Ausbreitung der Rinder-TBC im Allgäu bereitet den Behörden Sorgen
02.07.2013
Lange galt Deutschland als frei von Rindertuberkulose (Rinder-TBC), doch nachdem im Allgäu mehrere infizierte Tiere entdeckt wurden, wächst die Sorge vor einer erneuten Ausbreitung. Da auch Menschen sich über Rohmilch mit der Rinder-TBC infizieren können, zeigen sich die Behörden besonders sensibilisiert. Umfassende Sicherheitsvorkehrungen wurden getroffen, Betriebe bei entsprechendem Verdacht gesperrt und möglicherweise infizierte Tiere getötet.
Nach Ansicht der Bauern ist das behördliche Vorgehen im Kampf gegen die Rinder-TBC zumindest teilweise überzogen. Hier würden gesunde Tiere ohne Rechtsgrundlage getötet und Hofsperrungen durchgeführt, um die finanziellen Interessen der Molkereien zu schützen, die ansonsten die Milch abnehmen müssten., bemängelte Johannes Wachinger, Sprecher der „Interessengemeinschaft für gesunde Tiere“ (IttG). Vorwürfe die beim Oberallgäuer Landratsamt auf wenig Verständnis stoßen, zumal laut Mitteilung des Landkreises auf „Initiative von Landrat Kaiser eine Eilverordnung des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz in Kraft gesetzt“ wurde, die „für die kommenden sechs Monate die geltende Rinder-Tbc-Verordnung“ ändert. So wurden die Sperrfristen für die Höfe deutlich verkürzt und die Rinder mit unklarem Testergebnis müssen nicht mehr zwingend gekeult werden, sondern es kann nach 42 Tagen ein erneuter Test erfolgen.
Rinder-TBC auch auf Menschen übertragbar
Tuberkulose kann als bakterielle Infektionskrankheit sowohl beim Menschen als auch bei Tieren auftreten. Zwar verläuft die „menschliche“ Tuberkulose weitgehend unabhängig von Tieren, das heißt, Menschen infizieren sich in der Regel an Menschen, doch kann auch die Rinder-TBC auf Menschen übertragen werden. Verantwortlich für die Tuberkulose beim Menschen ist der Erreger Mykobacterium Tuberculosis, für die Rinder-TBC der Erreger Mykobacterium Caprae. Letzterer wirke „beim Menschen weniger infektiös als beim Rind“, weshalb das Risiko einer Ansteckung sehr gering ausfalle, berichtet der Landkreis Oberallgäu. Allerdings sei „eine Ansteckung nicht vollständig ausgeschlossen.“ Bisher wurde im Landkreis Oberallgäu jedoch kein Fall einer nachgewiesenen Infektion von Menschen mit Rindertuberkulose festgestellt. Es gebe „zwar aktuell zwei Fälle, bei denen Immuntests das Ergebnis erbrachten, dass Landwirte aus dem Oberallgäu irgendwann in ihrem Leben mit irgendwelchen Mykobakterien in Berührung gekommen sind – aber das heißt noch lange nicht, dass ein Zusammenhang mit dem derzeitigen Rinder-Tbc-Geschehen besteht“, so die offizielle Position. Vorsichtshalber erfolge eine Therapie der Betroffenen mit einschlägigen Antibiotika.
Bestände bei mehr als 1.300 Betrieben auf Rinder-TBC kontrolliert
Besonders schwierig ist die Situation für die Milchbauern im Allgäu, da ihre Milch meist zu Rohmilchprodukten wie dem Allgäuer Emmentaler oder dem Allgäuer Bergkäse verarbeitet wird und die Rinder-TBC auf diesem Wege theoretisch übertragen werden könnte. Im Sinne der Verbraucher macht die nun wieder eingeführte Reihenuntersuchung der Rinderbestände daher durchaus Sinn. „Denn nur wenn überhaupt untersucht wird, können infizierte Tiere früh aufgespürt werden – ohne auf Zufallsfunde bei der Schlachtung angewiesen zu sein“, berichtet der Landkreis Oberallgäu. Bis zum Ende des Jahres sollen laut offiziellen Angaben alle 2.043 rinderhaltenden Betrieben im Landkreis und in der Stadt Kempten überprüft werden. Bislang wurden bereits 1.356 rinderhaltende Betriebe untersucht von denen 1.335 „anerkannt frei von Tuberkulose“ seien, so der Landkreis weiter. 21 Höfe bleiben derzeit wegen des Verdachts einer Infektion mit Rindertuberkulose vorerst noch gesperrt.
