Mediziner untersuchen, warum Selen essenziell für das Überleben von Säugetieren ist
Vor 200 Jahren entdeckten Forscher das Spurenelement Selen. Aber erst jetzt konnten die Wissenschaftler beweisen, dass dieses chemische Element essenziell für das Überleben von Säugetieren ist. Selen ist ein Bestandteil des Enzyms GPX4 und schützt die Nervenzellen im Laufe ihrer Entwicklung vor dem Zelltod.
Die Forscher vom Institut für Entwicklungsgenetik (IDG) des Helmholtz Zentrums München stellten bei ihrer aktuellen Untersuchung fest, dass Selen als Bestandteil des Enzyms GPX4 bestimmte Nervenzellen im Laufe ihrer Entwicklung vor dem Zelltod schützen kann. Die Mediziner veröffentlichten die Ergebnisse ihrer Studie in der englischsprachigen Fachzeitschrift „Cell“.
Warum ist Selen so wichtig für das Überleben?
Vor 200 Jahren entdeckte der schwedische Forscher Jöns Jacob Berzelius das Spurenelement Selen. Er benannte es damals nach der Mondgöttin Selene. Das Spurenelement findet seine Anwendung in der Industrie. Es wird beispielsweise zur Herstellung von Halbleitern und Tonern genutzt und in der chemischen Industrie angewendet. Aber Selen ist auch ein essenzielles Spurenelement, welches überlebenswichtig für den Menschen, für viele Tiere und manche Bakterien ist. Die Wissenschaftler des Helmholtz Zentrums München erforschten jetzt zum ersten Mal, warum das Element so wichtig für das Überleben ist.
Enzym GPX4 spielt eine wichtige Rolle bei der Ferroptose
Die Experten beschäftigen sich bereits seit mehreren Jahren mit der sogenannten Ferroptose, einer bekannten Form des Zelltods. Das Enzym GPX4 spielt hierbei eine wichtige Rolle. GPX4 enthält normalerweise Selen in Form der Aminosäure Selenocystein, erläutern die Forscher.
Mediziner untersuchten Modelle mit Mäusen
„Um die Rolle von GPX4 besser zu beschreiben, hatten wir Mausmodelle etabliert und untersucht, bei denen das Enzym verändert war“, erklärt der Studienleiter Dr. Conrad in einer Pressemitteilung des Helmholtz Zentrums München. „Dabei fiel uns vor allem eines auf, bei dem GPX4 nicht mit Selen, sondern mit Schwefel gebildet wird“, fügt der Experte hinzu. Das Mausmodell war allerdings aufgrund von neurologischen Komplikationen nicht länger als drei Wochen lebensfähig.
Ohne selenhaltiges GPX4 sterben bestimmte Nervenzellen im Gehirn ab
Bei ihrer Suche nach den Ursachen fanden die Wissenschaftler bestimmte Nervenzellen im Gehirn. Diese fehlten ohne selenhaltiges GPX4. Durch weitere Untersuchungen gelang es den Forschern herauszufinden, dass die Nervenzellen während ihrer Entwicklung durch die sogenannte Ferroptose abgestorben waren, wenn kein selenhaltiges GPX4 vorhanden war, so die Autorin Irina Ingold vom Institut für Entwicklungsgenetik.
Selen ist ein essenzieller Faktor für die postnatale Entwicklung eines Typs von Nervenzellen
Die Experten konnten außerdem feststellen, dass der Auslöser der Ferroptose vor allem starker oxidativer Stress ist. Solcher Stress ist typisch bei einer hohen Stoffwechselaktivität und bei der Signalübertragung in Nervenzellen, sagen die Autoren. Die aktuelle Studie belege zum ersten Mal, dass Selen ein essenzieller Faktor für die postnatale Entwicklung eines ganz bestimmten Typs von Nervenzellen ist, erklärt der Forscher Dr. José Pedro Friedmann Angeli vom Institut für Entwicklungsgenetik.
Selenhaltiges GPX4 schützt Nervenzellen vor oxidativem Stress
Selenhaltiges GPX4 ist in der Lage die Nervenzellen vor oxidativem Stress zu schützen, dadurch wird ein Absterben der Nervenzellen verhindert. Dies ist eine Erklärung, warum sogenannte Selenoenzyme in manchen Organismen wie den Säugern so essenziell sind, erläutern die Experten. Bei anderen Organismen (Pilzen und einigen höhere Pflanzen) sind sie allerdings entbehrlich.
Weitere Forschung ist nötig
Das Forscherteam um Dr. Marcus Conrad plant in Zukunft zu untersuchen, wie und wo genau in den Zellen die Ferroptose ausgelöst wird. Es ist für die Zukunft wichtig die Rolle der Ferroptose bei verschiedenen Erkrankungen besser zu verstehen. So könnten bisher noch nicht oder nur sehr schwer behandelbare Erkrankungen gelindert werden. Zu diesen gehören beispielsweise Krebs oder neurodegenerative Erkrankungen. (as)
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