Sepsis zieht oft jahrelangen Behandlungs- und Pflegebedarf nach sich
Eine sogenannte Blutvergiftung (Sepsis) bildet die häufigste Todesursache bei Infektionskrankheiten und auch bei den COVID-19-Todesfällen scheint sie eine maßgebliche Rolle zu spielen. In einer aktuellen Studie wurde nun deutlich, dass die Überlebenden oftmals noch jahrelang unter den Folgen leiden.
Anhand einer anonymisierten Auswertung von Krankenversicherungsdaten hat ein Forschungsteam des Universitätsklinikums Jena, der Charité – Universitätsmedizin Berlin und des Wissenschaftlichen Instituts der AOK die Häufigkeit und die Kosten der gesundheitlichen Folgen bei Sepsis-Erkrankungen analysiert. Die Ergebnisse wurden in dem Fachmagazin „JAMA“ veröffentlicht.
Hohe Sterblichkeit bei Sepsis
Weltweit ist Sepsis die führende infektionsbedingte Todesursache und hierzulande werden jedes Jahr 320.000 Fälle im Krankenhaus behandelt, berichtet das Forschungsteam in einer Pressemitteilung zu den Studienergebnissen. Die Sterblichkeit im Krankenhaus liege bei rund 25 Prozent und sei damit alarmierend hoch.
Definiert ist die Sepsis als gefährliche Organfehlfunktion infolge einer überschießenden Immunreaktion auf eine Infektion. Der lebensbedrohliche Zustand trete ein, wenn die Antwort des Körpers auf eine Infektion die eigenen Gewebe derart schädigt, dass Organe wie die Niere oder Leber nicht mehr arbeiten.
Daten von 23 Millionen Versicherten ausgewertet
In der aktuellen Studie haben die Forschenden nun die Folgeerkrankungen, Risikofaktoren, die Versorgung und die Kosten bei Sepsis untersucht. Hierfür haben sie die anonymisierten Gesundheitsdaten von mehr als 23 Millionen Versicherten der AOK aus den Jahren 2009 bis 2017 ausgewertet. Unter den Versicherten waren 159.684 Personen im Alter von über 15 Jahren, die in den Jahren 2013 oder 2014 wegen einer Sepsis auf einer Normal- oder Intensivstation im Krankenhaus behandelt wurden.
Bei den Sepsis-Betroffenen haben die Forschenden einerseits die Vorerkrankungen erfasst und anderseits die Diagnosen, die in den drei Jahren nach der Sepsis neu auftraten. Zudem wurde der hieraus resultierende Behandlungs- und Pflegebedarf ermittelt.
Insbesondere wurde nach neuen körperlichen, psychischen und kognitiven Einschränkungen gesucht, „wie sie bekanntermaßen als Folge einer Sepsis auftreten können, so die Projektleiterin Dr. Carolin Fleischmann-Struzek vom Universitätsklinikum Jena. Dies seien zum Beispiel Herz-Kreislauferkrankungen, kognitive beziehungsweise motorische Störungen, das Erschöpfungssyndrom Fatigue oder Depressionen.
Dreiviertel mit neu diagnostizierten Beschwerden
Bei dreiviertel der Sepsis-Überlebenden sei allein im ersten Jahr nach der Entlassung eine neue Diagnose hinzugekommen und mehr als 30 Prozent seien noch im ersten Jahr verstorben. „Sogar in der Gruppe der unter 40-Jährigen stellten sich bei mehr als 56% im ersten Jahr nach der Krankheit Folgeerkrankungen ein“, berichten die Forschenden.
Langzeitfolgen auch bei weniger schwerem Verlauf
„Psychische, kognitive und körperliche Folgen betreffen die Mehrzahl der Überlebenden und treten sogar häufig gemeinsam auf, was für die Betroffenen eine besondere Belastung ist“, so Professorin Dr. Christiane Hartog von der Charité – Universitätsmedizin Berlin. Erstaunlicherweise habe es dabei nur einen geringen Unterschied ausgemacht, „ob die Sepsis weniger schwer verlief oder sie auf der Intensivstation behandelt werden musste.“ Dies könne auch in Bezug auf die Langzeitfolgen bei COVID-19 relevant sein.
30 Prozent der Überlebenden pflegebedürftig
Laut Aussage des Forschungsteams wurden 30 Prozent der Sepsis-Überlebenden im Jahr nach der Krankenhausentlassung pflegebedürftig und nach einem schweren Verlauf mussten mehr als 13 Prozent neu in einem Pflegeheim betreut werden. Zudem erhielten die Betroffenen nur extrem selten angepasste Nachsorgemaßnahmen. So seien lediglich fünf Prozent der Sepsis-Überlebenden in eine Rehabilitationseinrichtung entlassen worden.
„Die Sepsis hat massive und langjährige Folgen – sowohl für Überlebende und ihre Angehörigen, als auch für das Gesundheitssystem. Deshalb bedarf es spezifischer Nachsorgekonzepte für die Sepsis“, fasst Dr. Fleischmann-Struzek zusammen.
Sepsis-Anzeichen erkennen
Wichtig ist es zudem, die Anzeichen eine Sepsis frühzeitig zu erkennen. Dies sind laut Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI):
- Verwirrtheit, Desorientiertheit;
- Kurzatmigkeit, schnelle Atmung;
- schneller Puls, Herzrasen;
- Fieber, Schüttelfrost;
- feuchte Haut, Schwitzen, Schwäche;
- Schmerzen, starkes Unwohlsein;
Zögern Sie nicht, bei entsprechendem Verdacht umgehend ärztliche Hilfe zu suchen. (fp)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Universitätsklinikum Jena: Sepsis-Langzeitfolgen: Jahrelanger Behandlungs- und Pflegebedarf (veröffentlicht 09.12.2021), uniklinikum-jena.de
- Carolin Fleischmann-Struzek, Norman Rose, Antje Freytag: Epidemiology and Costs of Postsepsis Morbidity, Nursing Care Dependency, and Mortality in Germany, 2013 to 2017; in: JAMA Network Open (veröffentlicht 12.11.2021), jamanetwork.com
- Robert Koch-Institut (RKI): Sepsis (Stand 09.12.2021), rki.de
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.