Neuer Corona-Antikörpertest entwickelt
Inwiefern nach einer Infektion mit dem Coronavirus Sars-CoV-2 schützende Antikörper gebildet werden, ist eine der entscheidenden Fragen für die weitere Entwicklung der Pandemie. Um dies genauer zu erfassen, wurde an der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) nun ein neuer Test zum Nachweis der Antikörper entwickelt.
Mit dem neuen Test können die Antikörper gegen Sars-CoV-2 anhand von nur zwei Proteine in Blutproben nachgewiesen werden, berichtet die MHH. Dies bietet wesentliche Vorteile gegenüber bisherigen Tests und eröffnet auch die Möglichkeit, deutlich mehr Antikörper-Tests in kürzerer Zeit durchzuführen.
Neutralisierende Antikörper bieten Schutz
„Von den Antikörpern, die Menschen nach einer erfolgreich überstandenen Infektion mit SARS-CoV-2 im Blut haben, sind die neutralisierenden Antikörper besonders effektiv“, erläutert das Forschungsteam der MHH. Sie docken an das Coronavirus an und verhindern, dass das Virus in die menschlichen Zellen eindringt und sich dort vermehren kann. Neutralisierende Antikörper können demnach das Virus ausschalten.
Bisher unterschiedliche Forschungsergebnisse
Verschiedene Studien haben bereits die Bildung von Antikörpern nach überstandener Coronavirus-Infektion untersucht, allerdings mit durchaus unterschiedlichen Ergebnissen. Während ein amerikanisches Forschungsteam der Icahn School of Medicine at Mount Sinai zu dem Schluss kam, dass mindestens fünf Monate ein Schutz durch Antikörper besteht, berichteten Forschende des Imperial College London, dass erhebliche Zweifel an einer langfristigen Schutzwirkung der Antikörper angebracht seien.
Schwächen bisheriger Tests
Weiterhin stellt sich daher die Frage, in welchem Umfang nach einer Infektion neutralisierende Antikörper gegen das Virus gebildet werden, denn nur diese können den Körper vor erneuter Infektion schützen. Bisher wurden zum Nachweis dieser Antikörper „meist infektiöse Viren, lebende Zellen sowie Labors mit hohem Sicherheitsstandard benötigt“, berichten die Forschenden der MHH. Aufgrund der sehr hohen Anforderungen konnten mit diesen Tests jedoch nur sehr begrenzt Blutproben von Genesenen auf das Vorhandensein neutralisierender Antikörper im Blutserum untersucht werden.
Test anhand von zwei Proteinen
Der neue Test soll dies nun beheben. „Wir haben ein sehr einfaches und schnelles Verfahren entwickelt, für das lediglich zwei für den Infektionsprozess wichtige Proteine benötigt werden: Das Spike-Protein des Virus und das Protein ACE2 der Zelle“, erläutert Erstautor Dr. Berislav Bosnjak vom Institut für Immunologie der MHH. Wird die Bindung des Spike Proteins an ACE2 durch die Serumantikörper unterdrückt, so seien diese Antikörper auch in der Lage, die Infektion von Zellen mit dem Virus zu verhindern.
„Noch ist unklar, welche Mengen an neutralisierenden Antikörpern benötigt werden, um Genesene vor einer erneuten Infektion zu schützen. Mit dem jetzt vorhandenen Test wird es aber möglich sein, diese wichtige Frage schneller zu beantworten“, betont Seniorautor Professor Dr. Reinhold Förster, Leiter des MHH-Instituts für Immunologie. Dank des neuen Tests sei „es nun möglich, in klinischen Studien eine Vielzahl von Patientinnen und Patienten über eine längere Zeitspanne zu untersuchen, und festzustellen, wie lange diese so wichtigen Antikörper im Blut vorhanden sind.“
Wesentliche Vorteile des neuen Tests
Gegenüber dem bisherigen Test biete das neue Verfahren erhebliche Vorteile: Es ist weniger anspruchsvoll, erfordert keine Biosicherheitslabore, ist viel schneller und zudem kostengünstiger, berichten die Forschenden im dem Fachmagazin „Cellular and Molecular Immunology“. Zwar sei das neue Verfahren bislang nur für die Forschung verfügbar, doch könne es potenziell so angepasst werden, dass es künftig auch für Routineuntersuchungen verwendet werden kann.
Professor Förster erläutert hierzu: „Momentan ist der Test auf Basis eines ELISA Verfahrens aufgebaut, bei dem die Platten zwischen den verschiedenen Schritten gewaschen werden müssen. Die großen Roboter-Diagnostik-Straßen tun sich aber oft mit dem Waschen von Platten schwer. Ziel ist es also ein Verfahren zu entwickeln, das ohne Waschritte funktioniert. Die theoretischen Überlegungen sind angestellt wie das funktionieren kann, die ersten Schritte zur Umsetzung können jedoch erst nächstes Jahr getätigt werden”.
Rund zehn Prozent ohne Antikörper
Den Angaben der Forschenden zufolge, haben sowohl Untersuchungen mit den bisherigen Tests als auch mit dem neuen Test gezeigt, dass etwa zehn Prozent der SARS-CoV-2-Infizierten keine schützenden Antikörper im Blut aufweisen. Hiervon seien in erster Linie Infizierte betroffen, die nur geringe Symptome zeigten und nur für kurze Zeit krank waren. Vor allem Erkrankte mit stärkeren Symptomen und längerer Krankheitsdauer hätten hingen tendenziell viele Antikörper aufgewiesen.
„Bezüglich des zeitlichen Verlaufs der Abnahme von schützenden Antikörper haben wir bisher nur wenige Patienten verfolgt. Auch wir sehen, dass hohe Mengen von schützenden Antikörpern schnell verschwinden können”, ergänzt Professor Förster. Weitere Untersuchungen zu dem zeitlichen Verlauf der nachweisbaren Antikörper mit dem neuen Test werden hier in Zukunft hoffentlich Klarheit bringen. (fp)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Medizinische Hochschule Hannover (MHH): SARS-CoV-2: Genesen aber nicht geschützt (veröffentlicht 05.11.2020), idw-online.de
- Berislav Bošnjak, Saskia Catherina Stein, Stefanie Willenzon, Anne Katrin Cordes, Wolfram Puppe, Günter Bernhardt, Inga Ravens, Christiane Ritter, Christian R. Schultze-Florey, Nina Gödecke, Jörg Martens, Hannah Kleine-Weber, Markus Hoffmann, Anne Cossmann, Mustafa Yilmaz, Isabelle Pink, Marius M. Hoeper, Georg M. N. Behrens, Stefan Pöhlmann, Rainer Blasczyk, Thomas F. Schulz, Reinhold Förster: Low serum neutralizing anti-SARS-CoV-2 S antibody levels in mildly affected COVID-19 convalescent patients revealed by two different detection methods; in: Cellular & Molecular Immunology (veröffentlicht 02.11.2020), nature.com
Wichtiger Hinweis:
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