Studie: Virusprotein könnte die Entstehung von Narkolepsie begünstigen
Die Schweinegrippe-Impfung könnte die Entstehung von Narkolepsie (Schlafkrankheit) fördern. Das zeigt eine US-amerikanische Studie, die den Zusammenhang der Impfung und einem Anstieg der Narkolepsie-Patienten unter den Geimpften untersucht hat. Demnach begünstigt ein bestimmtes Virus-Protein die Entwicklung der Erkrankung.
Virus-Protein steht in Zusammenhang mit Narkolepsie
Im Frühjahr 2010 wurden nach einer großen Impfkampagne gegen die Schweinegrippe ungewöhnliche viele Narkolepsie-Fälle unter Kindern und Jugendlichen beobachtet. Was der genaue Auslöser der Krankheit war, wusste zu diesem Zeitpunkt niemand. 2014 glaubte ein internationales Forscherteam von der Stanford School of Medicine in Palo Alto den Zusammenhang von Grippe, Impfstoff und Narkolepsie erkannt zu haben und berichtete darüber im Fachmagazin „Science Translational Medicine”. Laut dem Bericht spielt das Hormon Orexin, das auch als Hypocretin bekannt ist und im Hypothalamus produziert wird, eine wesentliche Rolle. Die Forscher stellten die These auf, dass zwei Segmente von Orexin sehr stark dem Bruchstück eines Proteins, das sich auf H1N1-Viren befindet, ähnelt. Die T-Zellen von Narkolepsie-Patienten reagieren auf diese Segmente und greifen deshalb nicht nur das Virus, sondern auch den eigenen Körper an. Die Forscher zogen ihren Artikel allerdings wieder zurück, da es ihnen nicht gelang, die zentralen Ergebnisse zu reproduzieren.
Aktuelle Forschungsergebnisse stützen jedoch die These der kalifornischen Wissenschaftler. So zeigt eine neue Studie von Forschern um Lawrence Steinman von der Universität Stanford, die im Fachmagazin „Science Translational Medicine” veröffentlicht wurde, dass Narkolepsie durch ein bestimmtes Virus-Protein ausgelöst wird, das einer Andockstelle für Hypocretin im Gehirn sehr ähnlich ist. Das Immunsystem richtet sich in der Folge gegen Zellen im Gehirn, die für das Schlafverhalten verantwortlich sind.
Schweinegrippe-Impfstoff Pandemrix könnte Narkolepsie verursachen
Aufgrund von Empfehlungen der zuständigen Behörden hatten sich in der Schweinegrippe-Saison 2009/2010 Millionen Menschen in der EU gegen das Schweinegrippe-Virus H1N1 impfen lassen. Zu den eingesetzten Impfstoffen gehörte auch Pandemrix des Pharmakonzerns Glaxo Smith Kline (GSK). Wie die Forscher berichten, sei bei knapp einem von 10.000 Geimpften anschließend eine Narkolepsie aufgetreten. Diese Impfnebenwirkung trete damit zwar selten auf, für die Betroffenen sei sie jedoch besonders schwerwiegend.
Ihre Ergebnisse würden unterstreichen, wie wichtig es sei, Impfstoffe ohne Bestandteile herzustellen, die vom Immunsystem mit körpereigenen Stoffen verwechselt werden könnten, so Steinman und seine Kollegen.
Neben Europa wurde auch in China nach der Schweinegrippe-Welle eine erhöhte Anzahl von Narkolepsie-Patienten registriert. Dort waren allerdings diejenigen betroffen, die an der Grippe erkrankten und nicht geimpft waren. Das ließ eine erste Vermutung zu, dass das Virus sowie der Impfstoff, in dem abgeschwächte, inaktivierte oder Bruchstücke von Viren enthalten sind, der Auslöser der Erkrankung sein könnten. Grippeimpfstoffe enthalten immer Virus-Proteine in unterschiedlicher Konzentration.
Ein Vergleich der Zusammensetzung von Pandemrix mit der des Impfstoffs Focetria der Novartis Pharma Schweiz AG ergab, dass in Pandemrix ein Virus-Protein in größeren Mengen enthalten ist und in seiner Struktur große Ähnlichkeit zu dem Rezeptor für Hypocretin aufweist. Auch Focetria wurde während der Schweinegrippe-Saison in Europa eingesetzt, jedoch ohne die Narkolepsie-Häufigkeit zu erhöhen.
Auf diesen Erkenntnissen aufbauend wurden die Blutproben von 20 finnischen Patienten untersucht, die nach der Impfung mit Pandemrix an Narkolepsie erkrankten. Die Analyse zeigte, dass sich Antikörper im Blut gebildet hatten, die nicht nur an das Schweinegrippe-Virus andocken, sondern sich auch an den Hypocretin-Rezeptor binden. In der Folge könnten diese Antikörper bei Menschen mit bestimmten Erbgutmerkmalen von dem Virus-Protein aktiviert werden und die Hypocretin-Andockstellen im Gehirn angreifen, berichten die Forscher.
Narkolepsie verursacht extreme Tagesmüdigkeit und einen gestörten Schlaf-Wach-Rhythmus
Narkolepsie ist eine seltene Störung der Schlaf-Wach-Regulation, die im Volksmund auch als Schlafkrankheit bezeichnet wird. Die Patienten berichten von einer bleiernden Müdigkeit, können unvermittelt in den Tiefschlaf fallen oder ihre Muskelspannung (Kataplexie) verlieren. Verursacht wird die Schlafkrankheit durch den Verlust bestimmter Zellen im Gehirn, die Hypocretin produzieren, welches den Wachzustand kontrolliert. Mittlerweile ist bekannt, dass vor allem Menschen mit einer bestimmten Genvariante in ihrem Erbgut von Narkolepsie betroffen sind. Heilbar ist die Erkrankung nach aktuellem medizinischen Kenntnisstand nicht. Da die Ausprägung und die Art der Symptome individuell sehr unterschiedlich auftreten können, richtet sich die Therapie nach den jeweils führenden Beschwerden. So können Antidepressiva beispielsweise zur Behandlung von Kataplexien und Stimulanzien gegen die Schläfrigkeit eingesetzt werden.
Schätzungen der Deutschen Gesellschaft für Schlafmedizin (DGSM) zufolge leiden in Deutschland rund 40.000 Menschen an der Schlafkrankheit. (ag)
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