Vermehrt neurologische Schäden durch Alkohol in der Schwangerschaft
25.07.2012
Jeder Frau sollte bewusst sein, das Alkoholkonsum in der Schwangerschaft ihrem ungeborenen Kind erheblichen Schaden zufügen kann. Dabei galt bislang das Fetale Alkoholsyndrom (FAS) beim Nachwuchs als typische Folge des Alkoholkonsums schwangerer Frauen. Hinzu kommen jedoch die relativ weit verbreiteten Störungen des zentralen Nervensystems, die ein zusätzliches Risiko für den Nachwuchs darstellen.
Wissenschaftler um Devon Kuehn von den National Institutes of Health in Bethesda (Maryland, USA) und Sofía Aros von der University of Chile in Santiago haben herausgefunden, dass die unter dem Begriff „Fetal Alcohol Spectrum Disorders“ (FASD) zusammengefassten neurologischen Störungen ein weit verbreiteteres Phänomen sind als das Fetale Alkoholsyndrom. Bislang bleiben diese durch Alkohol in der Schwangerschaft bedingten Beeinträchtigungen des Nachwuchses jedoch häufig unerkannt, so die Aussage der Wissenschaftler in dem Fachmagazin „Alcoholism: Clinical & Experimental Research“.
Knapp 10.000 Schwangere zu ihrem Alkoholkonsum befragt
Im Rahmen ihrer Kohortenstudie befragten die Forscher in einem Ersten Schritt 9.628 chilenische Frauen zu deren Alkoholkonsum während der Schwangerschaft. Von den befragten Schwangeren wurden 101 ausgewählt, die mindestens vier Drinks pro Tag zu sich nahmen. Als Kontrollgruppe dienten 101 Frauen ohne Alkoholkonsum während der Schwangerschaft. Es wurden „detaillierte Daten zum Alkoholkonsum während der Schwangerschaft erhoben und die Kinder bis zum Alter von 8,5 Jahren in Kliniken untersucht“, schreiben die Forscher um Devon Kuehn und Sofía Aros. Um Verfälschungen der Ergebnisse zu vermeiden, wurde den untersuchenden Ärzten in den Kliniken laut Aussage der Wissenschaftler nicht mitgeteilt, dass einige Mütter während der Schwangerschaft getrunken hatten.
80 Prozent der Alkohol exponierten Kinder zeigen Anomalien
Die Forscher berichten, dass bei 80 Prozent der Kinder, deren Mütter in der Schwangerschaft getrunken hatten, „ein oder mehrere mit Alkohol-Exposition verbundene Auffälligkeiten“ festzustellen waren. Funktionelle Anomalien des Zentralnervensystems registrierten die Wissenschaftler bei 44 Prozent der Alkohol exponierten Kindern, in der Kontrollgruppe litten lediglich 13,6 Prozent an vergleichbaren Beeinträchtigungen. Abnormalen Gesichtszüge, welche auch bei Ärzten als offensichtlicher Hinweis auf alkoholbedingte Beeinträchtigungen des Nachwuchses gelten, wurden bei 17,3 Prozent der Alkohol exponierten Kinder festgestellt (gegenüber 1,1 Prozent in der Kontrollgruppe). An Wachstumshemmungen litten 27,2 Prozent der Kinder in der Gruppe mit Alkohol-Exposition und 12,5 Prozent in der Kontrollgruppe.
Rauschtrinken birgt ein besonderes Risiko
Das „Muster des Alkoholkonsums, welches das größte Risiko für unerwünschte Beeinträchtigungen mit sich bringt, ist Rauschtrinken mit hohen wöchentlichen Aufnahmemengen“ (durchschnittlich 60 Gramm Alkohol pro Tag), so das Ergebnis der Forscher. Dabei seien funktionelle neurologischen Ausfälle beim Nachwuchs die häufigste Folge des Alkoholkonsums in der Schwangerschaft. Da die betroffenen Kinder oftmals keine körperlichen Beeinträchtigungen aufweisen, bleiben diese Schäden durch die pränatale Alkohol-Exposition jedoch nicht selten unerkannt, so Kuehn und Aros weiter. Zahlreiche betroffene Kinder mit neurologischen Problemen würden demnach falsch diagnostiziert.
ADHS und kognitive Beeinträchtigungen durch pränatale Alkohol-Exposition
Welch weitreichende Wirkung der Alkoholkonsum während der Schwangerschaft auf den Nachwuchs haben kann, geht auch aus einer ebenfalls im Fachmagazin „Alcoholism: Clinical & Experimental Research“ veröffentlichten Studie des Forscherteams um Edward Riley vom Institut für Psychologie an der San Diego State University in Kalifornien hervor. Demnach führt die pränatale Alkohol-Exposition im späteren Lebensverlauf nicht nur vermehrt zu Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörungen (ADHS) und anderen Verhaltensauffälligkeiten, sondern auch zu einer Beeinträchtigung der kognitiven Leistungsfähigkeit. Dieser Effekt habe sich auch durch positive Einflüsse im späteren Lebensverlauf nicht vollständig beheben lassen, berichten Riley und Kollegen. Die verlangsamte kognitiven Aufnahmefähigkeit äußere sich zum Beispiel in Hypoaktivität (Antriebslosigkeit) und Tagträumen. Laut Aussage der Experten neigten die betroffenen Kinder auch zu Lern- und Sprachproblemen. Insgesamt sind die negativen Einflüsse des Alkoholkonsums während der Schwangerschaft so vielschichtig, dass schwangeren Frauen dringend zum vollständigen Alkoholverzicht zu raten ist. (fp)
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Autoren- und Quelleninformationen
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