Das Gehirn ist nicht der einzige Ort, an dem ein Schlaganfall auftreten kann: Plötzlicher, schmerzloser Verlust des Sehvermögens, brennende Rückenschmerzen, schmerzende Beine und Inkontinenz können Anzeichen eines Schlaganfalls in bestimmten Körperteilen sein.
Schlaganfälle können nicht nur im Gehirn, sondern auch in anderen Körperteilen auftreten, erklärt Dr. Matthew Schrag, Assistenzprofessor für Neurologie und Gefäßneurologe am Vanderbilt University Medical Center in Nashville, Tennessee, in einem aktuellen Beitrag der American Heart Association (AHA).
Schwerer zu erkennen
Ein plötzlicher, vollständiger Verlust der Sehkraft auf einem Auge kann auf einen Schlaganfall im Auge hinweisen.
Rückenschmerzen, schmerzende Beine und Inkontinenz sowie Lähmungen, Schwäche und Verlust des Schmerz- oder Temperaturgefühls deuten auf einen Schlaganfall in der Wirbelsäule (Rückenmarksinfarkt) hin.
Obwohl selten, seien diese Schlaganfälle, genau wie solche im Gehirn, schwerwiegend und erfordern sofortige ärztliche Hilfe, sagt Schrag. „Sie stellen besondere Herausforderungen dar und können schwerer zu erkennen sein, sind aber theoretisch behandelbar“, erklärt der Experte.
Behinderung der Blutversorgung
Die American Heart Association und die American Stroke Association definieren einen Schlaganfall als eine Behinderung der Blutversorgung des Gehirns, des Rückenmarks oder der Netzhaut, die zum Zelltod führt.
Wenn Schlaganfälle im Gehirn auftreten, können die Symptome Taubheitsgefühl im Gesicht, Schwäche in Armen oder Beinen, insbesondere auf einer Körperseite, Schwierigkeiten beim Sprechen oder Verstehen von Sprache, Sehstörungen, mangelnde Koordination oder plötzliche, starke Kopfschmerzen sein.
Die Blutversorgung kann aber fast überall im Körper behindert sein, sagt Dr. Lucia Sobrin, Professorin für Augenheilkunde an der Harvard Medical School in Boston.
Drohender Sehverlust
Ein Schlaganfall im Auge tritt typischerweise auf, wenn sich Plaque, die sich in einer Halsschlagader, den Hauptarterien auf beiden Seiten des Halses, die Blut zum Gehirn und zu den Augen transportieren, angesammelt hat, löst und zur Netzhaut wandert.
Dieselbe Plaque könnte auch ins Gehirn wandern und einen ischämischen Schlaganfall verursachen. „Es könnte in beide Richtungen gehen“, erläutert Sobrin.
In der Regel kommt es dann zu einem vollständigen Verlust der Sehkraft auf einem Auge, aber in manchen Fällen kann es auch sein, dass eine Person nur einen Teil der Sehkraft verliert, sagt die Medizinerin. „Möglicherweise sind sie noch in der Lage, Licht oder Bewegung wahrzunehmen.“
Ein Augeninfarkt sei nicht tödlich, sagt Schrag. Der Sehverlust kann jedoch dauerhaft sein, wenn er nicht innerhalb der ersten Stunden behandelt wird. „Wenn Sie plötzlich Ihr Sehvermögen verlieren und es schmerzlos ist, denken Sie an ‚Schlaganfall‘ und gehen Sie in die Notaufnahme“, mahnt der Fachmann. „Es ist ziemlich dringend.“
Sofortige Behandlung
Sobrin und Schrag waren Co-Autorinnen und -Autoren einer wissenschaftlichen Stellungnahme der AHA aus dem Jahr 2021, in der sie sich für ein sofortiges Screening und eine sofortige Behandlung eines Augeninfarkts mit Alteplase einsetzten, einem Medikament zur Auflösung von Blutgerinnseln, die Schlaganfälle im Gehirn verursachen.
