Deutschland mit den zweitmeisten Klinikbehandlungen
07.04.2013
Der Kliniksektor in Deutschland gibt seit Jahren immer wieder Anlass zur Diskussion. Um letztere auf eine valide statistische Basis zu stellen, hat die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in einem aktuellen Papier, das der Nachrichtenagentur „dpa“ vorliegt, die Krankenhausversorgung in Deutschland mit den Zahlen anderer OECD-Staaten verglichen. Das Ergebnis: Die Krankenhausversorgung ist gemessen an den Klinikbetten pro Einwohner außerordentlich gut, die Anzahl der Klinikbehandlungen liegt höher als in den meisten anderen Industrieländern und die Kosten halten sich bislang einigermaßen im Rahmen.
Die OECD sieht in der Struktur des Kliniksektors dennoch einige Risiken. Zwar könne die Klinikversorgung aufgrund der finanziellen Leistungsfähigkeit des deutschen Gesundheitssystem noch längere Zeit in der aktuellen Form aufrechterhalten bleiben, doch „das kontinuierliche Wachstum des Krankenhausvolumens auf bereits hohem Niveau“ bringe das Risiko „einer Überversorgung und eines Überangebotes an Krankenhausleistungen“ mit sich. Gegenüber der Nachrichtenagentur „dpa“ erläuterte der geschäftsführende Vorstand des AOK-Bundesverbands, Uwe Deh, angesichts der OECD-Erhebung, dass schon heute ein enormer Konkurrenzdruck zwischen den Kliniken herrsche und der Eindruck entstehe, dass aus finanziellen Gründen vermehrt bestimmte Klinikbehandlungen durchgeführt werden. Laut Deh berichten Patienten „zunehmend über ihre Unzufriedenheit und Erfahrungen mit fragwürdigen Eingriffen.“ Seine Sorge sei, dass die hohe Konkurrenz zwischen den Kliniken auf dem Rücken der Patienten ausgetragen werde. Nach Auffassung des AOK-Bundesverbandes und anderer Krankenkassen sind im Krankenhaussektor dringend Reformen erforderlich.
Deutschland auf dem zweiten Platz bei den Klinikbehandlungen
Den Zahlen der OECD zufolge liegt Deutschland bei den Klinikbetten pro Kopf (8,3 pro 1.000 Einwohner) auf Platz drei der Industrieländer. Bei den Klinikbehandlungen erreichte Deutschland mit 240 pro 1.000 Einwohner im Jahr 2010 Platz zwei, hinter Österreich. Dies ist laut Aussage der OECD auch auf die traditionell hohe Bedeutung des Kliniksektors in Deutschland zurückzuführen. Doch birgt die auf den ersten Blick besonders gute Versorgungsstruktur auch Risiken. So werden hierzulande zum Beispiel deutlich mehr Patienten stationär versorgt, als in anderen Industrieländern. Beispielsweise erfolgt in Deutschland bei durchschnittlich 35,7 von 1.000 Einwohnern eine stationäre Behandlung wegen einer Erkrankung des Herzkreislaufsystems, während der Durchschnittswert in allen OECD-Staaten bei lediglich 19,6 liegt. Diese Abweichung geht laut Aussage der Experten nicht von einer deutlich unterschiedliche Erkrankungsrate aus, sondern ist im wesentlichen auf die Bevorzugung der stationären gegenüber der ambulanten Behandlung zurückzuführen.
Stockende Reform der Struktur des Kliniksektors
Die Erhebung der OECD diente als Vorlage für eine Konferenz mit dem Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr zu der Entwicklung der Behandlungszahlen in den Kliniken. Auf Basis der Daten soll auch über strukturelle Reformen im Krankenhaussektor diskutiert werden. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) hat jedoch bereits erkennen lassen, dass die maßgeblich zitierten Zahlen ihrer Ansicht nach nur wenig Aussagekraft haben. So liege Deutschland zum Beispiel bei den Ausgaben für die Klinikversorgung – trotz der umfassenderen Leistungen – auf einem eher durchschnittlichen Niveau, bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt. Ein möglicher Ausbau der ambulanten Patientenversorgung bei gleichzeitiger Reduzierung der stationären Aufenthalte wird jedoch bereits seit Jahren immer wieder auch unter medizinischen Aspekten diskutiert. Denn die stationäre Behandlung ist keinesfalls grundsätzlich mit einem schnelleren oder höheren Heilungserfolg gleichzusetzen. (fp)
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Bild: Martin Büdenbender / pixelio.de
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