Platte Nasen, kurze Beine: Hunde werden oft zum Schmuse-Ideal krank gezüchtet
Deutsche lieben Haustiere, vor allem Hunde. Viele von ihnen sehen zwar unglaublich süß aus, im Inneren müssen sie jedoch Höllenqualen durchleben. Bei manchen Hunderassen führen fragwürdige Zuchtstandards zu Beschwerden wie Lähmungen oder Atemnot. Unter Züchtern und Händlern sind oft „schwarze Schafe“ zu finden. Experten geben Tipps, worauf beim Kauf eines Hundes geachtet werden soll.
Tiere tun den Menschen gut
In deutschen Haushalten leben rund 28 Millionen Haustiere, der Großteil sind Hunde und Katzen. Zwar können uns manche Haustiere durch Infektionen mit Viren, Bakterien, Pilzen oder Parasiten auch krank machen, doch im Großen und Ganzen dienen sie eher der Gesundheit. Der Umgang mit Tieren wirkt für die meisten Menschen beruhigend. Selbst wissenschaftlich wurden die positiven Auswirkungen der vierbeinigen Mitbewohner auf unseren Körper schon untersucht. So senken Hunde das Asthmarisiko, wie Studien zeigten. Einige Menschen setzen bei der Anschaffung eines Haustieres sehr auf das Aussehen. Zu bedenken ist dabei aber, dass so mancher Hund, der unglaublich süß aussieht, im Inneren Höllenqualen durchleben muss. Einem Bericht der Nachrichtenagentur dpa zufolge führen fragwürdige Zuchtstandards bei vielen Hunderassen zu körperlichen Beeinträchtigungen wie Lähmungen oder Atemnot.
Überzüchtung führt zu gesundheitlichen Problemen
Ein hinkender Schäferhund mit abfallendem Rücken, ein in seinem Verhalten gestörter Golden Retriever oder ein Mops, der durch seine platte Nase kaum atmen kann: Dies alles können Folgen von Überzüchtung sein. Bei vielen Rassen geht es um äußerliche Ideale, für die die Tiere immer wieder unter gesundheitlichen Problemen leiden müssen. Wenn der Schäferhund statt seines einst kastenförmigen, aber starken Körpers einen abfallenden Rücken hat, kann es dadurch zur Fehlentwicklung des Hüftgelenks kommen. Und ein Dackel wird durch kurze Beine und einen langen Rücken für die „Dackellähme“ anfällig. Bei Rassen wie Golden Retriever, Border Collie oder Beagle tendieren einige Tiere zu Epilepsie und Verhaltensstörungen. Und Mops, Französische und Englische Bulldogge leiden durch ihre extrem platten Schnauzen häufig unter Atemnot. All diese Probleme bedeuten für den jeweiligen Halter oft auch enorme Tierarztkosten.
Beschwerden schon bei geringer Belastung
Auch Stefanie Wittings und ihre Englische Bulldogge Angus hatten mit solchen Problemen zu kämpfen. „Beim Kauf wirkte unser Welpe Angus kerngesund“, so Witting laut dpa. „Doch bei geringster Anstrengung hechelte er stark und war nicht belastbar.“ Beim Tierarzt wurde festgestellt, dass die Schleimhäute des Hundes angeschwollen waren und er keine Luft bekam. Zudem zeigte das Tier Verhaltensauffälligkeiten. Weder der Besuch einer Welpenschule noch der bei einer Tierpsychologin halfen. „Nach sieben Monaten haben wir das Handtuch geworfen“, sagte Witting. „Zum Glück hat die Züchterin Angus zurückgenommen.“
Verhaltensauffälligkeiten bei Hunden
Hinter Verhaltensauffälligkeiten bei Hunden können verschiedenste Ursachen stecken, von falscher Sozialisierung bis hin zu Erziehungsirrtümern – mitunter spielen aber auch genetisch bedingte Krankheiten eine Rolle. „Durch Zuchtfehler gibt es kaum eine Rasse, die frei von Erbkrankheiten ist“, erklärte der Biologe und Rassezucht-Kritiker Christoph Jung laut der Nachrichtenagentur. Vor allem die professionelle Schauhundezucht lege seiner Meinung nach den Grundstein für die Qualzucht. „Über Generationen wird die Zuchtauswahl nach Äußerlichkeiten und nicht nach Leistung und Wesen getroffen, und so werden Rassemerkmale übertypisiert“, so Jung. „Denn je öfter ein Hund bei einem Wettbewerb siegt oder gut bewertet wird, desto häufiger wird er zur Zucht eingesetzt. Für den Züchter bedeutet dies viel Geld.“ Das heißt auch: Wenn ein prämierter Deckrüde viele Hündinnen deckt, kommt es irgendwann zu einer hohen Inzuchtrate, und umso stärker verarmt der Genpool.
Medien präsentieren einem Millionenpublikum „Modehündchen“
Anders sieht das Udo Kopernik vom Verband für das Deutsche Hundewesen (VDH): „Unser Ansatz sind keine Superlative, die Überzüchtungen weichen von den Rassestandards ab.“ Es gebe aber schwarze Schafe unter Züchtern und Hobbyzüchtern. „Es ist unmöglich, alle zu kontrollieren.“ Er meinte, nicht Ausstellungen und Wettbewerbe seien das Problem; vielmehr werde das Meinungsbild geprägt von den Medien, „die einem Millionenpublikum Modehündchen präsentieren und das Verlangen wecken, so ein Tierchen zu besitzen.“ Wer sich einen Rassehund aus seriöser Zucht anschaffen wolle, müsse genau aufpassen. „Der VDH vergibt die Zuchthoheit nur an Züchter, deren Tiere die Zuchtbestimmungen erfüllen und die rassespezifischen Anlagetests bestehen“, erläuterte Kopernik.
Tipps für die Anschaffung eines Hundes
Von den im Jahr 2012 beim Haustierregister Tasso e. V. registrierten 1.426 Englischen Bulldoggen stammten nur acht Welpen von VDH-Züchtern. „Wenn Menschen etwas wollen, bleibt die Vernunft oft auf der Strecke“, so Kopernik. „Sie kaufen zu Billigpreisen über das Internet oder von verbrecherischen Hundevermehrern, die die Tiere unter schlimmsten Bedingungen züchten und kreuz und quer verpaaren.“ Diese Geschäftemacherei müsse dem Experten zufolge unterbunden werden. Menschen, die sich einen Welpen kaufen, sollten genau prüfen, ob das Tier nachweislich mindestens acht Wochen alt ist. Außerdem empfiehlt der VDH, sich zu fragen, ob der Hund gesund, gut genährt, lebhaft und interessiert wirkt? Und auch zu klären, ob der Welpe gechipt, entwurmt, geimpft und registriert ist?
Käufer sollten auf einen Kaufvertrag, Impfpass und Heimtierausweis bestehen. In letzterem sollten unter anderem Name und Adresse des Züchters stehen. Die Möglichkeit, Elterntiere und Geschwister zu sehen, sollte wahrgenommen werden. Sind diese in guter Verfassung, ist das ein gutes Zeichen. Darüber hinaus informiert sich ein guter Züchter auch selbst über den Interessenten und warum dieser den Hund haben möchte. Man sollte weder bei dubiosen Händlern noch spontan oder aus Mitleid kaufen. Häufig wird empfohlen, zunächst im Tierheim zu schauen, ob dort ein passender Hund ein neues Zuhause sucht. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.