Haben Schwerbehinderte zumindest noch die Chance auf eine berufliche Tätigkeit, muss die Bundesagentur für Arbeit ihnen auch hierfür eine berufliche Ausbildung bezahlen. Dies gilt selbst dann, wenn der Arbeitsuchende wegen seiner Behinderung nur noch seinen Computer mit den Augen steuern kann und eine Ausbildung zum Webdesigner dann möglich ist, entschied das Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz in Mainz in einem am Freitag, 28. Oktober 2016, bekanntgegebenen Urteil vom Vortag (Az.: L 1 AL 52/15).
Der 35-jährige Kläger ist an der unheilbaren sogenannten Muskeldystrophie vom Typ Duchenne erkrankt. Die Erbkrankheit führt zum Untergang der Muskelfasern. Der Kläger kann weder gehen noch stehen und muss unterstützend beatmet werden. Er ist zu einem Grad von 100 schwerbehindert, die Pflegestufe II wurde bei ihm festgestellt.
Doch auch trotz seiner Erkrankung wollte er nicht aufgeben und am Arbeitsleben teilhaben. Er konnte auf einen Hauptschulabschluss verweisen und auf seine seit 1999 langjährige Beschäftigung mit Computern. Bei der Bundesagentur für Arbeit (BA) beantragte er daher Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Er wolle einen Fernkurs zum Webdesigner absolvieren. Die BA solle die Kosten in Höhe von 2.900 Euro übernehmen.
Der ärztliche Dienst der BA stellte jedoch fest, dass der Kläger auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt keine ausreichenden Tätigkeiten nachgehen könne. Die Behörde lehnte daher den Antrag ab.
Doch ein Gutachter kam zu einem anderen Ergebnis. Der Schwerbehinderte sei hochintelligent und sehr motiviert und könne durchaus von Zuhause aus bis zu sechs Stunden als Webdesigner tätig sein. Der Kläger sei in der Lage, „den Computer sicher und zügig mit den Augen zu steuern“.
Das Sozialgericht sprach dem Schwerbehinderten die Kostenübernahme für den Fernlehrgang zu. Behinderte Menschen hätten Anspruch auf Förderung. Die Ausbildung müsse auch nicht nur zu einer abhängigen Beschäftigung führen. Es sei durchaus möglich, dass er auch als Selbstständiger einer Arbeit nachgeht.
Gegen dieses Urteil legte die BA Berufung ein. Zwar könne der Kläger Arbeiten von wirtschaftlichem Wert verrichten. Er arbeite aber nicht so schnell wie ein nicht behinderter Mensch. Er könne die Tätigkeit als Webdesigner letztlich nicht mindestens drei Stunden lang unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes ausüben, meinte die Behörde. Ausbildungen, die nur zu einer selbstständigen Tätigkeit führten, könnten zudem nicht gefördert werden.
Doch auch vor dem LSG bekam der Schwerbehinderte recht. Das Sachverständigengutachten habe die „zukünftige potenzielle Leistungsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt festgestellt”. Webdesigner könnten auch problemlos ihre Tätigkeit von Zuhause aus ausführen. Der Kläger könne seinen Computer hinreichend schnell nur mit den Augen steuern, so dass eine wirtschaftlich verwertbare Tätigkeit möglich sei. fle
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