Das Wetter als neuen Risikofaktor für Schlaganfälle entdeckt
Ein Forschungsteam hat festgestellt, dass das Risiko für bestimmte Typen von Schlaganfällen bei trockenen und warmen Luftmassen ansteigt. Ziel der wissenschaftlichen Untersuchung war es, dazu beizutragen, dass sowohl Patientinnen und Patienten als auch medizinische Versorgungseinrichtungen rechtzeitig geeignete vorbeugende und behandelnde Maßnahmen treffen können.
Jedes Jahr erleiden in Deutschland rund 270.000 Menschen einen Schlaganfall. Treffen kann es grundsätzlich jeden – vom Säugling bis zum Greis. Bekannt ist aber, dass das Schlaganfallrisiko mit zunehmendem Alter steigt. Weitere wichtige Risikofaktoren für einen Schlaganfall sind unter anderem Bluthochdruck, Herzerkrankungen, Diabetes, Rauchen, Übergewicht und übermäßiger Alkoholkonsum. Forschende haben nun einen weiteren Faktor entdeckt, der das Schlaganfallrisiko erhöht: trockene warme Luft.
Risiko steigt bei trockenen und warmen Luftmassen an
Laut einer gemeinsamen Pressemitteilung der Universität Augsburg und des Universitsklinikums Augsburg (UKA), zeigt ihre Studie anhand von knapp 18.000 Fällen, die über zehn Jahre hinweg erhoben wurden, dass das Risiko für bestimmte Typen von Schlaganfällen bei trockenen und warmen Luftmassen ansteigt. Den Angaben zufolge wurden erstmals so komplexe Wirkungszusammenhänge mit so vielen Fällen und Subtypen untersucht.
Bestimmte Schlaganfälle häuften sich im Jahresverlauf
Zunächst war es nur ein Gefühl der Neurologen am Universitätsklinikum Augsburg, nämlich „dass sich bestimmte Schlaganfälle im Jahresverlauf an manchen Tagen häuften “, erklärt Privatdozent Dr. Michael Ertl, einer der beiden Erstautoren der Studie, die im Fachmagazin „Cerebrovasc Diseases“ veröffentlicht wurde.
„Diese Häufungsphänomene sind vielen Schlaganfallneurologen bekannt, so dass wir die Vermutung hatten, dass das auch mit Wettereinflüssen zu tun haben könnte.“ Und tatsächlich kommt die Studie nach zehn Jahren und 17.989 untersuchten Fällen – die meisten von ihnen Neuerkrankte, aber auch Patienten mit wiederholten Schlaganfällen – zu konkreten Ergebnissen beim Zusammenhang zwischen bestimmten Wetterlagen und Schlaganfällen in der Region Augsburg.
So steigt zum Beispiel das Risiko für einige Schlaganfall-Subtypen bei trocken-warmen Luftmassen, wohingegen trocken-kalte Luftmassen mit einem signifikant geringeren Auftreten von Hirnblutungen verbunden waren.
Hirninfarkttypen, die über 80 Prozent aller Schlaganfälle ausmachen
Die Suche nach den Wirkungszusammenhängen stellte sich als äußerst komplex heraus. „Das Zusammenspiel aus unterschiedlichen meteorologischen Faktoren – wie Lufttemperatur, Luftdruck und Luftfeuchtigkeit – sowie kurzfristigen Temperaturänderungen ist sehr komplex“, erläutert Privatdozent Dr. Christoph Beck vom Lehrstuhl für Physische Geographie mit Schwerpunkt Klimaforschung an der Universität Augsburg, neben Ertl ebenfalls Erstautor der Studie.
Wenn man die Temperaturentwicklung im Zeitraum weniger Tage vor dem Schlaganfallereignis betrachtet, so findet man auch hier differenzierte Einflüsse auf die Schlaganfall- oder Blutungshäufigkeit, die pathophysiologisch allerdings noch nicht vollends geklärt sind. Das interdisziplinäre Forschungsteam konnte weiterhin zeigen, dass sich Wetterveränderungen auf die beiden Schlaganfall-Subtypen Hirninfarkt und Hirnblutung unterschiedlich auswirken.
So bringen trockene, warme Luftmassen ein erhöhtes Risiko für bestimmte Hirninfarkttypen mit sich, die mehr als 80 Prozent aller Schlaganfälle ausmachen, ein geringeres Risiko allerdings für Hirnblutungen. Umgekehrt ist es bei trockenen, kühlen Luftmassen: Sie befördern Hirnblutungen, ziehen jedoch ein selteneres Auftreten von Hirninfarkten nach sich. Bei feuchten Luftmassen konnte ebenfalls ein verringertes Auftreten von Hirninfarkten nachgewiesen werden.
Noch nie so komplexe Wirkungszusammenhänge untersucht
Ertl betont„dass wir nicht die ersten sind, die Klima und Schlaganfallhäufigkeit im Zusammenhang sehen“. Seinen Angaben zufolge untersuchten die meisten Studien aber nur wenige meteorologische Parameter wie Luftdruck und Temperatur sowie den Schlaganfall ohne nähere Definition zu einem bestimmten Zeitpunkt.
Das Forschungsteam des UKA und des geographischen Instituts der Universität geht hier viel weiter. „Über die Berücksichtigung der lokalen meteorologischen Bedingungen hinaus beziehen die eingesetzten Luftmassenklassifikationen auch die großräumigen synoptischen Verhältnisse wie die Bodenluftdruckverteilung über Europa in die Zuordnung zu spezifischen Wetterlagen mit ein“, erläutert Beck.
„Zudem haben wir den sogenannten ischämischen Schlaganfall, bei dem es zu einem Gefäßverschluss der hirnversorgenden Arterien kommt und der rund 85 Prozent aller Schlaganfälle ausmacht, in fünf weitere Subtypen unterteilt“, so Ertl.
Außerdem wurde in der Studie die Luftmassen-Situation zwei bis fünf Tage vor dem Schlaganfall berücksichtigt. Klassische Risikofaktoren aller untersuchten Patientinnen und Patienten wie Bluthochdruck, Übergewicht, Diabetes, Cholesterin und Lebensgewohnheiten wurden dem Arztbrief entnommen und ebenfalls vermerkt.
Weitere Forschung notwendig
„Mithilfe unserer Studie möchten wir dazu beitragen, dass sowohl Betroffene als auch medizinische Versorgungseinrichtungen rechtzeitig geeignete vorbeugende und behandelnde Maßnahmen treffen können. Dafür ist jedoch in Zukunft noch eine intensive weitere Forschung notwendig. Ziel ist es, die retrospektiv ausgewerteten Daten nun durch weitere prospektive Untersuchungen zu bestätigen und zu konkretisieren“, erklärt Prof. Dr. Markus Naumann, Direktor der Klinik für Neurologie und Klinische Neurophysiologie am Universitätsklinikum Augsburg. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Pressemitteilung der Universität Augsburg und des Universitsklinikums Augsburg: Trockene warme Luft erhöht das Schlaganfallrisiko, (Abruf: 13.11.2019), Universitsklinikum Augsburg
- Cerebrovasc Diseases: New Insights into Weather and Stroke: Influences of Specific Air Masses and Temperature Changes on Stroke Incidence, (Abruf: 13.11.2019), Cerebrovasc Diseases
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.