Krebs durch Arzneimittel in Schwangerschaft
Wenn werdende Mütter während ihrer Schwangerschaft Hydroxyprogesteron (17α-Hydroxyprogesteron Caproat; 17-OHPC) zur Verhinderung von Fehlgeburten einnehmen, scheint dies bei den Kindern das Risiko für die Entstehung von Krebs im späteren Leben drastisch zu erhöhen. Die langfristige Wirkung des synthetischen Hormons auf den Nachwuchs wurde bislang offenbar deutlich unterschätzt.
In einer aktuellen Studie unter Beteiligung von Fachleuten des University of Texas Health Science Center in Houston (UTHealth Houston) wurde festgestellt, dass die Exposition im Mutterleib gegenüber dem Medikament zur Verhinderung von Fehlgeburten zu einem erhöhten Krebsrisiko führen kann. Die Ergebnisse können in dem englischsprachigen Fachblatt „American Journal of Obstetrics and Gynecology“ nachgelesen werden.
17-OHPC soll Frühgeburten verhindern
Bei dem Wirkstoff 17-OHPC handelt es sich um ein synthetisches Gestagen, das bereits in den 1950er und 1960er Jahren in den USA häufig von Frauen eingenommen wurde und das auch heute noch verschrieben wird, um Frühgeburten zu verhindern, so das Team.
Progesteron bilde ein natürlich im Körper vorkommendes Sexualhormon aus der Gruppe der Gestagene. Es unterstützt das Wachstum der Gebärmutter während der Schwangerschaft und verhindert, dass eine Frau vorzeitige Wehen bekommt, die zu einer Fehlgeburt führen können, erläutern die Forschenden.
Bei dem Wirkstoff besteht jedoch der Verdacht, dass dieser auch nachteilige Auswirkungen für den Nachwuchs mit sich bringen kann. In der aktuellen Studie überprüften die Forschenden nun mögliche Zusammenhänge mit dem Krebsrisiko. Hierfür analysierten sie die Daten des Kaiser Foundation Health Plan für Frauen, welche zwischen Juni 1959 und Juni 1967 vorgeburtlich betreut wurden. Zusätzlich wurden auch die Daten des kalifornischen Krebsregisters ausgewertet, das Krebs bei den Nachkommen bis zum Jahr 2019 nachverfolgte.
So stellte sich heraus, dass bei mehr als 18.751 Lebendgeburten insgesamt 1.008 Krebsdiagnosen bei Nachkommen im Alter von 0 bis 58 Jahren gestellt wurden. Während der Schwangerschaft waren davon 234 Nachkommen 17-OHPC ausgesetzt.
Erhöhtes Krebsrisiko beim Nachwuchs
„Kinder von Frauen, die das Medikament während der Schwangerschaft eingenommen haben, erkranken im Laufe ihres Lebens doppelt so häufig an Krebs wie Kinder von Frauen, die das Medikament nicht eingenommen haben”, berichtet die Studienautorin Dr. Caitlin C. Murphy von der UTHealth School of Public Health in Houston in einer aktuellen Pressemitteilung zu den Studienergebnissen. Und 65 Prozent der Krebserkrankungen seien bei Erwachsenen im Alter unter 50 Jahren aufgetreten.
Gestörte frühe Entwicklung
„Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Einnahme dieses Medikaments während der Schwangerschaft die frühe Entwicklung stören kann, wodurch das Krebsrisiko Jahrzehnte später steigen kann“, erklärt Studienautorin Dr. Murphy. Hier seien die möglichen Auswirkungen eines synthetischen Hormons gut erkennbar. „Dinge, die uns im Mutterleib widerfahren sind, oder Expositionen in der Gebärmutter, bilden wichtige Risikofaktoren für die Entwicklung von Krebs viele Jahrzehnte nach der Geburt“, resümiert die Expertin.
Die Medizinerin fügt hinzu, dass die Ergebnisse einer neuen randomisierten Studie zudem gezeigt hätten, dass die Einnahme von 17-OHPC keinen Nutzen hat und das Risiko einer Frühgeburt nicht verringert. In Deutschland ist das Medikament bereits seit über zehn Jahren außer Vertrieb. (as)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- University of Texas Health Science Center in Houston: Drug used to prevent miscarriage increases risk of cancer in offspring (veröffentlicht 09.11.2021), UTHealth Houston
- Caitlin C. Murphy, Piera M. Cirillo, Nickilou Y. Krigbaum, Barbara A. Cohn: In utero exposure to 17α-hydroxyprogesterone caproate and risk of cancer in offspring, in: American Journal of Obstetrics and Gynecology (veröffentlicht 09.11.2021), American Journal of Obstetrics and Gynecology
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.