Schlaganfall: Cholesterin senken zur Sekundärprävention
Der Schlaganfall ist eine gefährliche Herz-Kreislauf-Erkrankung und eine der häufigsten Todesursachen in Deutschland. Rund 270.000 Menschen erleiden hierzulande jedes Jahr einen Hirninfarkt. Viele von ihnen müssen in den Jahren danach mit einem erneuten Schlaganfall rechnen. Eine intensive LDL-Cholesterin-Senkung kann viele Betroffene davor bewahren, wie eine Studie nun zeigt. Aber es wurden auch negative Folgen beobachtet.
Fast ein Fünftel derjenigen, die einen Schlaganfall erleiden, müssen innerhalb der nächsten fünf Jahre mit einem Folgeschlaganfall rechnen. Eine neue, in der Fachzeitschrift „JAMA Neurology“ veröffentlichte Metaanalyse mit insgesamt über 20.000 Patientinnen und Patienten bestätigte, dass eine intensive Senkung des LDL-Cholesterins vor Rezidiv-Schlaganfällen schützt, insbesondere, wenn die Betroffenen Gefäßverkalkungen aufweisen. Die Studie zeigte aber auch, dass es unter dieser Therapie zu etwas mehr Hirnblutungen kam.
In vielen Fällen droht ein erneuter Schlaganfall
Wie die Deutsche Gesellschaft für Neurologie e.V. (DGN) in einer aktuellen Mitteilung schreibt, gehören Schlaganfälle in Deutschland mit jährlich 270.000 Fällen zu den häufigsten Erkrankungen und sind mit einer hohen Sterblichkeit und Rate an Folgebehinderungen verbunden.
Sie können unterschiedliche Ursachen haben, bei etwa vier von fünf Schlaganfällen handelt es sich um sogenannte ischämische Schlaganfälle, bei denen ein Hirnareal nicht mehr (oder nicht mehr ausreichend) durchblutet wird.
Grund dafür ist häufig die hochgradige Verengung oder der Verschluss einer Hirnarterie in Folge von Gefäßverkalkung (Arteriosklerose beziehungsweise Arterienverkalkung) oder eines Blutgerinnsels.
Zu den Risikofaktoren, die im Laufe des Lebens zur Arteriosklerose, also zur Bildung von Plaques (Ablagerungen in den Gefäßen) führen, gehören Bluthochdruck, Rauchen, Diabetes mellitus, Übergewicht und die Erhöhung des LDL-Cholesterins.
Die beste Prävention arteriosklerotischer Veränderungen ist somit die Behandlung oder Vermeidung solcher Risikofaktoren. Gerade das Cholesterin senken spielt dabei eine wichtige Rolle: Eine ältere Statinstudie zeigte, dass eine LDL-Cholesterinabsenkung von 1 mmol/l (39 mg/dl) die kardiovaskuläre Ereignisrate (Schlaganfall, Herzinfarkt) um etwa 20 Prozent senken kann.
Offen ist jedoch, ob für die Verhinderung eines Folgeschlaganfalls (Rezidiv) eine intensivere Statin-basierte LDL-Senkung ein besseres Risiko-Nutzen-Verhältnis aufweist als eine weniger intensive Therapie.
Klinische Studien der letzten 50 Jahre evaluiert
Dieser Frage ging die neue Metaanalyse nach, in der elf randomisierte klinische Studien der letzten 50 Jahre evaluiert wurden, um die intensive gegenüber einer weniger intensiven Statin-basierten LDL-C-Senkung zu vergleichen.
Das primäre Outcome waren Schlaganfallrezidive, sekundäre Outcome-Parameter beinhalteten schwere sonstige kardiovaskuläre Ereignisse sowie Hirnblutungen (hämorrhagische Schlaganfälle). Die finale Analyse schloss insgesamt 20.163 Teilnehmende ein (67 Prozent Männer, mittleres Alter 64,9±3,7 Jahre), die mittlere Follow-up-Dauer lag bei vier Jahren.
Die mittleren LDL-C-Zielspiegel betrugen 79 mg/dl in der Gruppe der intensiveren LDL-Senkung und 119 mg/dl bei den Patientinnen und Patienten, bei denen eine weniger intensive LDL-Senkung erfolgte.
Laut der DGN zeigten die gepoolten Ergebnisse, dass eine intensivere LDL-C-Senkung mit einem um 12 Prozent verringerten Risiko (RR 0,88) für Schlaganfallrezidive assoziiert war (absolutes Risiko 8,1 versus 9,3 Prozent). Die Reduktion kardiovaskulärer Ereignisse betrug 17 Prozent, die der kardiovaskulären Sterblichkeit acht Prozent.
