Rückenschmerz bessert sich durch das Betrachten einer Echtzeitaufnahme des Rückens
Rückenschmerzen sind mittlerweile zu einer wahren Volkskrankheit geworden und können für Betroffene zu einer großen Belastung werden. Zur Behandlung stehen verschiedene Möglichkeiten wie körperliche Aktivitäten, Physiotherapie oder Medikamente zur Verfügung. Auch Massagen können helfen – und zwar besonders, wenn Betroffene dabei zusehen können.
Chronische Rückenschmerzen bessern sich, wenn die Betroffenen eine kurze Zeit eine Echtzeitaufnahme ihres Rückens anschauen. Das Zuschauen steigert auch die Wirksamkeit von Therapien wie beispielsweise einer Massage. Das haben Untersuchungen von Forschenden der Ruhr-Universität Bochum (RUB) gezeigt.
Starke Beeinträchtigungen durch Rückenschmerzen
Laut Fachleuten leiden ungefähr 80 Prozent der Erwachsenen im Laufe ihres Lebens einmal oder wiederholt an Rückenschmerzen. Meist klingen die Beschwerden binnen weniger Wochen ab. Doch sie können auch wiederkehren oder chronisch werden, also länger als sechs Monate andauern.
Dann belastet der Schmerz auf Dauer das ganze Leben, bestimmt den Alltag, hindert Patientinnen und Patienten daran, zu arbeiten oder an sozialen Aktivitäten teilzunehmen.
„Die Betroffenen kennen ihren Schmerz gut“, so Prof. Dr. Martin Diers von der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie am LWL-Universitätsklinikum der Ruhr-Universität Bochum (RUB) in einer Mitteilung.
„Sie können zum Beispiel genau sagen, wann im Laufe des Tages der Schmerz auftrat oder wie er sich anfühlt. Was sie aber schlecht eingrenzen können, ist der genaue Ort, an dem der Schmerz sich befindet.“ Den Angaben zufolge lassen manche Schmerzpatientinnen und -patienten sogar beim Zeichnen ihres Körperumrisses an der entsprechenden Stelle eine Lücke.
Intensität des Schmerzes wurde gesenkt
Diers und sein Team wollten wissen, wie sich der Schmerz verändert, wenn die Betroffenen hinschauen. „Wir wissen nicht, wie der eigene Rücken genau aussieht, weil wir ihn nicht direkt sehen können“, erklärt der Wissenschaftler.
Diesem Problem widmete er mehrere Studien sowohl mit Schmerzpatientinnen und -patienten als auch mit Kontrollprobandinnen und Kontrollprobanden ohne Rückenschmerzen. Dabei kam jeweils eine Videokamera zum Einsatz, die hinter den Teilnehmenden platziert war und das Bild ihres Rückens in Echtzeit auf einen Monitor übertragen konnte, vor dem die Personen saßen oder den sie im Liegen sehen konnten.
Die Stärke des Schmerzes wird dabei gemessen, indem die Probandinnen und Probanden sie auf einer Skala von null bis zehn selbst einschätzen.
„Wir konnten zeigen, dass das alleinige Betrachten des Echtzeitvideos des eigenen Rückens nach einer Minute die Intensität des Schmerzes bei Patientinnen und Patienten mit chronischem Rückenschmerz senkt“, erläutert Diers. Wenn die Patientinnen und Patienten statt ihres eigenen Videos das einer anderen Person oder ein unbewegtes Bild oder ein Buch sahen, veränderte sich die Intensität des Schmerzes nicht.
Die Auflösung visueller Information ist größer
In einer weiteren Untersuchung gaben die Forschenden den Teilnehmende einen schmerzhaften Reiz auf den Rücken, zum Beispiel einen elektrischen Reiz oder einen starken Druckreiz. Mal konnten die Personen ihren Rücken dabei auf dem Monitor sehen, mal nicht.
„Wenn sie ihren Rücken während des Schmerzreizes gesehen hatten, gaben sie eine geringere Schmerzintensität an, als wenn sie währenddessen auf ihre Hand schauten, obwohl der Reiz am Rücken genau gleich stark gewesen war“, so Diers.
„Schmerzreize werden von bestimmten Nervenzellen in der Haut registriert, ins Gehirn weitergeleitet und dort verarbeitet“, erklärt der Psychologe. „Dieses System hat nur eine ziemlich grobe Auflösung.“
Zusammen mit der visuellen Information werden die Reize viel höher aufgelöst wahrgenommen. Das hilft bei der Eingrenzung des schmerzenden Bereichs: Wir können die Quelle des Schmerzes also räumlich viel spezifischer einordnen.
Multisensorische Integration bei der Behandlung von Schmerzen
Deswegen setzen die Schmerzspezialisten auch bei der Behandlung auf die sogenannte multisensorische Integration bei der Wahrnehmung von Sinnesreizen, an der mehrere Eingangskanäle für Reize beteiligt sind.
Sie untersuchten die Wirksamkeit verschiedener Therapien auf chronische Schmerzen mit und ohne die Möglichkeit, den behandelten Bereich des Körpers dabei zu sehen.
So zeigten sie Patientinnen und Patienten während einer Massage der schmerzenden Körperregion entweder das Echtzeitvideo der Behandlung oder Aufnahmen einer Massage bei einer anderen Person, ein Standbild des eigenen Rückens beziehungsweise von einem Buch, oder sie baten sie, die Augen geschlossen zu halten.
„Wir konnten so zeigen, dass die Massage im Vergleich deutlich wirksamer war, wenn die Patienten dabei zuschauen konnten“, fasst Martin Diers zusammen. „Dasselbe galt für die manuelle Therapie, eine physiotherapeutische Behandlung, bei der es unter anderem um Mobilisation geht.“
Daher plädiert Diers dafür, solche multisensorischen Prozesse in die Therapie zu integrieren. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Ruhr-Universität Bochum (RUB): Psychosomatik: Was wir sehen, beeinflusst, was wir fühlen, (Abruf: 25.02.2020), Ruhr-Universität Bochum (RUB)
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.