Wichtige Rehabilitation nach Schlaganfall: Entspannung oder Laufband?
Jedes Jahr ereignen sich in Deutschland rund 270.000 Schlaganfälle. Betroffene Patienten müssen sofort zur Akutbehandlung ins Krankenhaus. Anschließend geht es in den meisten Fällen zur Rehabilitation. Doch welche Form der Reha hat bessere Erfolgsaussichten? Mit dieser Frage haben sich nun deutsche Forschende beschäftigt.
Weltweit erleiden jährlich zehn Millionen Menschen einen Schlaganfall. In Deutschland sind jedes Jahr mehr als eine Viertelmillion Menschen von einem sogenannten Hirninfarkt betroffen. Zwar führen Fortschritte in der Schlaganfall-Therapie zu einem immer besseren Überleben. Allerdings steigt dadurch auch die Zahl der Patientinnen und Patienten, die nach einem Schlaganfall mit bleibenden Behinderungen leben müssen. Mindestens ein Drittel der Betroffenen erholt sich funktionell nicht wieder vollständig. Der Rehabilitation kommt somit eine wachsende Bedeutung zu. Es stehen aber keine Medikamente zur effektiven Unterstützung der Reha zur Verfügung.
Nach einem Schlaganfall ist „weniger vielleicht mehr“
Wie die Universitätsmedizin Greifswald (UMG) in einer Mitteilung erklärt, ist die Datenlage zu erfolgversprechenden Trainingsmethoden derzeit widersprüchlich. Das von den amerikanischen Fachgesellschaften empfohlene Ausdauertraining zeigte sich in der aktuellen Studie „PHYS-STROKE“ unter Leitung der Direktorin der Neurologischen Klinik an der UMG, Professorin Dr. Agnes Flöel, gegenüber einer Entspannungstherapie als nicht überlegen. Die neuen Daten deuten vielmehr darauf hin, dass in der Frühphase nach einem Schlaganfall „weniger vielleicht mehr“ ist. Die Studienergebnisse wurden im „British Medical Journal“ veröffentlicht.
Intensive Physio- und Ergotherapie
Beim Schlaganfall „kommt es zu einer Mangeldurchblutung der dahinterliegenden Hirnareale und somit zu einer Minderversorgung mit Sauerstoff und Nährstoffen. Je nach der betroffenen Hirnregion entstehen dadurch Störungen oder Ausfälle verschiedener Körperfunktionen und häufig bleibende Behinderungen“, erläutert die Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe auf ihrer Webseite.
Fachleuten zufolge zählen Aufmerksamkeits- und Konzentrationsdefizite, oft einhergehend mit Gedächtnislücken und Planungsstörungen, zu den häufigsten neuropsychologischen Funktionsstörungen nach Schlaganfall. Zudem kommt es oft zu Sprach- oder Sehstörungen. Gesundheitsexperten raten Betroffenen, sich unbedingt professionelle Hilfe zu holen. Außerhalb von neurologischen Rehabilitationskliniken seien niedergelassene Neuropsychologen hier die erste Adresse.
Die Reha-Behandlung besteht laut der UMG hauptsächlich aus einer intensiven Physio- und Ergotherapie und im Falle von Sprachstörungen in der Logopädie sowie in neuropsychologischen Maßnahmen. Ein gezieltes Laufband-Training kann die Geschwindigkeit sowie Ausdauer beim Gehen und Treppensteigen verbessern. Die Datenlage zu den Ergebnissen einer solchen Schlaganfall-Reha ist jedoch widersprüchlich.
„Generell lassen sich die Studien wegen der Unterschiede im Hinblick auf Art, Intensität und Zeitpunkt des Trainingsbeginns schwer vergleichen“, sagte Prof. Dr. Agnes Flöel. „Insbesondere für Patienten in der Frühphase nach einem Schlaganfall bestehen nach wie vor Unsicherheiten, welches Training optimal ist.“
Laufband-Training ist dem Entspannungstraining nicht überlegen
Im Rahmen der deutschen Studie „PHYS-STROKE“ („Physical Fitness Training in Patients with Subacute Stroke“) wurden von 2013 bis 2017 in sieben stationären Rehabilitationskliniken die Effekte eines aeroben Laufband-Trainings mit Beginn in der Frühphase nach einem Schlaganfall untersucht.
An der Studie nahmen 200 erwachsene Schlaganfallpatienten mit einem Durchschnittsalter von 69 Jahren teil. Die Studiengruppe mit 105 Probanden absolvierte zusätzlich zu den Standard-Reha-Maßnahmen ein aerobes Laufband-Training, die Kontrollgruppe mit 95 Probanden nahm neben den Standard-Reha-Maßnahmen an Entspannungseinheiten teil. Jede Gruppe absolvierte das jeweilige Training fünfmal pro Woche, jeweils 25 Minuten, über insgesamt vier Wochen.
„Zusammenfassend war das frühe vierwöchige Laufband-Training hinsichtlich des maximalen Gehtempos und der Alltags-Fitness nach drei Monaten dem Entspannungstraining nicht überlegen“, erklärte Prof. Martin Ebinger von der Medical Park Berlin Humboldtmühle, der an der Planung und Durchführung der Studie beteiligt war.
„Die vorliegenden Daten sprechen also dafür, bei mittel bis schwer betroffenen Patienten in der subakuten Phase nach Schlaganfall aerobes Training nicht zu forcieren. Möglicherweise könnten aber leichter betroffene Patienten schon früher profitieren. Dieser Frage muss in künftigen Studien nachgegangen werden, damit konkrete Empfehlungen für diese Gruppe gegeben werden können.“ (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Universitätsmedizin Greifswald (UMG): Neue Erkenntnisse zur Schlaganfall-Rehabilitation: Entspannung besser als Laufbandtraining?, (Abruf: 21.09.2019), Universitätsmedizin Greifswald (UMG)
- British Medical Journal: Physical Fitness Training in Patients with Subacute Stroke (PHYS-STROKE): multicentre, randomised controlled, endpoint blinded trial, (Abruf: 21.09.2019), British Medical Journal
- Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe: Was ist ein Schlaganfall?, (Abruf: 21.09.2019), Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.