Wie tausende Stromschläge: Kalkschulter führt zu unerträglichen Schmerzen
Beschwerden in der Schulter, wie etwa Schulterstechen sind wahrhaft unangenehm. Doch wer einmal eine Kalkschulter hatte, weiß von wahrhaft unerträglichen Schmerzen zu berichten. Selbst kleinste Bewegungen können dann höllisch wehtun. Betroffenen kann mit Medikamenten und Physiotherapie geholfen werden.
Beschwerden können sehr lange andauern
Beschwerden in der Schulter können nicht nur sehr schmerzhaft, sondern unter Umständen auch sehr langwierig sein. Eine „eingefrorene Schulter“ beispielsweise heilt zwar oft von alleine, kann sich aber auch über viele Jahre hinziehen. Auch bei der sogenannten Kalkschulter (auch Tendinosis calcarea oder Tendinitis calcarea genannt) können die Beschwerden sehr lange andauern. Die Schmerzen, die dabei auftreten können, sind für die Betroffenen oft kaum auszuhalten. Ihnen kann jedoch geholfen werden. In einer Meldung der Nachrichtenagentur dpa wird über die Erkrankung, die oft Frauen in mittleren Jahren trifft, berichtet.
Wie ein Messerstich in die Schulter
Eine Betroffene, Sabine Hübsch, berichtet in der Agenturmeldung über ihre Erlebnisse: Als sie vor dem Fernseher sitzt und ihren Feierabend genießen will, hat sie plötzlich ein Gefühl, als steche ihr jemand mit einem Messer in die Schulter. Oder als bekomme sie mit einem Elektroschocker tausende Stromschläge. „Jedenfalls hat es sich wie eine Kombination aus beidem angefühlt“, erinnert sie sich. „Mit einem leicht hämmernden, ziehenden Schmerz fing es an. Innerhalb weniger Minuten wurde er stärker und stärker.“ Damit war es nicht vorbei, auch an den folgenden Tagen kam der Schmerz wieder. „In immer kürzeren Abständen, bis ich es nicht mehr aushielt.“ Als Hübsch schließlich zum Orthopäden ging und geröntgt wurde, stellte sich heraus: Ursache für die Schmerzen war eine Kalkschulter.
Schmerzen bei Über-Kopf-Bewegungen
„Bei einer Kalkschulter ist nicht das Schultergelenk selbst betroffen, sondern es kommt zu Kalkeinlagerungen in den umgebenden Schultersehnen“, erklärte Prof. Klaus Fritsch, Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie aus Bayreuth gegenüber der dpa. Die Kalkdepots befinden sich oft in der sogenannten Rotatorenmanschette. „Die Sehnen dieses Muskelkomplexes haben zwischen dem Schulterdach und dem Oberarmkopf nur begrenzten Platz. Die Kalkeinlagerungen reizen und verdicken die Sehnen, so dass es in diesem Raum noch enger wird.“ Solche und andere Schulterschmerzen treten oft in der Nacht auf. Zudem klagen Betroffene bei Über-Kopf-Bewegungen wie Gardinen aufhängen oder Glühbirnen einschrauben häufig über Schmerzen, die flächig bis zum Oberarm und oft bis zum Ellbogen ausstrahlen. Schmerzen beim Heben des Arms, die oft vom Schultergelenk ausstrahlen, können aber auch verschiedene andere Ursachen haben.
Ursache einer Kalkschulter ist weitgehend unbekannt
Eine Kalkschulter tritt in der Regel zwischen dem 35. und 50. Lebensjahr auf. Die Ursachen sind bislang weitgehend unbekannt. „Es wird zwar vermutet, dass eine Mangeldurchblutung und damit ein Sauerstoffmangel in den Schultersehnen zu einer Umwandlung von Zellen führen, aber genau weiß man es nicht“, sagte Prof. Ulrich Brunner von der Deutschen Vereinigung für Schulter- und Ellenbogenchirurgie in Würzburg. Die Diagnose Kalkschulter ist häufig ein Zufallsbefund beim Röntgen. „Kalkdepots in den Schultersehnen müssen aber nicht zwangsläufig zu Beschwerden führen und erfordern in diesen Fällen auch keine Therapie“, so Brunner. Selbst wenn bei einer Kalkschulter Beschwerden auftreten, machen sich diese oft über einen langen Zeitraum nur wenig bemerkbar. „Ganz plötzlich können aber auch massive Schmerzen auftreten, die bis zu zwei Wochen anhalten“, erklärte Fritsch. In solchen Fällen löst sich der Kalk von selbst auf, bricht dabei aus der Sehne heraus und dringt in den angrenzenden Schleimbeutel ein, was eine Schleimbeutelentzündung zur Folge hat.
„Wenn die Schmerzen so akut sind, besteht die Therapie in der Regel aus entzündungshemmenden Medikamenten wie Ibuprofen oder Diclofenac“, erläuterte Fritsch. „Man sollte sie aber nicht länger als eine Woche ohne Arzt anwenden, da sie zum Beispiel die Magenschleimhaut, Leber und Niere sowie den Blutdruck und Herzkreislauf beeinträchtigen können.“ Falls solche Arzneien nicht helfen, kann der behandelnde Arzt auch stark wirksames Kortison in den Schleimbeutel spritzen.
Kalkschulter bleibt meist ein „einmaliges Erlebnis“
Neben Medikamenten kann für Betroffene eine Physiotherapie von Bedeutung sein. „Krankengymnastische Übungen können den Raum unter dem Schulterdach etwas erweitern und verringern damit den Druck auf die Sehnen, die durch den Kalk verbreitert sind“, erläuterte Prof. Sven Ostermeier von der Gelenk-Klinik Gundelfingen bei Freiburg im Breisgau. Eine weitere Möglichkeit sind physikalische Anwendungen, die die Durchblutung der Schultersehnen und den Abtransport des Kalkes durch die Gefäße anregen sollen. „Zum Beispiel, indem der Physiotherapeut ein Massagegerät auf die Schulter-Nacken-Muskulatur legt, das mechanische Vibrationen auf das tiefere Gewebe ausübt.“ Zudem können es Betroffene mit einer Stoßwellentherapie versuchen. Der Arzt richtet dabei energiereiche Ultraschallwellen gezielt auf die betroffene Schulter. „Durch einen abrupten Druckanstieg zertrümmern sie die Kalkdepots und fördern die Durchblutung, so dass die Kalkreste vom umgebenden Gewebe besser abgebaut und ausgeschieden werden können“, so Ostermeier.
Die Behandlungskosten werden jedoch von vielen gesetzlichen Krankenkassen nicht übernommen. Auch eine Operation, die Schulterarthroskopie, steht zur Verfügung. Bei dem Schlüsselloch-Verfahren können die Kalkdepots entfernt werden und unter Umständen auch der gereizte Schleimbeutel. „Das ist meist die letzte Option bei hartnäckigen Fällen, wenn alle anderen Therapien nicht das gewünschte Ergebnis gebracht haben“, so Ostermeier. Nach so einem Eingriff sollten Betroffene ihre Schulter etwa drei Wochen lang schonen und später mit Krankengymnastik beginnen. „Ist die Kalkschulter erst einmal ausgeheilt, kommt sie in der Regel nicht wieder und bleibt für die meisten Betroffenen ein einmaliges Ereignis.“ (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.