Schmerzen für Frühchen mit langen Folgen: Säuglinge die zu früh auf die Welt kommen, müssen auf der Neugeborenen Intensivstation behandelt werden. Aufgrund der zahlreichen Untersuchungen und Therapien werden den Frühgeborenen heftigen Schmerzen ausgesetzt. Anhand einer Studie konnte nun nachgewiesen werden, dass diese Erfahrungen sich später nachhaltig auf das Schmerzempfinden der Betroffenen auswirkt.
Zahlreiche Babys kommen viel zu früh zur Welt und nur mit Hilfe der Intensivmedizin können sie überhaupt überleben. Auf der anderen Seite wird das Schmerzempfinden der Kinder für viele Jahre hinweg stark beeinflusst. Das berichten Forscher der Abteilung Klinische Psychologie an der Universität Gießen.
Starke Schmerzen durch die Behandlung auf der Intensivstation für Neugeborene
Die medizinischen Verfahren der Diagnostik und Behandlungen bringen für die Kinder große Schmerzen mit sich. Diese prägenden Erfahrungen machen sich auch im späteren Leben deutlich bemerkbar. Zum einen benötigen die kleinen Patienten einen erheblich längeren Zeitraum, um die schlimmen Erfahrungen zu verarbeiten und zum anderen sorgen die Schmerzerlebnisse später für eine höhere Schmerzempfindlichkeit. Die höhere Sensibilisierung der Schmerzen kann bis ins Jugendalter hinein reichen, wie die Forscherin Dr. Johanna Hohmeister erklärte. Für die nun vorgestellte Arbeit erhielt Hohmeister den Förderpreis für Schmerzforschung.
Studie zum Schmerzempfinden der ehemaligen Frühchen
In einer Studie untersuchte die Wissenschaftlerin früh geborene Kinder im Alter zwischen elf und 16 Jahre. Alle Kinder waren zu Beginn ihres Lebens auf einer Intensivstation für Neugeborene behandelt worden. Zum Vergleich untersuchte die Forscherin auch neun normal geborene Kinder, die über keine frühen Krankenhauserfahrungen verfügten. Die Forscherin untersuchte die Gehirnaktivitäten mit Hilfe der funktionellen Kernspintomografie, während die Probanden leichte, aber schmerzhafte Hitzereize auf die Haut verabreicht bekamen. Zudem wurden die Kinder über ihr subjektiv erlebtes Schmerzempfinden befragt. Bei den Auswertungen zeigte sich, dass die ehemaligen Frühchen noch im höheren Alter eine bedeutend intensivere Reaktion im Gehirn aufwiesen, als die Vergleichsgruppe. Sie verfügten damit über eine höhere Schmerzintensivität. Auch gewöhnten sich die Kinder mit den frühkindlichen Klinikerfahrungen nicht an die Schmerzreize. Die Vergleichsgruppe zeigte indes diese Schmerz-Gewöhnung im Versuchsaufbau. „Eine sorgfältige Behandlung von Schmerzen auf der Neugeborenen-Intensivstation ist daher sehr wichtig“, forderte Dr. Hohmeister von der Justus-Liebig-Universität Gießen.
Schmerz-System bei Frühchen noch nicht ausgereift
Bei zu früh geborenen Kindern ist das schmerzverarbeitende System noch mitten im Reifungsprozess. Aufgrund dessen vermuten die Forscher, dass die frühen Erfahrung mit starken Schmerzen die Verarbeitungsprozess von Schmerzen dauerhaft verändert. Kinder mit diesen Erfahrungen erleben auch im späteren Alter die Schmerzen wesentlich stärker, als andere.
Noch ist unklar, wie Mediziner dieser Negativbeeinflussung entgegen wirken können. Die Forscherin Dr. Hofmeister betonte, dass die Wissenschaft vor einer großen Herausforderung steht. Denn es ist nach wie vor ungeklärt, ob Schmerzstillende Medikamente bei Säuglingen überhaupt wirken und welche eventuellen Nebenwirkungen auf den sich noch entwickelnden Körper folgen könnten. Medikamente mit morphinartigen Wirkstoffen könnten bis zum Atemstillstand führen, wenn sie zu hoch dosiert sind oder falsch eingesetzt werden. Alternativ wäre es daher denkbar, die schmerzhaften medizinischen Prozeduren zu reduzieren. In welchem Umfang solche Maßnahmen erfolgen könnten und ob überhaupt die Negativbeeinflussung gemindert werden kann, ist noch unklar. Hierzu müssten weitere Studien angestellt werden, wie die Wissenschaftlerin erläuterte. „Wir brauchen eine sorgfältige Schmerzbehandlung auf den Intensivstationen für Neugeborene“, fordert Hohmeister.
Auch in anderen Studien waren Forscher zu ähnlichen Erkenntnissen gelangt. Auch hier konnte beobachtet werden, dass früh erlebte Schmerzen sich fest im Schmerzgedächtnis abspeichern. Ob die kleinen Patienten Schmerzmittel benötigen oder nicht, war lange Zeit sehr umstritten. Viele Mediziner gingen davon aus, dass Neugeborene über weniger Schmerzreaktionen verfügen, als Erwachsene. Nun weiß man anhand der Studien, dass dem nicht so ist. (sb, 12.10.2010)
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