Aktuelle Forschungsergebnisse bieten neue Ansätze zur Diabetes-Behandlung
28.05.2014
Wer einmal Übergewicht entwickelt hat, tut sich meist äußerst schwer damit sein Körpergewicht wieder auf ein Normalmaß zu reduzieren. Abnehmen ist in der Regel deutlich schwerer als Zunehmen. Dies hängt nach neuesten Erkenntnissen auch mit den Signalen zusammen, die vom Gehirn ausgesendet werden. Zudem seien „bestimmte Hirnareale, wie beispielsweise der Hypothalamus, entscheidend an der Steuerung des Blutzuckerspiegels beteiligt“, berichtet der Direktor des Instituts für Diabetes und Adipositas am Helmholtz Zentrum München, Professor Dr. Matthias Tschöp.
Sind die neuronalen Schaltkreise erst einmal gestört, könnte dies nach Ansicht der Forscher eventuell ebenso zum Entstehen eines Typ-2-Diabetes beitragen wie eine Fehlfunktion der Bauchspeicheldrüse beziehungsweise eine Beeinträchtigungen der Insulin-Ausschüttung. Wissenschaftler des Massachusetts General Hospital in Boston und des Zentrums für Systembiologie an der Harvard-Universität haben nun laut eine Bericht von „Welt Online“ weitere Hinweise darauf gefunden, wie der Signalaustausch zwischen Gehirn, dem Verdauungstrakt und dem Zuckerstoffwechsel funktioniert. Hieraus könnten sich möglicherweise neue Behandlungsansätze ableiten lassen.
Darmflora entscheidender als das Magenvolumen
Dem aktuellen Beitrag des Nachrichtenjournals zufolge untersuchten die US-Forscher in ihrer Studie die Auswirkungen eines sogenannten Magen-Bypasses bei Mäusen. Der operativ gelegte Magen-Bypass umgeht den größte Teil des Magens, so dass aufgenommene Nahrung mitsamt Verdauungssäften direkt in den Dünndarm geleitet wird. Die Abnehmerfolge nach diesem radikalen Eingriff sind in der Regel beachtlich. Das Hungergefühl der Betroffenen normalisiert sich und auch der Zuckerstoffwechsel entwickelt sich äußerst positiv. Oftmals seien die Effekte auf den Zuckerstoffwechsel bereits vor dem Einsetzen einer Gewichtsabnahme erkennbar. Die Wirkung dieser Behandlungsmethode wurde bislang vor allem unmittelbar in Zusammenhang mit der Verkleinerung des Magenvolumens gebracht. Doch konnten die US-Wissenschaftler nachweisen, dass hier die Signalübermittlung in Richtung Gehirn offenbar vielmehr mit der veränderten Darmflora in Zusammenhang steht als mit dem reduzierten Magenvolumen.
Signalaustausch mit dem Gehirn
Die Forscher des Massachusetts General Hospital in Boston und des Zentrums für Systembiologie an der Harvard-Universität haben im Rahmen ihrer Studie die Darmflora von Mäusen mit Magen-Bypass fettleibigen Artgenossen eingepflanzt, um die Auswirkungen auf das Körpergewicht und den Zuckerstoffwechsel zu überprüfen, berichtet „Welt Online“. Die Ergebnisse seien durchaus überraschend gewesen. Die Tiere zeigten ähnliche Effekte, wie Mäuse, die einen Magen-Bypass hatten. Damit scheint bestätigt, dass das Magenvolumen weniger Einfluss ausübt als bisher angenommen. Die Darmflora scheint indes sehr viel wichtiger für den Signalaustausch zwischen Verdauungstrakt und Gehirn als bislang angenommen. Zwar habe der französische Mediziner Claude Bernard bereits 1854 Hinweise für die Steuerung des Zuckerstoffwechsels durch das Gehirn gefunden, doch geriet dies nach der Entdeckung des Insulins im Jahr 1921 wieder in Vergessenheit, schreibt „Welt Online“. So galt die Insulinproduktion seither als maßgeblicher Bestimmungsfaktor für das Auftreten von Diabetes.
Steuerung des Zuckerstoffwechsels durch das Gehirn
Während Typ-1-Diabetes als Autoimmunkrankheit tatsächlich durch einen absoluten Mangel an Insulin geprägt wird, der bisher lediglich medikamentös behandelt werden kann, ist beiTyp-2-Diabetes (auch Altersdiabetes genannt) von einem relativen Insulinmangel die Rede, der durch verschiedene Einflussgrößen bestimmt wird. Bewegungsmangel und Übergewicht gelten hier als wesentlich Risikofaktoren. Allerdings scheinen die Darmflora und die Steuerung des Zuckerstoffwechsels durch das Gehirn eine deutlich größere Bedeutung zu haben, als bisher angenommen. Professor Tschöp kommt zu dem Schluss, dass die Blutzuckerregulation auf eine funktionierende Partnerschaft zwischen den Insulin produzierenden Zellen der Bauchspeicheldrüse und den neuronalen Schaltkreisen im Hypothalamus des Gehirns angewiesen ist.
Auszeichnung für die Entwicklung neuer Therapieansätze
Diabetes sei eine Multi-Organ-Erkrankung, bei der fortwährend Signale von allen Organen an das Gehirn übermittelt werden, erläuterte Professor Tschöp. Im Gehirn würden die Informationen verarbeitet und Signale an alle stoffwechselaktiven Zellen übermittelt. Auf diese Weise erfolge wiederum eine Steuerung des Zuckerstoffwechsels durch das Gehirn. „Sowohl die Bauchspeicheldrüse als auch Fettgewebe und Gehirn spielen eine zentrale Rolle bei Diabetes“, zitiert „Welt Online“ Prof. Tschöp. Erst Ende April wurde der Diabetesforscher für seine wissenschaftlichen Erfolge bei der Identifizierung und Entwicklung neuer Therapiekonzepte gegen Diabetes und Adipositas mit dem Paul-Martini-Preis 2014 ausgezeichnet. „Mit seinen wegweisenden Durchbrüchen bei der medikamentösen Modulation des stoffwechseleigenen Hormonsystems hat Prof. Dr. Matthias Tschöp wesentlich zu neuartigen Behandlungsstrategien gegen die weit verbreiteten Volkskrankheiten beigetragen“, berichtet hierzu das Helmholtz Zentrum München. (fp)
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