Seltene Viruserkrankung: Drei Menschen wegen Bornavirus gestorben
Das Bornavirus ist ein Erreger, der bislang nur bei Tieren beobachtet worden war. Doch nun gibt es Hinweise darauf, dass die Gehirnentzündungen, an der drei Menschen verstarben, durch das gefährliche Virus ausgelöst wurden. Experten gehen allerdings von sehr seltenen Einzelfällen aus.
Erste gesicherte Bornavirus-Nachweise beim Menschen
In Deutschland sind drei Patienten an den Folgen einer Viruserkrankung gestorben, die laut Experten bisher nur bei Tieren beobachtet wurde. Die Betroffenen hatten eine Gehirnentzündung, die höchstwahrscheinlich durch das klassische Bornavirus ausgelöst worden sei. Das Robert Koch-Institut (RKI) in Berlin und der Leiter des Instituts für Virusdiagnostik am Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) in Greifswald, Martin Beer, gehen davon aus, dass es sich um die ersten gesicherten Bornavirus-Nachweise beim Menschen überhaupt handelt.
Schwere Entzündungen des Gehirns
Das RKI hat vor kurzem im „Epidemiologischen Bulletin“ (10/2018) von den Fällen berichtet.
Dort heißt es, dass Untersuchungen des FLI in Zusammenarbeit unter anderem mit den Universitätskliniken in Regensburg, München und Leipzig erstmals das klassische Bornavirus (Borna disease virus 1, BoDV-1; Spezies Mammalian 1 Bornavirus) als wahrscheinlichen Auslöser von schweren Entzündungen des Gehirns (Enzephalitis) beim Menschen identifizierten.
„Die Erkrankungen traten bei drei Empfängern von Spenderorganen desselben postmortalen Organspenders auf und zwei der transplantierten Patienten verstarben im weiteren Verlauf“, schreiben die Experten.
„Die neuen Untersuchungsergebnisse belegen die ersten gesicherten BoDV-1-Erkrankungen des Menschen.“
Die beteiligten Einrichtungen und das RKI gehen derzeit aber übereinstimmend davon aus, „dass es sich bei den BoDV-1-Erkrankungen der oben beschriebenen Organempfänger um einen sehr seltenen Einzelfall handelt.“
Doch: „Unabhängig von dem Geschehen im Rahmen der Transplantationen gibt es den Nachweis einer fatalen Infektion mit dem klassischen Bornavirus mit den Symptomen einer massiven Enzephalitis bei einer weiteren Patientin. Ein ähnlicher Fall befindet sich derzeit in der Abklärung.“
Virus unterscheidet sich vom Erreger der 2015 festgestellt wurde
Ende 2016 wurden die Forscher vom FLI, dem Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit, von den Universitätskliniken hinzugezogen, an denen die Patienten behandelt worden waren, weil die Ursache der Gehirnentzündungen mit der Standarddiagnostik nicht zu finden war.
Schon 2015 war das FLI bei der Aufklärung von drei unklaren Gehirnentzündungen beteiligt. Damals fanden sie bei verstorbenen Bunthörnchen-Züchtern in Sachsen-Anhalt ein neues Bornavirus (Bornavirus der Hörnchen, VSBV-1), das von den Tierchen übertragen wurde.
Diesmal entdeckten die Forscher dank spezieller Analysemethoden das klassische, etwa von Pferden und Schafen bekannte BoDV-1, das sich laut RKI von dem 2015 nachgewiesenen Virus unterscheidet.
„Danach wurde bei Gehirnentzündungen bisher nicht gesucht, weil es keinerlei Hinweise gab, dass es eine Rolle spielen könnte“, erklärte Martin Beer vom FLI in einer Mitteilung der Nachrichtenagentur dpa.
„Aufgrund der aktuellen, neuen Erkenntnisse, sollte bei unklaren menschlichen Enzephalitis-Erkrankungen auch auf BoDV-1 untersucht werden“, schreibt das RKI.
Bornavirus-Infektionen in einem frühen Stadium erkennen
Wie Hartmut Hengel, Präsident der Gesellschaft für Virologie und Virologe an der Universität Freiburg, laut dpa sagte, sei nun Ziel, neue Nachweismethoden zu entwickeln, damit Bornavirus-Infektionen bereits in einem frühen oder chronischen Stadium erkannt werden können.
Im Fall des Organspenders müsse eine derartige Infektion vorgelegen haben, so dass die Person gesund erschien und Organe transplantiert werden konnten.
Allerdings hält Hengel weitere Vorkehrungen zur Absicherung der Organspende gegenwärtig noch nicht für möglich – und angesichts der laut Angaben offensichtlichen Seltenheit des Virus’ auch nicht für nötig.
„Noch besitzen wir keine geeigneten Werkzeuge, um Organspender vorbeugend zu testen“, so der Professor laut dpa.
Außerdem sei nicht klar, ob möglicherweise Vorerkrankungen in den nun dokumentierten Fällen eine Rolle spielen.
Erkrankte Tiere sterben meist an den Infektionsfolgen
Bei Pferden sind Infektionen mit dem Bornavirus bereits seit über 100 Jahren bekannt – mit Gehirnentzündungen als möglicher Folge.
Bei erkrankten Tieren zeigen sich Bewegungsstörungen und Verhaltensauffälligkeiten. Häufig sterben sie an den Folgen.
Zwar ist Experten zufolge nicht endgültig geklärt, wie sich die Tiere anstecken, bekannt sei jedoch, dass sich der Erreger in Deutschland in Feldspitzmäusen vermehrt und von ihnen ausgeschieden werden kann. Der Weg zum Menschen ist dann aber unklar.
Dem RKI zufolge tritt das Virus, das nach dem Ort Borna bei Leipzig benannt ist, generell selten auf.
Kontroverse um die Gefährlichkeit des Virus
In der Vergangenheit gab es um das Virus und seine Gefährlichkeit eine wissenschaftliche Kontroverse. Die Anfang der 1990er Jahre begonnene Forschung am RKI zu möglichen Bornavirus-Infektionen des Menschen wurde 2005 eingestellt.
Damals hieß es, dass man trotz jahrelanger Bemühungen keinen belastbaren Hinweis auf eine Gefährdung des Menschen gefunden habe.
Vermeintliche Bornavirus-Nachweise in menschlichen Proben waren später auf Verunreinigungen im Labor zurückgeführt worden.
Das Thema hatte auch deshalb viel Beachtung gefunden, weil einige der Wissenschaftler das Bornavirus als einen Faktor beim Entstehen von Krankheiten wie Depression und Schizophrenie darstellten.
Martin Beer vom FLI hob allerdings hervor: „Man muss die aktuellen Einzelfälle eindeutig von den Diskussionen der vergangenen 20 Jahre und den damaligen Untersuchungen abtrennen. Wir sehen jetzt eine ganz klare Symptomatik, wir haben Todesfälle und in den Proben der verstorbenen Patienten lassen sich sehr große Mengen an Virus-Genom nachweisen.“
Forscher mehrerer deutscher Institutionen wollen nun in einem mit Bundesmitteln geförderten Konsortium („ZooBoCo“) den offenen Fragen zu Bornaviren nachgehen – etwa zu Infektionswegen und Risikogebieten. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
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