Vorhofflimmern: Schlaganfall durch unerkannte Herzrhythmusstörung
Vorhofflimmern ist eine häufige Ursache für einen Schlaganfall. Doch oft bleibt diese Herzrhythmusstörung unerkannt. Forschende haben nun Marker für Vorhofflimmern identifiziert und darauf aufbauend ein Risikoscore entwickelt. Dadurch soll die Arrhythmie frühzeitig erkannt und medikamentös gegengesteuert werden.
Vorhofflimmern erhöht das Risiko, einen Schlaganfall zu erleiden. Laut der Deutschen Herzstiftung ist diese Herzrhythmusstörung hierzulande jährlich für mindestens 20 Prozent aller Schlaganfälle verantwortlich. Die Arrhythmie bleibt jedoch oft unerkannt. Ein Forschungsteam aus Österreich hat jetzt Marker für Vorhofflimmern identifiziert und darauf aufbauend ein Risikoscore entwickelt. Ihre Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift „European Journal of Neurology” veröffentlicht.
Ursache jedes vierten Schlaganfalls zunächst unklar
Der Schlaganfall ist in Österreich die häufigste Ursache für bleibende Behinderung im Erwachsenenalter, heißt es in einer Mitteilung der Medizinischen Universität (MedUni) Graz.
Etwa 85 Prozent aller Schlaganfälle sind Folge einer Unterbrechung der Blutversorgung von Hirnarealen (= ischämisch). Typisch ist das schlagartige Auftreten von Seh-, Sprach- beziehungsweise Gefühlsstörungen oder Lähmungserscheinungen.
Wie Markus Kneihsl von der Universitätsklinik für Neurologie der Med Uni Graz erklärt, gilt es bei diesen Symptomen, sofort die Notfallrettung zu alarmieren, weil durch den Einsatz moderner Akuttherapien bei vielen Patientinnen und Patienten die Blutversorgung wiederhergestellt und Folgeschäden reduziert werden können.
Neben der Akutbehandlung ist der Nachweis der konkreten Schlaganfallursache für die Therapie und Vermeidung eines weiteren Schlaganfalls entscheidend. Trotz moderner Diagnostik bleibt aber die Ursache jedes vierten Schlaganfalls zunächst unklar, wobei insbesondere die Erfassung von herzbedingten Schlaganfallquellen herausfordernd sein kann.
Um die Schlaganfallabklärung zu optimieren, wurde daher ein Studienprojekt von Forscherinnen und Forschern der Med Uni Graz ins Leben gerufen und federführend von Markus Kneihsl als Dissertationsprojekt umgesetzt.
Viele Betroffene weisen keine Beschwerden auf
Laut den Fachleuten ist die häufigste Ursache von herzbedingten Schlaganfällen die Herzrhythmusstörung Vorhofflimmern, die (sofern nicht erkannt und passend behandelt) mit einem stark erhöhten Risiko für die Bildung von Blutgerinnseln im Herz einhergeht.
Diese können mit dem Blutstrom in die hirnzuführenden Gefäße gelangen und dort die Blutversorgung des Gehirns unterbrechen. Neben einem unregelmäßigen Pulsschlag sind Herzrasen und Herzstolpern typische Symptome des Vorhofflimmerns.
Tückisch ist aber, dass viele Patientinnen und Patienten „keine Beschwerden aufweisen und Vorhofflimmern häufig nur in kurzen Episoden auftritt, die nachfolgend für Tage bis Wochen einem normalen Herzschlag weichen können“, erläutert Markus Kneihsl.
Das kann dazu führen, dass im Rahmen der stationären Schlaganfallabklärung durchwegs unauffällige Herzrhythmen erfasst werden, obwohl Betroffene an Vorhofflimmern leiden.
Besondere Bedeutung erlangt das dadurch, da diese Rhythmusstörung mit schweren und wiederkehrenden Schlaganfällen in Verbindung gebracht wird, die richtige medikamentöse Vorsorge (= Blutverdünnung) dieses Risiko aber drastisch reduzieren kann.
Risikoscore entwickelt
In den von den Forschenden durchgeführten Studien wurden aus klinischen Informationen, Charakteristika der Gehirnbildgebung, Herzultraschall, EKG und Blutuntersuchungen Marker für Vorhofflimmern identifiziert und darauf aufbauend ein Risikoscore entwickelt, der ein zugrunde liegendes Vorhofflimmern bei Patientinnen und Patienten mit initial unklarer Schlaganfallursache vorhersagt.
Kneihsl zufolge untermauern die Studienergebnisse die Wertigkeit des entworfenen Risikoscores für die Abklärung von Schlaganfallpatientinnen und -patienten.
So weisen diejenigen mit hohen Risikoscores eine hohe Wahrscheinlichkeit für die nachfolgende Detektion von Vorhofflimmern auf. Bei diesen Patientinnen und Patienten ist somit eine intensivierte, zunehmend kontinuierliche Herzrhythmusüberwachung angezeigt.
Idealerweise erfolgt dies durch einen kleinen implantierbaren Monitor, der das Herz rund um die Uhr überwacht und auch kurze Vorhofflimmerepisoden zuverlässig detektieren kann. Ziel ist es, Patientinnen und Patienten „mit Vorhofflimmern frühzeitig zu erkennen und durch Anpassung der medikamentösen Therapie einen neuerlichen Schlaganfall zu verhindern“, sagt Markus Kneihsl.
Den Angaben zufolge wird der Risikoscore, der sich in der klinischen Praxis bereits als äußerst effektiv erwiesen hat, seit Kurzem bei allen Schlaganfällen unklarer Ursache, die an der Universitätsklinik für Neurologie des LKH-Universitätsklinikums behandelt werden, angewendet. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Medizinische Universität Graz: Schlaganfall durch verstecktes Vorhofflimmern, (Abruf: 28.03.2022), Medizinische Universität Graz
- Markus Kneihsl, et al.: Predicting atrial fibrillation after cryptogenic stroke via a clinical risk score-a prospective observational study; in: European Journal of Neurology, (veröffentlicht: 23.09.2021), European Journal of Neurology
- Deutsche Herzstiftung: Vorhofflimmern kann Schlaganfall auslösen, (Abruf: 28.03.2022), Deutsche Herzstiftung
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.