Zähneknirschen und Knacken im Kiefer können Anzeichen für CMD sein
Leiden Sie häufig unter Kopfschmerzen, Kauproblemen oder Kieferknacken? Dann könnten bei Ihnen möglicherweise eine Cranio Mandibuläre Dysfunktion (CMD) vorliegen. Dabei handelt es sich um einen Überbegriff, unter dem in der Zahnmedizin verschiedene Fehlregulationen des Kiefergelenks sowie der daran beteiligten Muskeln und Knochen zusammengefasst werden. Im Gespräch mit der Nachrichtenagentur „dpa“ erklären Experten, welche Beschwerden typisch für eine CMD sind und was Betroffene dagegen tun können.
Kennzeichznend sind Schmerzen und Dysfunktionen
Ob Kieferschmerzen, ein unüberhörbares Knacken beim morgendlichen Gähnen, verstärktes Zähneknirschen oder Schwierigkeiten beim Mundöffnen: All diese Symptome können auf eine so genannte „Cranio Mandibuläre Dysfunktion“ (CMD) hin deuten. Mit diesem Begriff bezeichnen Zahnärzte verschiedene Funktionsstörungen des Kiefers, welche hierzulande sehr häufig vorkommen. „Zwei Symptome stehen im Vordergrund, nämlich Schmerz und Dysfunktion. Der Schmerz betrifft die verschiedenen Bereiche des Kauorgans, die Dysfunktion bezieht sich auf Zähne, Kiefergelenke und Kieferbewegung“”, erklärt Oliver Ahlers vom CMD-Centrum Hamburg-Eppendorf gegenüber der Nachrichtenagentur „dpa“.
Vielfältige chronische Beschwerden möglich
Die Beschwerden können dementsprechend ganz unterschiedlicher Art und Ausprägung sein. Während der eine z.B. unter andauernden Kiefer- und Zahnschmerzen leidet, treten bei anderen Betroffenen ständig Knack- und Reibegeräusche auf, sobald sich der Kiefer bewegt. Wieder andere bemerken, dass sie den Mund nicht mehr richtig öffnen können und dass das Kauen plötzlich Schmerzen bereitet. Häufig sind neben unangenehmen Gesichtsschmerzen auch ausstrahlende Schmerzen in den Kopf, Nacken, Rücken oder die Schultern. Weitere mögliche Symptome sind Ohrenschmerzen und Tinnitus, Schwindel, Schluckbeschwerden, Seheinschränkungen sowie ein Stechen in der Brust infolge der Verspannung im Rücken.
Bei Schmerzen und Kieferproblemen zum Arzt
Anzeichen einer CMD treten bei bis zu 28 Prozent der Bevölkerung auf, berichtet die „dpa“. Dies habe die so genannte „SHIP-Studie“ der Universität Greifswald ergeben, für die im Rahmen einer Langzeituntersuchung zum Gesundheitszustand der Menschen in der Region Vorpommern 8.700 Teilnehmer untersucht wurden. Doch nicht jeder Betroffene hat Schmerzen, vielmehr haben viele gar keine Beschwerden oder bemerken lediglich minimale Funktionsstörungen des Kiefers, wenn es z.B. beim Gähnen laut knackt. Bei etwa drei Prozent der Bevölkerung würde verschiedenen Studien zufolge jedoch eine Form der CMD bestehen, die eine Behandlung benötige, erklärt Ingrid Peroz. Die Expertin ist Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Funktionsdiagnostik und -therapie in der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGFDT).
Sobald Schmerzen auftreten und/oder sich der Unterkiefer nicht mehr uneingeschränkt bewegen lässt, sollte laut Ingrid Peroz ein Zahnarzt aufgesucht werden, der anhand mehrerer Schritte eine Diagnose aufstellt. „Zuerst muss ausgeschlossen werden, dass klassische zahnärztliche Erkrankungen wie Karies, Wurzel- oder Zahnfleischentzündungen vorliegen”, erklärt Oliver Ahlers. Anschließend sollte normalerweise für einen Kurzbefund anhand sechs verschiedener Tests geprüft werden, ob der Verdacht auf eine CMD begründet ist. Fallen mindestens zwei dieser Tests positiv aus, würden dem Experte zufolge weitere Funktionsanalysen folgen.
