Impfungen können erhebliche Nebenwirkungen verursachen
04.08.2011
Schutzimpfung können in Einzelfällen erhebliche Nebenwirkungen mit sich bringen. Kein Grund zur generellen Ablehnung der Impfungen, doch Anlass sich genau zu überlegen, welche Spritzen tatsächlich erforderlich sind, erklärte Martin Hirte vom Verein Ärzte für individuelle Impfentscheidung in Herdecke (Nordrhein-Westfalen) gegenüber der Nachrichtenagentur „dpa“.
Impfungen können neben der gewünschten Schutzwirkung auch zahlreiche Nebenwirkungen verursachen. Zwar sind die Reaktionen des Organismus auf die Schutzimpfungen meist relativ harmlos, doch in Einzelfällen drohen schwerwiegende gesundheitliche Beeinträchtigungen, so eine aktuelle Mitteilung der Ständigen Impfkommission (STIKO) des Robert-Koch-Instituts. Laut Aussage der Experten sind diese schwerwiegenden Nebenwirkungen auch ein Grund dafür, dass nicht nur Menschen, die generell Angst vor Spritzen haben, Schutzimpfungen meiden.
Impfreaktionen und Impfkomplikationen als Nebenwirkungen
Impfungen haben erheblich dazu beigetragen verschiedene Infektionskrankheiten erfolgreich einzudämmen und die Bevölkerung vor den drohenden gesundheitlichen Folgen dieser Erkrankungen zu schützen. Doch Impfungen stellen immer einen erheblichen Eingriff in unser Immunsystem dar, erklärte der Vorsitzende der Ständigen Impfkommission (STIKO), Jan Leidel. Dies sei nötig, damit die Schutzimpfungen „funktionieren, kann aber wie bei jedem wirksamen Medikament auch mal dazu führen, dass unerwünschte Nebeneffekte auftreten“, so der STIKO-Vorsitzende weiter. Zu unterscheiden seien dabei die in der Regel eher harmlos verlaufenden Impfreaktionen und die sogenannten Impfkomplikationen, bei denen deutlich schwerwiegendere Schädigungen der Gesundheit drohen. Impfreaktion seien die häufigsten Nebenwirkungen und bei einigen Prozent der Impflinge zu verzeichnen, erklärte der Experte. In den meisten Fällen seien die Impfreaktion gesundheitlich eher harmlos, obwohl die Beschwerden für die Betroffenen durchaus relativ starke Beeinträchtigungen mit sich bringen können. Zu den gängigsten Impfreaktionen zählen laut Aussage von Leidel zum Beispiel kurzfristige, leichtere Lokal- und Allgemeinreaktionen wie Schmerzen an der Einstichstelle, Schwellungen der Lymphknoten oder grippeartige Beschwerden. Sollten die Beschwerden das normale Maß einer Impfreaktion übersteigen, „weil sie etwa sehr stark sind oder lange anhalten, spricht man von einer Impfkomplikation. Mit ihr sollte man zum Arzt“, betonte der STIKO-Vorsitzende. Zu den Impfkomplikationen seien zum Beispiel lang andauerndes hohes Fieber oder die Bildung von Abszessen an der Injektionsstelle zu zählen.
