Schwedische Studie: Mobbing-Opfer selber Schuld?
(15.11.2010) Schwedische Wissenschaftler haben in einer umfassenden Untersuchung herausgefunden, dass Mobbing-Opfer an entsprechenden Vorfällen häufig selber eine Mitschuld tragen. So zumindest die Einschätzung ihrer Altersgenossen.
Knapp 70 Prozent sehen die Schuld beim Täter
Im Rahmen ihrer Studie haben die Forscher der Universität Linköping 176 Gymnasiasten im Alter zwischen 15 und 16 Jahren nach den Mobbing-Vorfällen in ihrem persönlichen Umfeld befragt und die Ergebnisse in der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins „Child & Youth Care Forum“ veröffentlicht. Demnach sehen 69 Prozent der Befragten die Hauptschuld des Mobbings eindeutig beim Verursacher und benannten charakterlichen Schwächen wie Unsicherheit, mangelndes Selbstbewusstsein oder ein ausgeprägtes Geltungs- und Machtbedürfnis als Triebfeder seines Handelns. Wobei mehr Mädchen als Jungen die charakterlichen Schwächen als Ursache des Mobbings bewerteten.
42 Prozent gegen Mobbing-Opfern eine Mitschuld
Auffällig war in den Augen der Wissenschaftler, dass 42 Prozent der befragten Jugendlichen den Opfern eine Mitschuld an den Vorfällen gaben, wobei als Begründung am häufigsten persönliche Wesenszüge genannt wurden. So gaben relativ viele Jugendliche an, die Mobbing-Opfer seien „anders“ oder „komisch“ und hätten ein von der Norm abweichendes Verhalten an den Tag gelegt. Dabei tendieren Jungen eher dazu den Opfern eine Mitschuld zu geben, wohingegen Mädchen eher den Verursacher als eindeutig Schuldigen benennen. Das Mobbing durch dominante Gruppen bzw. Cliquen spielte im Rahmen der Untersuchungsergebnisse nur eine untergeordnete Rolle. Lediglich 21 Prozent der Befragten gaben an, dass Mobbing von einer in der Klasse dominanten Clique ausgehe. Auch die allgemeine Schulsituation ist demnach zu vernachlässigen, da sie nur von sieben Prozent der Jugendlichen für eventuelle Mobbing-Attacken verantwortlich gemacht wird. Zudem sahen kaum Jugendliche die Ursachen des Mobbings in der Gesellschaft oder der menschlichen Natur begründet. „Es wird ganz deutlich, dass Teenager die Ursachen für Mobbing eher im persönlichen Bereich sehen: Verantwortlich ist der Mobber oder das Opfer selbst, nicht die Clique, die Schule oder die Gesellschaft“, erklärten die Wissenschaftler im aktuellen „Child & Youth Care Forum“-Artikel.
Das bewusste und ständig wiederholte bzw. regelmäßige Schikanieren, Quälen und seelische Verletzen ist für die Betroffenen Schüler eine enorme Belastung. Auch wenn die jetzige Studie nahelegt, dass sie zumindest teilweise selber für die Anfeindungen verantwortlich seien sollen, so sind Lehrkräfte und Pädagogen dennoch dringend aufgefordert, den mobbenden Mitschülern Einhalt zu gebieten. Denn die schlechte Grundstimmung, die hier aufgebaut wird, belastet nicht nur das Lernverhalten der Kindern, sondern die Betroffenen leiden oft ein Leben lang an den Folgen der massiven Anfeindungen. Das die Mobbing-Attacken oft durch ein von der Norm abweichendes Verhalten bedingt werden, kann uns eigentlich nur eins lehren: die Toleranz unter den Schülern ist noch erheblich ausbaufähig. (fp)
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