Biss-Schiene und Entspannungsübungen können schnelle Hilfe bringen
„Wenn wir eine Fehlfunktion finden, klären wir erst einmal, wie hoch der Therapieaufwand ist”, erläutert Ingrid Peroz weiter. Meist könnten die Probleme schon durch die Anfertigung eine Aufbissschiene und Maßnahmen zur Selbstbehandlung behoben werden. Denn bei vielen Betroffenen wird die CMD durch muskuläre Verspannungen des Kausystems und verstärktes Zähneknirschen in der Nacht (Bruxismus) infolge von negativem Stress und Anspannung hervorgerufen. Dementsprechend ist es Bestandteil der Therapie, dass die Patienten erlernen, diese Verspannungen bewusst wahrzunehmen und durch bestimmte Übungen abzubauen.
Kleine Erinnerungs-Zettel am Bildschirm befestigen
„Als Erstes erkläre ich den Patienten, dass die Zähne in Ruhe nichts aufeinander verloren haben”, sagt Peroz. Stattdessen seien der Unterkiefer im Ruhe-Modus entspannt und die Lippen geschlossen, wobei die Zähne sich nicht berühren, erklärt die Expertin weiter. Wer in Stresssituationen dazu neigt, die Zähne fest zusammen zu beißen, bemerke das jedoch normalerweise gar nicht – daher könne es helfen, wenn Betroffene z.B. an ihrem Bildschirm im Büro einen Merkzettel mit einem bestimmten Symbol heften. Sobald man dieses sieht, solle sich bewusst auf die Kieferposition konzentriert werden. Sind die Zähne in diesem Moment fest zusammen gepresst, sei zunächst ein kurzes Luftholen ratsam. Werden die Lippen anschließend wieder locker geschlossen, käme man laut Peroz „ganz automatisch wieder in die entspannte Abstandshaltung.”
Neben dem könnten kurze Massagen der Schläfen oder Wangen helfen, Verspannungen zu lösen. Lässt sich der Mund jedoch nicht mehr richtig öffnen, werden physiotherapeutische Verfahren wie z.B. Krankengymnastik, Wärmetherapie oder Dehnübungen notwendig. Bei Entzündungen im Kiefergelenk würden normalerweise Gelenkspülungen und entzündungshemmende Medikamente eingesetzt, in seltenen Fällen sei auch ein Überkronen von Zähnen oder eine kieferorthopädische Behandlung nötig.
Chronische Schmerzen sind schwer behandelbar
Zum Teil besteht die CMD bereits über einen so langen Zeitraum, dass die Schmerzen chronisch und dadurch für die Betroffenen zu einer massiven Belastung werden – auch für die Psyche. In der Folge treten in diesen Fällen häufig auch psychosomatische Probleme, Schlafstörungen oder Depressionen auf. Bei chronifizierten Patienten sei die Behandlung jedoch laut Anne Wolowski von der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (AKPP) schwierig. „Wenn wir das Problem bei guter Mitarbeit des Patienten mit einer Aufbissschiene, Entspannungstechniken und Physiotherapie in drei bis sechs Monaten nicht in den Griff bekommen, reichen diese Maßnahmen nicht aus”, erklärt die Oberärztin am Universitätsklinikum Münster weiter. Tritt dies ein, könne unter Umständen eine Schmerztherapie oder Verhaltenstherapie angezeigt sein. Bei stress- und anspannungsbedingten Problemen sei allerdings Geduld sehr wichtig, gibt Wolowski zu bedenken. „Die Beschwerden sind schleichend gekommen, sie müssen auch wieder herausschleichen“, so die Expertin. Ein Zeitraum von zwei Wochen würde daher nicht reichen, um die Schmerzen wieder loszuwerden.
Im Alltag für mehr Ruhe sorgen
Um innere Unruhe zu lindern und Anspannungen des Alltags „nicht mit in den Schlaf zu nehmen”, bieten sich für Betroffene auch eine Vielzahl an Übungen zum Stressabbau an. Besonders geeignet sind z.B. Progressive Muskelrelaxation nach Jacobsen oder Autogenes Training, ebenso führen Tai Chi oder Yoga bei vielen Betroffenen zu einer langfristigen Verbesserung der Situation. Bei Personen, die unter Bruxismus leiden, können oft schon kleine Veränderungen im Alltag wie z.B. ein TV-freies Schlafzimmer helfen, mehr Entspannung zu finden und nachts ruhiger zu schlafen. Auch eine Aromatherapie kann auf natürliche Wies dazu beitragen, dass psychische Spannungszustände gelindert werden. Bewährt haben sich u.a. ätherische Öle von Lavendel, Melisse oder Baldrian, die z.B. in Form eines Duftsäckchens auf dem Kopfkissen einen guten Schlaf begünstigen können. (nr)
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Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.