Studien zeigen, dass Menschen mit Augeninfarkt, die innerhalb von viereinhalb Stunden nach dem Sehverlust mit Alteplase behandelt werden, eine Genesungsrate von bis zu 50 Prozent haben können.
Schrag weist zudem darauf hin, dass ein Augeninfarkt „ein Zeichen einer schwerwiegenden Grunderkrankung ist“. Die AHA-Erklärung fordert eine sofortige Untersuchung auf andere kardiovaskuläre Risikofaktoren, die einer Behandlung bedürfen, wie etwa Bluthochdruck, hoher Cholesterinspiegel, Diabetes, Schlafapnoe und Fettleibigkeit.
„Ein Augeninfarkt ist ein starker Prädiktor für zukünftige Herzinfarkte, Schlaganfälle oder Todesfälle“, so der Mediziner. „Auch wenn dieser Schlaganfall vielleicht nicht tödlich ist, könnten die zugrunde liegenden Probleme es doch sein – und sie erfordern dringende Aufmerksamkeit.“
Behandlung hängt von den individuellen Symptomen ab
Über die Therapie von Schlaganfällen in der Wirbelsäule, einer seltenen, aber gefährlichen Erkrankung, sei weniger bekannt, sagt Schrag.
Diese können durch ein Blutgerinnsel in den zur Wirbelsäule führenden Arterien entstehen. Die Behandlung hängt von den individuellen Symptomen ab und kann unter anderem blutverdünnende Medikamente umfassen.
Auch bei medizinischen Eingriffen kann es zu Schlaganfällen an der Wirbelsäule kommen, wenn der Blutdruck dramatisch sinkt oder das Herz stoppt und nicht genügend Blut fließt, erklärt Schrag. „Dann besteht die Lösung darin, den Blutdruck wieder anzuheben, bevor bleibende Schäden auftreten können.“
Maßnahmen zur Vorbeugung
Im Allgemeinen werden zur Vorbeugung von Schlaganfällen im Auge oder der Wirbelsäule die gleichen Maßnahmen wie zur Vorbeugung von Schlaganfällen im Gehirn empfohlen.
Dazu gehören eine gesunde Ernährung, körperlich aktiv bleiben, ein gesundes Gewicht halten, nicht rauchen, Blutdruck, Blutzucker und Cholesterin im Zielbereich halten, jede Nacht sieben bis neun Stunden schlafen und die verordneten Medikamente einnehmen. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- American Heart Association: The brain isn't the only place a stroke can occur, (Abruf: 21.05.2023), heart.org
- Ralph L. Sacco, Scott E. Kasner, Joseph P. Broderick, Louis R. Caplan, J.J. (Buddy) Connors, Antonio Culebras, Mitchell S.V. Elkind, Mary G. George, Allen D. Hamdan, Randall T. Higashida, Brian L. Hoh, L. Scott Janis, Carlos S. Kase, Dawn O. Kleindorfer, Jin-Moo Lee, Michael E. Moseley, Eric D. Peterson, Tanya N. Turan, Amy L. Valderrama & Harry V. Vinters: An Updated Definition of Stroke for the 21st Century; in: Stroke, (veröffentlicht: 07.05.2013), Stroke
- Brian Mac Grory, Matthew Schrag, Valérie Biousse, Karen L. Furie, Marie Gerhard-Herman, Patrick J. Lavin, Lucia Sobrin, Stavropoula I. Tjoumakaris, Cornelia M. Weyand, Shadi Yaghi and on behalf of the American Heart Association Stroke Council; Council on Arteriosclerosis, Thrombosis and Vascular Biology; Council on Hypertension; and Council on Peripheral Vascular Disease: Management of Central Retinal Artery Occlusion: A Scientific Statement From the American Heart Association; in: Stroke, (veröffentlicht: 08.03.2021), Stroke
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.