Warum wir uns an manches erinnern können und an anderes nicht
Warum erinnert man sich gut an manche Dinge und andere geraten schnell in Vergessenheit? Und welche Rolle spielt der Schlaf dabei? Mit diesen Fragen beschäftigte sich ein deutsches Forscherteam in einer aktuellen Schlafstudie. Die Forschenden untersuchten, wie das Gehirn zuvor Gelerntes im Schlaf verarbeitet und einspeichert.
Ein Team der Ruhr-Universität Bochum und der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn untersuchte, welche Aktivitätsmuster im Gehirn auftreten, wenn Menschen neue Dinge erlernen und welche Mechanismen im Schlaf dafür verantwortlich sind, ob diese Dinge behalten oder vergessen werden. Die Studienergebnisse sind kürzlich in dem Fachjournal „Nature Communications“ erschienen.
Auch Dinge, die wir nicht erinnern können, sind im Gehirn gespeichert
In ihren Untersuchungen dokumentierten die Forschenden die Hirnaktivität von Epilepsie-Patienten. Diese hatten aufgrund einer bevorstehenden Operation Elektroden ins Gehirn implantiert bekommen. So konnten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die genauen Aktivitätsmuster aufzeichnen, die sowohl beim Lernen als auch beim Schlafen ablaufen. Dabei zeigte sich, dass selbst Dinge, an die man sich nicht mehr erinnern kann, im Schlaf abgerufen werden können.
Ablauf der Studie
Die Teilnehmenden erhielten kleine Lernaufgaben vor dem Schlafengehen. Sie sollten sich vor dem Mittagsschlaf eine Reihe von Bildern einprägen. Die Schlafforscher zeichneten derweil ihre Hirnaktivitäten auf. So konnten sie feststellen, dass die Nervenzellen im Gehirn auf unterschiedliche Art und Weise auf jedes einzelne Bild reagierten. Diese messbaren hochfrequenten Aktivitätsschwankungen werden als Gamma-Oszillationen bezeichnet. Nach dem Schlaf wurde dann ermittelt, an welche Bilder sich die Teilnehmenden erinnern konnten und an welche nicht.
So wird zuvor Gelerntes im Schlaf abgerufen
Die jeweiligen Gamma-Oszillationen, die sich zuvor beim Betrachten der Motive gezeigt hatten, traten während der Schlafphase erneut auf, berichten die Forschenden. Dabei habe das Gehirn nicht nur die Bilder rekonstruiert, an die sich die Probandinnen und Probanden erinnern konnten, sondern auch solche, an die sie sich nicht erinnern konnten. „Die vergessenen Bilder verschwinden also nicht einfach aus dem Gehirn“, kommentiert Dr. Hui Zhang in einer Pressemitteilung zu den Studienergebnissen.
Wie entscheidet sich, ob wir etwas vergessen oder nicht?
Nach Angaben der Schlafforscher ist nicht nur die Reaktivierung der Gamma-Oszillationen für das Erinnern wichtig, sondern auch die Beteiligung der Hirnregion Hippocampus, in der das Gedächtnis liegt. Hier komme es zu extrem schnellen Aktivitätsschwankungen, die als Ripples bezeichnet werden. Wenn im Schlaf eine zeitlich gekoppelte Aktivierung der Gamma-Oszillationen mit dem Ripples stattfand, wurde das Bild später erinnert, so das Resultat des Forschungsteams. Dieses Phänomen galt allerdings nur für bestimmte Schlafphasen und nicht, während die Teilnehmenden wach waren.
Die Studienergebnisse im Detail
Das Team um Dr. Hui Zhang und Professor Dr. Nikolai Axmacher konnte noch detailliertere Informationen erkennen. Bei der Betrachtung der Bilder zeigten sich unterschiedliche Verarbeitungsphasen. So konnten die Forschenden eine oberflächliche und eine tiefe Verarbeitungsphase identifizieren. Die erste Phase dauerte etwa eine halbe Sekunde. Die tiefe Verarbeitung folgte im Anschluss daran. Wenn die oben erwähnten Ripples in der oberflächlichen Verarbeitungsphase aktiviert wurden, konnten sich die Teilnehmenden später nicht mehr an das Bild erinnern. Dagegen blieb das Bild im Gedächtnis, wenn die Aktivierung der Ripples in der tiefen Verarbeitungsphase erfolgte.
Schlaf ist wichtig für unsere Fähigkeit zu lernen
Bereits vor einem Jahr stellten Schlafforscher der Universität Zürich fest, dass der Tiefschlaf sehr wichtig für die Lernfähigkeit des Gehirns ist. Die Wissenschaftler konnten den ersten kausalen Zusammenhang erbringen, dass Tiefschlaf essenziell mit der menschlichen Lernfähigkeit gekoppelt ist. Aus diesen Untersuchungen ging hervor, dass die Verbindungen zwischen den Nervenzellen (Synapsen) während der Wachphase in einem aktiven Zustand sind, wenn Eindrücke aus der Umwelt gewonnen werden. Erst im Schlaf normalisiert sich dieser Zustand wieder. Ohne eine Erholungsphase würden die Synapsen in einem aktivierten Zustand verbleiben und so jede Lernfähigkeit blockieren. (vb)
Autoren- und Quelleninformationen
Wichtiger Hinweis:
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