Schwerwiegende Nebenwirkungen der Schutzimpfungen
Zu den Impfkomplikationen gehören auch die sogenannten Impfkrankheiten, bei denen die Betroffenen Symptome der Krankheit entwickeln, gegen die sie eigentlich geimpft werden sollten. Dies sei zum Beispiel bei rund drei bis fünf Prozent der Masernimpfungen der Fall, erläuterte Martin Hirte von dem Verein Ärzte für individuelle Impfentscheidung in Herdecke (Nordrhein-Westfalen). Die sogenannten „Impfmasern“ umfassen dabei typische Symptome der Masern, wie beispielsweise leichten Ausschlag und Fieber, verlaufen allerdings meist weniger schwer als die normalen Maserninfektionen. Auch allergische Reaktionen auf die enthaltenen Substanzen werden als Impfkomplikationen bezeichnet, wobei vereinzelt sogar anaphylaktische Schocks im Zuge der allergischen Reaktion auf die Inhaltsstoffe einer Impfdosis auftreten, berichtet der Experte. Die allergischen Reaktionen können dabei nicht nur durch die Wirkstoffe direkt, sondern auch durch die enthaltenen Zusatzstoffe wie beispielsweise Aluminiumverbindungen, Quecksilberverbindungen (Thiomersal), Formaldehyd oder das bei der Produktion verschiedener Impfstoffe eingesetzte Hühnereiweiß ausgelöst werden. Auch das zuletzt bei dem Grippeimpfstoff Pandemrix in skandinavischen Studien festgestellte erhöhte Narkolepsie-Risiko (Narkolepsie = Schlafkrankheit) ist den Impfkomplikationen zuzurechnen (Schlafkrankheit durch Schweinegrippe-Impfstoff).
Impfschäden als Folge der Nebenwirkungen
Insgesamt sind die Impfkomplikationen laut Aussage des STIKO-Vorsitzenden jedoch extrem selten. Der Prozentsatz der betroffenen Impflinge liege im Promillebereich und in den meisten Fällen können die Betroffenen mit einer vorübergehende Therapie von ihren Beschwerden befreit werden, so Leidel. Allerdings sind unter den Millionen Menschen, die jedes Jahr geimpft werden, auch immer wieder erhebliche Impfkomplikationen zu beobachten, die dauerhafte Schädigungen der Gesundheit – sogenannte Impfschäden – mit sich bringen. Zu den gängigsten Impfschäden zählen dabei schwerwiegende Erkrankungen wie zum Beispiel das „Guillain-Barré-Syndrom, eine Entzündung der Nerven, die zu Lähmungen und Muskelschwäche führen kann“, erläuterte Martin Hirte. Das ursprünglich als Folgeerscheinung bestimmter Infektionskrankheiten bekannte Syndrom, sei bereits mehrfach bei unterschiedlichen Impfungen wie zum Beispiel den Grippeschutzimpfungen oder den FSME-Impfungen (FSME = Frühsommer-Meningoenzephalitis) aufgetreten, berichtete der Experte. Darüber hinaus waren in der Vergangenheit auch Fälle von Impf-Enzephalitis, also Entzündungen des Gehirns, nach bestimmten Impfungen wie zum Beispiel der Keuchhustenimpfung zu verzeichnen, erklärte Hirte.
Meldepflicht bei Verdacht auf Impfkomplikation
Sämtliche Fälle bei denen der Verdacht „einer über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung“ vorliegt sind laut Infektionsschutzgesetz (IfSG) durch den Arzt an das Gesundheitsamt zu melden. Die erfassten Impfkomplikationen werden anschließend eingehend vom Paul-Ehrlich-Institut (zuständig für die Zulassung von Impfstoffen) und dem Robert-Koch-Institut untersucht. Die Meldeverpflichtung der Impfkomplikationen soll dazu beitragen, die Risikosignale frühzeitig zu erkennen und so die Arzneimittelsicherheit zu erhöhen. Als Konsequenz auf die gemeldeten Impfkomplikationen können laut Aussage des STIKO-Vorsitzenden abhängig vom Ausmaß und der Schwere der Nebenwirkungen Hinweise auf der Packungsbeilage, eine Indikationseinschränkung oder der Widerruf der Zulassung des Impfstoffs erfolgen. Sollten durch eine von der STIKO empfohlene Schutzimpfung Impfschäden auftreten, haben die Betroffenen Anspruch auf staatliche Versorgungsleistungen. Dies gelte schon, „wenn der ursächliche Zusammenhang von Impfung und Erkrankung lediglich wahrscheinlich ist“, erläuterte die Pressesprecherin des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI), Susanne Stöcker, gegenüber der „dpa“. Die Untersuchung und Bewertung aller Verdachtsfälle auf eine Impfkomplikation ist Aufgabe des PEI. Dabei wird laut Aussage der Pressesprecherin auch analysiert, ob die gemeldeten Symptome bereits als Nebenwirkungen oder Impfkomplikation bekannt waren und ob eine wissenschaftliche Erklärung für die unerwünschte Reaktion besteht.
