit dem sie die Makrophagen aus dem Knochenmark zum Leuchten gebracht haben. Dies sei ein universelles Werkzeug, mit dem die Funktion der aus dem Knochenmark stammenden Immunzellen künftig besser untersucht werden kann. (fp)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Universitätsklinikum Jena: Schlaganfall: Makrophagen wandern aus dem Blut ein (veröffentlicht 11.02.2020), uniklinikum-jena.de
- Yves Werner, Elvira Mass, Praveen Ashok Kumar, Thomas Ulas, Kristian Händler, Arik Horne, Kathrin Klee, Amelie Lupp, Dagmar Schütz, Friederike Saaber, Christoph Redecker, Joachim L. Schultze, Frederic Geissmann, Ralf Stumm: Cxcr4 distinguishes HSC-derived monocytes from microglia and reveals monocyte immune responses to experimental stroke; in Natur Neuroscience (veröffentlicht 10.02.2020), nature.com
Wichtiger Hinweis:
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