Mögliche Tuberkulose-Infektionen durch Rotwild
Insgesamt wurden dem Landkreis Oberallgäu zufolge von den circa 90.000 Rindern im Oberallgäu mittlerweile 52.136 getestet und 785 Tiere mussten getötet werden. Es seien fast immer nur einzelne Tiere betroffen gewesen, „was nahelegt, dass die Tiere einerseits in einem frühen Infektionsstadium aufgespürt werden und anderseits sich außerhalb des Betriebes infiziert haben“, so die offizielle Mitteilung. Als mögliche Infektionsquelle gilt Rotwild, da viele Milchbauern ihr Vieh im Sommer auf den 600 Oberallgäuer Alpen weiden lassen. Während der Almsaison kommen die Rinder in Kontakt mit den Exkrementen des Rotwildes und nutzen zumindest teilweise die selben Futterstellen. Auch Salzlecksteine werden vom Rotwild dankbar angenommen. Auf diese Weise können Erreger von der Wildpopulation leicht auf den Milchviehbestand übergehen. „Beim Rotwild waren von 479 im Jagdjahr 2012 untersuchten Tieren 21 infiziert, und zwar mit dem selben Erreger wie beim Vieh (Mykobacterium caprae)“, berichtet der Landkreis Oberallgäu.
Vorkehrung zur Vermeidung einer TBC-Übertragung
Zwar kann die Almsaison laut Mitteilung des Landkreises wie gewohnt stattfinden, doch sollten sich die Landwirte an einige Empfehlungen für den Alpweidebetrieb halten. So sollte beispielsweise die „freie Wildfütterungen auf Alpweiden vorsorglich unterlassen werden, von einer Beweidung von Rotwildgattern wird abgeraten“ und „Salzfütterung sollte so erfolgen, dass nicht beide Tierarten gleichzeitig die selbe Fütterung erreichen können.“ Auch müssten sich die Landwirte der Tatsache bewusst sein, dass „insbesondere an schattigen Lagen ohne direkte Sonneneinstrahlung (UV) sich der Erreger an Kot- oder Futterresten länger halten kann“, so die Mitteilung des Landkreises Oberallgäu. Es gelte, die Möglichkeiten für Kontaktübertragungen zwischen Schalenwild und den Rindern so weit wie möglich zu minimieren.
Pasteurisierte Milch kann bedenkenlos konsumiert werden
Die Milch aus Beständen mit Rinder-TBC „kann nach vorhergehender Pasteurisierung einer Verwertung zugeführt werden“ und die hieraus erzeugten „Lebensmittel sind auch auf dem europäischen Markt frei handelbar“, erläutert der Landkreis Oberallgäu in seiner Pressemitteilung. Werde Rohmilch direkt ab Hof verkauft, sei der Landwirt generell gesetzlich verpflichtet, durch ein gut sichtbares Schild darauf hinzuweisen, dass die Milch vor dem Verzehr abzukochen ist. Für die im Allgäu verbreitete Herstellung von Rohmilchkäse dürfe indes nur „Milch aus Beständen verwendet werden, die als amtlich tuberkulosefrei gelten“, so die offizielle Mitteilung. Für die Allgäuer Landwirte könnte die Ausbreitung der Rinder-TBC daher schnell ein existenzbedrohendes Ausmaß annehmen. (fp)
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