Paul-Ehrlich-Institut untersucht gemeldete Impfkomplikationen
Bei der Untersuchung der gemeldeten Impfkomplikationen, prüft das PEI außerdem, ob möglicherweise andere potenzielle Ursachen wie zum Beispiel Infekte oder die Veranlagung für bestimmte Erkrankungen, die gesundheitlichen Beschwerden verursacht haben könnten. Dies ist oftmals „echte Detektivarbeit“, betonte die PEI-Pressesprecherin und ergänzte, dass die Suche besonders schwierig sei, wenn zwischen Impfung und Erkrankung bereits einige Zeit vergangen ist. Denn in diesen Fällen sei „es oft nicht mehr möglich, alle Daten zu erhalten, die nötig sind, um zu bewerten, ob ein ursächlicher Zusammenhang vorliegt,“ so die Aussage von Susanne Stöcker. Der Expertin zufolge sind die Impf-Spätfolgen nicht zuletzt aufgrund der genannten Unsicherheiten bei der Zuordnung bis heute umstritten. Für Martin Hirte vom Verein Ärzte für individuelle Impfentscheidung unverständlich, da bereits verschiedene Studien die Beschwerden als wahrscheinliche Spätfolgen der Impfungen erkannt haben. Den wissenschaftlichen Untersuchungen zufolge verdreifache sich zum Beispiel das Risiko einer Multiple Sklerose-Erkrankung durch eine Hepatitis-B-Impfung, erläuterte der Experte.
Individuelle, bewusste Impfentscheidung bei Abwägungen der Risiken
Um die Nebenwirkungen der Schutzimpfungen genauer eingrenzen zu können, plädierte Martin Hirte für mehr Langzeitstudien, die sich dem Thema der Impf-Spätfolgen widmen und für eine höhere Meldefreudigkeit der Ärzte bei den Impfkomplikationen. Denn die derzeitige Quote der gemeldeten Impfkomplikationen schätzt Hirte auf lediglich zehn Prozent, was „viel zu wenig“ sei, „um ein repräsentatives Bild entstehen zu lassen.“ Unter den gegebenen Bedingungen bleiben ursächliche Zusammenhänge unter Umständen verborgen, mahnte der Mediziner. Diese möglicherweise bestehenden Zusammenhänge räumen auch die STIKO und das PEI ein, doch es gebe bisher keine eindeutigen Belege für die genannten Impf-Spätfolgen, erklärte der STIKO-Vorsitzende. Leidel zufolge ist im Hinblick auf die eigene Gesundheit und die Gesundheit der Mitmenschen jedoch dringend davon abzuraten, Impfentscheidungen von Eventualitäten abhängig zu machen. Da hinter den Eventualitäten jedoch erhebliche Gesundheitsrisiken stehen können, wie im Fall der Hepatitis-B-Impfungen, scheint die Sorge der Impfgegner an dieser Stelle durchaus verständlich. Martin Hirte vom sprach sich daher für eine individuelle, bewusste Impfentscheidung aus, bei der Nutzen und mögliche Risiken gründliche gegeneinander abgewogen werden. Hirte betonte, dass er nicht generell gegen Schutzimpfungen sei, jedoch den Patienten nur raten könne, genau zu reflektieren, „ob eine Impfung wirklich notwendig ist.“ Laut Aussage von Hirte ist dies bei der „Hepatitis-B-Impfung eines Säuglings mit gesunden Eltern“ zum Beispiel nicht der Fall. (fp)
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Bild: Bernd Boscolo / pixelio.de
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