Rote schmerzende Ohren: Ärzte stehen vor einem Rätsel
08.03.2015
Manche Patienten stellen selbst Experten vor große Rätsel. So auch eine junge Frau in England, die sich mit anfallartiger Rötung und Schmerzen im rechten Ohr an eine Spezial-Klinik wendet. Die Ärzte dort können die Ursache aber nicht finden. Schließlich hilft das Tagebuch der Patientin.
Heftiger Schmerz vom Ohr bis zum Kiefergelenk
Über eine wahrhaft rätselhafte Patientin berichtet „Spiegel Online“ in einem aktuellen Beitrag: Eine junge Frau wendet sich mit ungewöhnlichen Beschwerden an das Royal National Throat, Nose and Ear Hospital, ein Hals-Nasen-Ohren-Krankenhaus in London. Das Ohr der 22-Jährigen werde immer wieder rot und dabei strahle ein heftiger Schmerz vom Ohr aus bis zur Schläfe und zum Kiefergelenk. Die Beschwerden halten eine Stunde an und seien mit einer Hörminderung sowie einer schmerzhaften Geräuschempfindlichkeit verbunden. Die Patientin leidet zudem unter verstärkter Müdigkeit und hat häufig Kopfschmerzen. Seit drei Monaten habe die junge Frau bereits Probleme, doch weder der Hausarzt noch Spezialisten konnten die Ursache dafür finden.
Ärzte finden bei Untersuchungen nichs Auffälliges
Die Patientin hatte bereits vor fünf Jahren mit Beschwerden im rechten Ohr zu kämpfen. Sie hatte damals ein halbes Jahr lang einen rechtsseitigen Tinnitus und nahm Geräusche schon als störend und schmerzhaft wahr, wenn andere die Geräuschkulisse völlig normal empfanden. In der Folge hatten ihr verschiedene Maßnahmen wie Hörrehabilitation, Stressmanagement zum Stressabbau, Ablenkung, neue Kommunikationstaktiken und Entspannungstechniken geholfen und die Ohrenschmerzen und weiteren Beschwerden waren verschwunden. Wie die Mediziner nun im Fachmagazin „Journal of Medical Case Reports“ berichten, konnten sie bei der körperlichen Untersuchung nichts Auffälliges entdecken. Weder liegt eine Lymphknotenschwellung vor noch gibt es Anzeichen für eine Infektion. Auch Überprüfungen des Gleichgewichtssinns, der Funktion des Mittelohrs und Hörtests fallen unauffällig aus. Die Blutwerte sind normal, Kernspin-Aufnahmen des Kopfes zeigen keine Hinweise auf Erkrankungen und auch andere Krankheiten der Haut, des Halses oder der Zähne konnten von den Ärzten ausgeschlossen werden.
Mediziner spekulieren über Ursachen
Die Diagnose der Ärzte lautet schließlich: „Red-Ear-Syndrome“ (RES), zu Deutsch: Rote-Ohren-Syndrom. Es handelt sich dabei um ein sehr seltenes Syndrom, das ursprünglich im Jar 1994 beschrieben wurde. Wegen mangelndem Wissen spekulieren Mediziner über Ursachen und Behandlungsmöglichkeiten. Manche vermuten einen Zusammenhang mit Allergien. Andere gehen von einer Störung im Bereich der Halsnervenwurzeln aus oder vermuten Läsionen in bestimmten Hirnnerven oder dem autonomen Nervengeflecht (Sympathikus und Parasympathikus). In den rund 100 RES-Fällen, die die Autoren des Fallberichts gefunden haben, berichteten viele der Patienten, dass die Rötung und der Schmerz meist anfallartig auftraten. Wie auch die Patientin litt ein Teil von ihnen gleichzeitig unter Migräne. Bei mehreren Betroffenen ließ sich die Rötung durch Hitze, Berührungen, Kopfbewegungen, Niesen, Husten, Kauen oder Haarebürsten auslösen und bei vielen spielte Stresseine wichtige Rolle.
Fallberichte liefern Anstoß für Therapiefindung
Auch bei den Therapieansätzen gibt es keine eindeutigen Vorgaben. So wird berichtet, dass manchen Betroffenen Kühlkissen halfen und anderen Schmerzmittel oder andere Arzneien wie Migränemedikamente, Blutdrucksenker oder Antidepressiva. Auch wenn die einzelnen Fallberichte nicht direkt auf andere Patienten angewendet werden können, können sie mitunter doch einen wichtigen Anstoß für die Therapiefindung liefern. Der Patientin in London versicherten die Ärzte, dass sie keine bedrohliche Krankheit hat. Damit nahmen sie ihr einen wichtigen Teil der Sorgen.
Möglicherweise löst Oramgensaft Beschwerden aus
Zudem wurde ihr zu Verhaltensänderungen geraten, die sie ausprobieren soll. So solle sie ihren Koffeinkonsum einschränken, regelmäßig und ausreichend trinken, Stress reduzieren und sich mehr bewegen. Um bestimmte Trigger zu identifizeiren, die die Beschwerden auslösen, soll die Patientin zudem ein Tagebuch über ihren Schmerz führen. Und letzteres ist offenbar sehr hilfreich, denn die Dokumentation zeigt, dass ihre Beschwerden insbesondere dann auftreten, wenn sie Orangensaft trinkt. Die Anfälle treten seltener auf, wenn sie auf den Saft verzichtet. Allerdings ist es nicht bewiesen, dass der Orangensaft tatsächlich ursächlich ist. Die junge Frau hat verschiedene Ansätze ausprobiert und vier Monate später sind die Schmerzen weg und das Ohr rötet sich viel seltener. Die Patientin kann damit gut leben. (ad)
>Bild: Rainer Sturm / pixelio.de
Autoren- und Quelleninformationen
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.