Statt brennendem Schmerz nur noch ein Kribbeln – Elektrostimulation zur Schmerztherapie
Chronische Schmerzen können unterschiedliche Ursachen haben. Eine hiervon sind die sogenannten Neuropathien (Nervenschmerzen). Gegen diese spezielle Form der chronischen Schmerzen setzen Mediziner des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus Dresden die sogenannte rückenmarksnahen Elektrostimulation (englisch: Spinal Cord Stimulation; SCS) ein – mit Erfolg.
Das SCS-Verfahren kommt laut Mitteilung des Universitätsklinikums Dresden zwar „nur für ausgewählten Patienten mit Rücken- und Nervenschmerzen“ in Betracht, doch könne diesen nachhaltig geholfen werden. Seit mehr als 20 Jahren setzen die Experten der Klinik für Neurochirurgie am Universitätsklinikum Dresden bereits SCS-Systeme ein, die über Elektroden bestimmte Nervenfasern entlang des Rückenmarks anregen und so die Weiterleitung von Schmerzmeldungen an das Gehirn unterdrücken.
Gezielte Stimulation des Rückenmarks
Bei schwer therapierbaren chronischen Schmerzen infolge von Neuropathien ist die gezielte Stimulation des Rückenmarks eine mögliche Behandlungsoption. Allerdings sei die etablierte Therapie vielen nicht bekannt, so die Mitteilung des Universitätsklinikums. Zudem bleibe die rückenmarksnahen Elektrostimulation an bestimmte Voraussetzungen gebunden und werde erst dann erwogen, wenn sich mit anderen Therapieformen keine Besserung erzielen lässt. Sind die Ausgangsbedingungen erfüllt, können im Rahmen eines kleinen Eingriffs Elektroden am Rückenmark sowie ein kleiner Impulsgeber implantiert werden. Mit deren Hilfe lassen sich elektrische Impulse von geringer Spannung an die Hinterstränge des Rückenmarks abgeben. Die Impulsweiterleitung erfolgt dabei epidural – über die harte Hirnhaut des Rückenmarks. Mit einem Handgerät können Patienten die Stärke der Stimulation selber bestimmen.
Kribbeln statt Schmerzen
Durch die ausgesendeten elektrischen Impulse werden bestimmte Nervenfasern entlang des Rückenmarks angeregt und diese können ihre Schmerzmeldungen nicht mehr an das Gehirn übertragen, erläutern die Dresdener Mediziner. Missempfindungen und Schmerzen, die über die Nervenbahnen ins Gehirn gelangen, werden unterdrückt. „Dank der elektrischen Impulse spüren die Patienten anstatt des Schmerzes ein angenehmeres Kribbeln oder eine Empfindung wie bei einer Massage – der sogenannte Parästhesie-Effekt tritt ein“, so die Mitteilung. Vielen Patienten sei mit dem Verfahren bereits geholfen worden. So auch der heute 50-Jährigen Sylvia Hesse, die in der Pressemitteilung des Klinikums von ihren Erfahrungen mit der Behandlung berichtet.
Langer Leidensweg der Betroffenen
Die Patientin erlitt laut Angaben des Klinikums vor mehr als 15 Jahren einen schweren Bandscheibenvorfall und durch eine entsprechende Operation seien die Schmerzen nur für knapp drei Jahre behoben worden. Anschließend kehrten heftige Schmerzen zurück, die von den behandelnden Ärzten „weder durch weitere Therapien noch durch starke Medikamente in den Griff“ zu kriegen waren, berichtet die Uniklinik. Durch Veränderungen eines Wirbels hätten sich die Beschwerden der Patientin zusätzlich verstärkt. Im Rahmen einer zweiten Operation wurde die Schmerzquelle zwar ausgeschaltet, doch danach habe das Narbengewebe weiterhin für Beschwerden bei der Patientin gesorgt.
Schmerzen treten in den Hintergrund
„Das waren brennende Schmerzen vom unteren Rücken bis zu den Zehen“, wird Sylvia Hesse in der aktuellen Pressemitteilung zitiert. Ihr Leben habe sich nur noch um die Angst vor noch stärkeren Schmerzattacken gedreht. Ihrer Tätigkeit als Altenpflegerin habe sie nicht mehr nachgehen können. Erst vor sechs Jahren erfuhr die Patientin dann von der Rückenmarkstimulation und am Dresdener Uniklinikum stellten die Neurochirurgen fest, dass bei ihr die Erfolgschancen dieser Methode gut standen. Die Entscheidung für eine Operation wurde getroffen und nun sind die Schmerzen zwar da, aber sie treten in den Hintergrund, berichtet die Frau von dem Effekt.
Verfahren nur mit geringen Einschränkungen verbunden
Dank des SCS-Verfahrens benötigt die 50-Jährige heute nach eigenen Angaben kaum noch Medikamente und kann ganz normal ihre Hausarbeit und Aufgaben des Alltags verrichten. Da das Schmerzempfinden am Morgen häufig geringer sei als abends, brauche der Stimulator auch nicht den ganzen Tag angeschaltet bleiben. Zwar seien die Elektroden im Rücken spürbar, doch bringe das Verfahren kaum Einschränkungen mit sich. Lediglich extreme sportliche Belastungen seien zu unterlassen und die Nähe zu stärkeren elektromagnetischen Feldern wie beispielsweise bei Induktionskochherden sollte die Patientin meiden. Zudem muss alle acht Tage der implantierte Impulsgeber aufgeladen werden. Nach sechs Jahren war nun die Batterie endgültig erschöpft, weshalb die Dresdener Neurochirurgen der Frau Anfang April unter lokaler Betäubung ein neues Gerät implantierten.
Zwei Schritte der Implantation
Laut Angaben des Universitätsklinikums Dresden erfolgt die Erst-Implantation des SCS grundsätzlich in zwei Schritten. Haben die Mediziner entschieden, dass ein Patient für die Stimulation geeignet ist, werde zunächst die Rückenmarkstimulation bei ihm getestet. Hierfür implantieren die Spezialisten nur die Elektroden, was unter laufender Röntgenkontrolle geschehe, um die richtige Position zu finden. Gleichzeitig werde mittels eines angeschlossenen externen Stimulators getestet, ob die elektrische Stimulation die Schmerzgebiete des Patienten erreicht. Für die optimale Platzierung der Elektroden müssen die Patienten bei vollem Bewusstsein sein, berichtet die Dresdener Uniklinik weiter. Durch die beteiligten Narkoseärzte werde jedoch sichergestellt, dass Implantation schmerzfrei verläuft. „Nach erfolgreichem Test wird das akkugetriebene Stimulationsgerät mit den bereits eingebrachten Elektroden verbunden“, erläutert das Uniklinikum den abschließen zweiten Schritt des Eingriffs. (fp)
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