Gesundheit gefährdet: Zahl der Pendler in Deutschland auf neuen Rekordwert gestiegen
Immer mehr Beschäftigte in Deutschland müssen in eine andere Gemeinde fahren, um zu ihrem Arbeitsplatz zu kommen. Mittlerweile sind rund 60 Prozent der Arbeitnehmer hierzulande Pendler – ein neuer Rekordwert. Das ist eine große Belastung für die Umwelt und auch für die Gesundheit der Betroffenen.
60 Prozent der deutschen Arbeitnehmer sind Pendler
Die Zahl der Pendler in Deutschland ist im vergangenen Jahr auf einen neuen Rekordwert gestiegen. Während im Jahr 2000 noch 53 Prozent aller Arbeitnehmer pendelten, waren es zuletzt 60 Prozent. Das geht aus einer Auswertung des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) hervor. Das hat nicht nur negative Auswirkungen auf die Umwelt, sondern auch auf die Gesundheit der Pendler.
Berlin verzeichnet stärksten Zuwachs
Wie das BBSR in einer Mitteilung berichtet, pendeln besonders viele Menschen in die Großstädte.
So wohnen beispielsweise zwei Drittel der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, die in den Metropolen Frankfurt am Main, Düsseldorf und Stuttgart arbeiten, außerhalb der Stadtgrenzen. Die meisten Pendler hat München.
Dort arbeiteten 2016 rund 355.000 Menschen, die außerhalb der Stadtgrenze wohnten – ein Plus von 21 Prozent seit 2000. Frankfurt am Main folgt mit 348.000 Pendlern (plus 14 Prozent).
Den größten Zuwachs verzeichnete Berlin: Hier nahm die Zahl der Pendler gegenüber dem Jahr 2000 um 53 Prozent auf 274.000 zu.
Längere Arbeitswege
Doch nicht nur die Zahl der Pendler, sondern auch die durchschnittliche Länge des einfachen Arbeitsweges ist in den vergangenen Jahren gestiegen: von 14,6 Kilometer im Jahr 2000 auf 16,8 Kilometer im Jahr 2015.
„Insbesondere die Umlandkommunen profitieren vom Wachstum der wirtschaftsstarken Großstädte“, sagte BBSR-Direktor Herrmann.
„Es hat aber auch Nebenwirkungen, dass immer mehr Beschäftigte außerhalb wohnen. Der Flächenverbrauch und die Verkehrsbelastung steigen. Deshalb ist es wichtig, dass die Infrastruktur mit dem Wachstum Schritt hält und das Umland gut an den öffentlichen Nahverkehr angebunden bleibt“, so Herrmann.
Hohe Feinstaubbelastung
Das hohe Verkehrsaufkommen stellt eine große Belastung für die Umwelt dar. So wurden etwa Pendler in Stuttgart – eine der am stärksten betroffenen Städte – im vergangenen Jahr aufgefordert, ihr Auto bei Feinstaubalarm am besten stehen zu lassen.
Die baden-württembergische Landeshauptstadt wird im Jahr 2030 eine von Europas Städten mit der größten Feinstaubbelastung sein, wie österreichische Forscher berechnet haben. Berufspendeln stellt eine Gefahr für die Gesundheit dar.
„Die verfügbaren Untersuchungen zeigen, dass tägliche Pendelmobilität die körperliche und psychische Gesundheit der Erwerbstätigen gefährden kann und einen negativen Einfluss auf das Gesundheitsempfinden hat“, erklärte Simon Pfaff vom Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung in Wiesbaden in einer Mitteilung der Nachrichtenagentur dpa.
„Je länger die Fahrzeit der Erwerbstätigen, desto größer die Belastung, auch weil weniger Zeit zum Regenerieren bleibt.“
Psychische Krankheiten durch Berufspendeln
Die Krankenkassen beschäftigen sich schon seit Jahren mit dem erhöhten Gesundheitsrisiko der Berufspendler.
So zeigte eine Untersuchung der Techniker Krankenkasse (TK) vor Jahren, dass Pendeln oder auch häufige Jobwechsel und Umzüge aufgrund eines neuen Arbeitsplatzes offenbar Ursachen dafür sind, warum es häufiger zu psychischen Krankheiten bei Berufspendlern kommt.
Die viel beschworene „Mobilität und Flexibilität geht den Menschen auf die Nerven“, kommentierte eine Sprecherin damals.
Bezahlbares Wohnen in Metropolen
Aus Sicht der IG Bau sind die wachsenden Pendlerzahlen auch eine Folge falscher Wohnungspolitik. „Es ist doch klar, dass die Pendlerzahlen steigen, wenn selbst Normalverdiener wegen hoher Mieten aus den Städten wegziehen müssen“, sagte der stellvertretende IG BAU-Bundesvorsitzende Dietmar Schäfers in einer Mitteilung.
„Pendeln verursacht nicht nur gesundheitsschädlichen Stress bei den Betroffenen. Es belastet auch die Umwelt. Was nützten Arbeitszeitverkürzungen oder Flexibilisierungen, wenn sie durch überlange Fahrzeiten wieder aufgebraucht werden“, so Schäfers.
„Wir brauchen eine Politik mit dem Ziel, bezahlbares Wohnen auch in Metropolen und Ballungsräumen zu ermöglichen.“ Es sei ein Fehler gewesen, „die Wohnungen der öffentlichen Hand zu privatisieren und es war genauso verkehrt, die Wohnungsfrage viel zu lange dem Markt zu überlassen“. (ad)
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