Wie SARS-CoV-2 menschliche Zellen zur Vermehrung umfunktioniert
Schon vor der Corona-Pandemie gab es Coronaviren, die grippeähnliche Erkrankungen verursacht haben. Wie sich das Coronavirus SARS-CoV-2 von den üblichen Coronaviren unterscheidet, zeigt nun ein deutsches Forschungsteam in einer aktuellen Studie. Demnach verfügen SARS-Coronaviren über einen einzigartigen Mechanismus, mit dem die befallen Zellen angeregt werden, viele neue Kopien der Viren zu erzeugen.
Forschende des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF) um Professor Rolf Hilgenfeld von der Universität zu Lübeck und Dr. Albrecht von Brunn von der Ludwigs-Maximilians-Universität München fanden heraus, wie SARS-Viren die Herstellung viraler Proteine in infizierten Zellen so anregen, dass viele neue Kopien des Virus gebildet werden können. Andere Coronaviren verfügen der Studie zufolge nicht über diesen Mechanismus. Dies sei gleichzeitig eine Erklärung für die höhere Pathogenität der SARS-Viren gegenüber ihren Verwandten. Die Forschungsergebnisse wurden kürzlich im angesehenen „EMBO Journal“ präsentiert.
Wie sich SARS von gewöhnlichen Coronaviren unterscheidet
Coronaviren sind seit über 50 Jahren als Auslöser für eher harmlose Erkältungskrankheiten bekannt. Im Jahr 2002 wurde erstmals ein SARS-Coronavirus (SARS-CoV-1) identifiziert, welches bei Infizierten schwere Lungenerkrankungen auslöste. Das Team des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung verglich nun das Genom von SARS-Coronaviren mit den für den Menschen harmlosen Coronavirus-Arten. Dabei stießen sie auf eine Region, die nur in SARS-Viren vorkommt und deswegen „SARS-unique Domain“ (SUD) genannt wurde.
SARS-Proteine beeinflussen menschliche Proteine
Die Arbeitsgruppe zeigte, dass die entdeckten SUD-Proteine der Viren Wechselwirkungungen mit einem menschlichen Protein namens Paip-1 eingehen. Zusammen mit Paip-1 und weiteren Proteinen bindet sich SUD der Studie zufolge an die Ribosomen, also die „Proteinsynthesefabrik“ der Wirtszelle. Durch die Bindung kurbeln die SUD-Proteine die Herstellung aller Proteine in den Ribosomen an, wodurch sowohl menschliche als auch Virus-Proteine im verstärktem Maß hergestellt werden.
Überproduktion wird von SARS-Viren zerstört
Ein weiteres Protein der Coronaviren SARS-CoV und SARS-CoV-2 namens Nsp1 ist darauf spezialisiert, Boten-RNA-Moleküle, die menschliche Proteine kodieren, gezielt zu zerstören. Als Folge produziert die infizierte Zelle überwiegend nur noch virale Proteine, so dass viele neue Kopien des Coronavirus gebildet werden können.
SUD-Proteine bereits seit einigen Jahren bekannt
Die Forschenden um Albrecht von Brunn haben die SUD-Proteine bereits vor mehreren Jahren in den ersten SARS-Viren entdeckt. „Als erfahrener Coronavirus-Forscher wusste ich, dass man die Besonderheiten des SARS-Coronavirus-Genoms anschauen muss, wenn man dieses Virus verstehen will“, erläutert der Forschungsleiter.
Wechselwirkung zwischen Virus- und Menschen-Proteinen
Das Team um Hilgenfeld entschlüsselte bereits die dreidimensionale Struktur des SUD-Proteins. Für die aktuelle Studie schlossen sich die beiden erfahrenen Arbeitsgruppen zusammen. Im Rahmen dieses Zusammenschlusses gelang es den Forschenden die Wechselwirkung zwischen den SUD-Proteinen und dem menschlichen Paip-1-Protein aufzuklären. Sie konnten darüber hinaus eine dreidimensionale Struktur des Komplexes aus SUD und Paip1 erstellen.
„Derartige Wechselwirkungsstudien zwischen Coronavirusproteinen und Proteinen der infizierten menschlichen Zelle werden uns helfen zu verstehen, wie sich die Viren Schlüsselfunktionen der Wirtszelle zunutze machen“, unterstreicht Hilgenfeld. (vb)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- J. Lei et al., The SARS-unique domain (SUD) of SARS-CoV and SARS-CoV-2 interacts with hu-man Paip1 to enhance viral RNA translation; in: EMBO Journal, 2021, embopress.org
- Universität zu Lübeck: Wie SARS-Coronaviren die menschliche Zelle zum eigenen Vorteil umfunktionieren (veröffentlicht 20.04.2021), idw-online.de
Wichtiger Hinweis:
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