Schallbehandlung für Schmerzen in Aussicht?
Wenn es nach neusten Forschungsergebnissen geht, könnten Schmerzen in Zukunft möglicherweise einfach und sicher mit der Hilfe von Schall behandelt werden. Jetzt wurden erstmals die neuronale Mechanismen identifiziert, durch die Schall Schmerzen lindert.
In einer neuen internationalen Studie unter Beteiligung von Fachleuten der University of Science and Technology of China wurde untersucht, was genau die schmerzlindernde Wirkung von Musik oder speziellen Geräuschen bei Mäusen auslöst. Die Ergebnisse können in dem Fachjournal „Science“ nachgelesen werden.
Neue wirksame Methoden zur Schmerzbehandlung benötigt
„Wir brauchen wirksamere Methoden zur Behandlung akuter und chronischer Schmerzen, und das beginnt mit einem besseren Verständnis der grundlegenden neuronalen Prozesse, die den Schmerz regulieren“, berichtet Dr. Rena D’Souza, Direktorin des an der Studie beteiligten National Institute of Dental and Craniofacial Research, in einer Pressemitteilung.
Neue Ansätze für Schmerztherapien
„Durch die Aufdeckung der Schaltkreise, die die schmerzreduzierende Wirkung von Schall bei Mäusen vermitteln, liefert diese Studie wichtige Erkenntnisse, die letztlich neue Ansätze für die Schmerztherapie liefern könnten“, fügt die Expertin hinzu.
Musik kann Schmerzen von Menschen lindern
In der Vergangenheit hat sich bereits in Untersuchungen an Menschen gezeigt, dass Musik und andere Arten von Klängen in der Lage sind, akute und chronische Schmerzen zu reduzieren. Diese umfassten beispielsweise Schmerzen bei zahnärztlichen und medizinischen Eingriffen, Wehen und Entbindungen und sogar bei Krebserkrankungen, so das Team.
Eher unklar war dagegen, wie genau das Gehirn diese Schmerzlinderung oder Analgesie auslöst. „Bildgebende Untersuchungen des menschlichen Gehirns haben bestimmte Bereiche des Gehirns in die musikinduzierte Analgesie einbezogen, aber das sind nur Assoziationen“, erläutert Studienautor Yuanyuan Liu.
Laut Liu ist es einfacher, diese Schaltkreise bei Tieren zu erforschen und zu manipulieren, um so die beteiligten neuronalen Substrate zu identifizieren.
Untersuchung von Mäusen mit entzündeten Pfoten
In der neuen Studie wurden daher Mäuse mit entzündeten Pfoten zunächst drei Arten von Klängen ausgesetzt. Dabei handelte es sich um angenehme klassische Musik, eine Neuanordnung desselben Stücks, welche aber eher unangenehm klang, und sogenanntes weißes Rauschen.
Intensität von Geräuschen beeinflusst Schmerzreaktion
Die Fachleute stellten fest, dass sich die Schmerzempfindlichkeit der Tiere bei allen drei Arten von Geräuschen reduzierte, wenn diese in geringer Intensität (vergleichbar mit einem Flüstern) abgespielt wurden.
Wurden die gleichen Geräusche aber in höherer Intensität abgespielt, hatte dies keinerlei Auswirkungen auf die Schmerzreaktionen der Mäuse.
„Wir waren wirklich überrascht, dass die Intensität des Geräuschs und nicht die Kategorie oder die empfundene Annehmlichkeit des Geräuschs eine Rolle spielt“, berichtet Liu.
Signalweg vom auditorischen Kortex zum Thalamus
Zur Erforschung, welche Schaltkreise im Gehirn diesem Effekt zugrunde liegen, wurden nicht-infektiöse Viren eingesetzt, welche mit fluoreszierenden Proteinen gekoppelt waren, um die Verbindungen zwischen den Gehirnregionen zu verfolgen, erklären die Fachleute.
Das Team identifizierte so einen Signalweg vom auditorischen Kortex zum Thalamus. Der sogenannte auditorischen Kortex empfängt und verarbeitet Informationen über Geräusche. Der Thalamus fungiert hingegen als ein Art Relaisstation für sensorische Signale, darunter auch Schmerzen.
Bei sich frei bewegenden Mäusen reduzierte weißes Rauschen mit einer geringen Intensität die Aktivität der Neuronen am empfangenden Ende des Pfades im Thalamus, erläutern die Forschenden.
Dem Team gelang es auch, durch den Einsatz von Licht und kleinen Molekülen diesen schmerzunterdrückende Effekt von Geräuschen geringer Intensität nachzuahmen. Dagegen führte die Aktivierung des Pfads zur Wiederherstellung der Schmerzempfindlichkeit der Mäuse.
Sind die Ergebnisse auf Menschen übertragbar?
Da die Untersuchung an Mäusen durchgeführt wurde, bleibt unklar, ob beim Menschen vergleichbare Gehirnprozesse ablaufen. Unklar ist auch, ob andere Aspekte, wie beispielsweise ein harmonischer oder angenehmer Klang eine Rolle bei der Schmerzlinderung von Menschen spielen.
„Wir wissen nicht, ob menschliche Musik für Nagetiere eine Bedeutung hat, aber für Menschen hat sie viele verschiedene Bedeutungen – sie hat eine Menge emotionaler Komponenten“, erläutert Liu.
Die Studienergebnisse sind ein guter Ausgangspunkt für zukünftige Untersuchungen, in denen nun überprüft werden kann, ob die Erkenntnisse auch auf Menschen übertragbar sind. Dies könnte letztendlich auch zur Entwicklung von sichereren Alternativen zu Opioiden für die Schmerzbehandlung führen, so die Hoffnung des Forschungsteams. (as)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Wenjie Zhou, Haitao Wang, Yu Mao, Weijia Zhang, Chonghuan Ye, et al.: Sound induces analgesia through corticothalamic circuits; in: Science (veröffentlicht 07.07.2022), Science
- NIH/National Institute of Dental and Craniofacial Research: Researchers discover how sound reduces pain in mice (veröffentlicht 07.07.2022), NIH/National Institute of Dental and Craniofacial Research
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.