Vor allem Menschen mit Nachweis einer Arteriosklerose profitierten signifikant (Reduktion des Rezidivrisikos um 21 Prozent; RR 0,79) von der intensiveren Behandlung, bei Betroffenen ohne Arteriosklerose war der Effekt hingegen nicht signifikant (RR 0,95; p=0,04).
Risikozunahme für Hirnblutungen
Im Gegenzug ging die intensivere LDL-C-Senkung mit einer Risikozunahme für Hirnblutungen um 46 Prozent einher und mit einem um 26 Prozent höheren Risiko für einen Diabetes mellitus (RR 1,26; Daten aus 3/11 Studien).
Der Nutzen der Statine war jedoch deutlich höher als das Blutungsrisiko. So wurden durch eine intensive Statinbehandlung 131 ischämische Insulte verhindert – zu Lasten von 40 intrazerebralen Blutungen.
Das leicht erhöhte Blutungsrisiko scheint aber nicht Resultat einer erfolgreichen LDL-C-Senkung zu sein, sondern ist wohl eher mit den leicht gerinnungshemmenden Eigenschaften der Statine assoziiert. Darauf weist eine in dem Fachjournal „Circulation“ veröffentlichte Arbeit hin.
In einer in dem Fachblatt „Stroke“ publizierten Studie, die in die Metaanalyse eingegangen war, wurden durch Hinzunahme eines PSCK-Hemmer niedrige Lipidwerte erreicht, ohne dass das Risiko für Hirnblutungen angestiegen war.
Niedriger Zielwert für das LDL-Cholesterin
„Diese Metaanalyse unterstützt einen niedrigen Zielwert für das LDL-Cholesterin für die Rezidivprophylaxe nach einem ersten Schlaganfall, wenn eine Arteriosklerose nachweisbar ist“, erläutert Prof. Hans Christoph Diener, Pressesprecher der DGN.
„Gleichzeitig scheint die intensivierte Statintherapie aber mit einem gering höheren Risiko für Hirnblutungen einherzugehen. Vermutlich ist es sinnvoll, die Statindosis nicht gänzlich auszureizen, sondern stattdessen zur Lipidsenkung eine Kombination aus Statin und Ezetimib einzusetzen, um die gewünschte LDL-Cholesterinsenkung ohne erhöhtes Blutungsrisiko zu erreichen.“
Die europäischen Leitlinien zum Lipidmanagement empfehlen generell eine Stufentherapie, wobei zunächst alle modifizierbaren Faktoren des Lebensstils optimiert werden sollten. Im zweiten Schritt wird dann die medikamentöse Behandlung mit Statinen empfohlen.
Reicht die maximal mögliche Statindosis nicht aus, um das LDL-C in den Zielbereich zu senken, sollte zusätzlich Ezetimib gegeben werden, um die Cholesterinaufnahme im Darm zu hemmen. Kann auch damit das LDL-Cholesterin nicht in den Zielbereich abgesenkt werden, kommen laut der GDN sogenannte PCSK9-Hemmer zum Einsatz.
„Zur Rezidivprophylaxe nach Schlaganfall sollte man angesichts der aktuellen Daten die Hinzunahme anderer Substanzen zu den Statinen bereits früher erwägen“, meint der Experte. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Deutsche Gesellschaft für Neurologie e.V. (DGN): LDL-Cholesterin-Senkung zur Sekundärprävention von Schlaganfällen, (Abruf: 14.05.2022), Deutsche Gesellschaft für Neurologie e.V. (DGN)
- Meng Lee, Chun-Yu Cheng, Yi-Ling Wu et al.: Association Between Intensity of Low-Density Lipoprotein Cholesterol Reduction With Statin-Based Therapies and Secondary Stroke Prevention: A Meta-analysis of Randomized Clinical Trials; in: JAMA Neurology, (veröffentlicht: 01.04.2022), JAMA Neurology
- Francesco Violi, Camilla Calvieri, Domenico Ferro & Pasquale Pignatelli: Statins as Antithrombotic Drugs; in: Circulation, (veröffentlicht: 15.01.2013), Circulation
- Giugliano RP, Pedersen TR, Saver JL, Sever PS, Keech AC, Bohula EA, Murphy SA, Wasserman SM, Honarpour N, Wang H, Lira Pineda A, Sabatine MS; FOURIER Investigators: Stroke Prevention With the PCSK9 (Proprotein Convertase Subtilisin-Kexin Type 9) Inhibitor Evolocumab Added to Statin in High-Risk Patients With Stable Atherosclerosis; in: Stroke, (veröffentlicht: 21.04.2021), Stroke
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.