Schleudertrauma-Verletzungen mit neuem Ansatz nachweisbar
Ein Schleudertrauma gilt als typische Folge bei Auffahrunfällen, wobei ein konkreter diagnostischer Nachweis bislang schwierig war und vor allem die Angaben der Betroffenen als Anhaltspunkt herhalten mussten. Dies öffnete jedoch weiten Raum für Diskussionen über mögliche Falschangaben, bei denen vor allem die Aussicht auf Schadensersatz Ursache der Symptome ist, und zugleich haben viele tatsächlich Betroffenen keine zielgerichtet Therapie erhalten.
Ein internationales Forschungsteam unter Leitung von Forschenden der Harvard Medical School hat jetzt jedoch eine neue Methode entwickelt, die mittels Positronen-Emissions-Tomographie und Computertomographie (PET-CT) die Schleudertrauma-Verletzungen sichtbar macht. Bislang war eine spezifische Diagnose der betroffenen Körperregionen schwer möglich, da die Verletzungen auf Standard-Scans nicht sichtbar sind, erläutern die Forschenden. Mit einem neuen Ansatz zum Scannen konnten sie diese Problem nun jedoch beheben.
Bisher fehlen verlässliche Diagnosemethoden
„Weltweit werden jedes Jahr Hunderttausende von Schleudertrauma-Verletzungen aufgrund von Autounfällen gemeldet, die erhebliche gesellschaftliche und finanzielle Kosten verursachen“, erläutert das Forschungsteam. Allerdings fehlten bisher verlässliche Diagnosemethoden. In ihrer aktuellen Studie haben die Forschenden nun an 16 jungen Erwachsenen, die mit einem Schleudertrauma Grad II in die Notaufnahme eingeliefert wurden, die Anwendung von PET/CT-Scans in Kombination mit einem sogenannten Tracer untersucht.
Zum Zeitpunkt des ersten Krankenhausaufenthalts und bei einer Nachuntersuchung sechs Monate nach der Verletzung wurden die PET/CT-Scans mit dem Tracer [11C]D-Deprenyl durchgeführt, der nachweislich hilft, Entzündungen bei anderen Arten von Verletzungen des Bewegungsapparats sichtbar zu machen. Acht gesunde Probanden wurden als Kontrollgruppe ebenfalls gescannt.
Die Forschenden erfassten zudem die subjektiven Schmerzwerte, die selbst eingeschätzte Beeinträchtigung des Nackens und den aktiven Bewegungsumfang der Halswirbelsäule bei den Teilnehmenden.
Entzündungen und Gewebeverletzungen sichtbar gemacht
„Die Ergebnisse zeigen, dass die molekularen Aspekte von Entzündungen und möglichen Gewebeverletzungen in Muskeln und Facettengelenken nach einem akuten Schleudertrauma mit [11C]D-Deprenyl-PET/CT sichtbar gemacht, objektiv quantifiziert und über die Zeit verfolgt werden können“, berichten die Forschenden. Veröffentlicht wurden ihre Studienergebnisse in dem Fachmagazin „PAIN“.
Die objektive Visualisierung und Quantifizierung der Verletzung und möglicher Entzündungen bei einem Schleudertrauma würde eine bessere Diagnose unterstützen, den subjektiven Schmerzbericht der Betroffenen untermauern und bei klinische Entscheidungen helfen, betont der Hauptautor der Studie, Clas Linnman, vom Spaulding Neuroimaging Lab an der Harvard Medical School.
Bisher hätten „die Schwierigkeiten bei der Erkennung und Diagnose von Läsionen, die mit den Schmerzen bei einem Schleudertrauma in Zusammenhang stehen, zusammen mit dem Fehlen eines akzeptierten Konzepts für die Ursache der Symptome bei Schleudertrauma-assoziierten Störungen zu erheblichen persönlichen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Problemen beitragen“, ergänzt Linnman.
Hilfe für gezielte Therapien
Dass mit der Methode erkennbar wurde, welche peripheren Strukturen bei einem Schleudertrauma betroffen waren, stütze die Idee, dass PET-detektierbare organische Läsionen im peripheren Gewebe für die Entwicklung von anhaltenden Schmerzen und Behinderungen bei einem Schleudertrauma relevant sind, so die Forscher. Zudem könne mit der Entdeckung der Entzündungsbereiche bei Schleudertrauma-Verletzungen auch eine gezielte medizinische Behandlungen möglich werden, resümieren die Forschenden. (fp)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Mikko Aarnio, Mats Fredrikson, Erik Lampa, Jens Sörensen, Torsten Gordh, Clas Linnman: Whiplash injuries associated with experienced pain and disability can be visualized with [11C]-D-deprenyl PET/CT; in: PAIN (veröffentlicht 02.07.2021), journals.lww.com
- Harvard Medical School: Visualizing Pain (veröffentlicht 16.07.2021), hms.harvard.edu
Wichtiger Hinweis:
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