Viele Todesfälle durch unterschätzte Blutvergiftungen
14.09.2013
Neue Zahlen besagen, dass im Jahr 2011 etwa 175.000 Menschen in deutschen Krankenhäusern wegen einer Blutvergiftung behandelt wurden. Mehr als 50.000 Patienten starben. Oft könnten die Todesfälle verhindert werden.
Über 50.000 Todesfälle
In Deutschland wird kaum eine Krankheit so unterschätzt wie die Sepsis, im Volksmund auch als Blutvergiftung bezeichnet. Neue Zahlen besagen, dass im Jahr 2011 etwa 175.000 Menschen hierzulande an einer Sepsis erkrankten. In 69.000 Fällen handelte es sich um eine schwere Sepsis und bei 19.000 um einen septischen Schock. Die Krankenhaussterblichkeit lag bei 28,6 Prozent und ist damit alarmierend hoch. Zusammengerechnet waren es 50.100 Todesfälle im Jahr. Intensivmediziner Konrad Reinhart, Vorsitzender der Global Sepsis Alliance (GSA) meinte dazu: „Damit ist Sepsis die dritthäufigste Todesursache in Deutschland.“ Seiner Einschätzung nach wäre rund ein Drittel der Todesfälle vermeidbar.
Welt-Sepsis-Tag
Reinhart beklagt jedoch, dass die Hälfte aller Deutschen den Begriff Sepsis noch nicht einmal kennen würde. Und auch Ärzte seien oft nicht ausreichend informiert. Oft werde die Diagnose erst zu spät für eine Behandlung gestellt. Seit 2012 findet jährlich am 13. September der Welt-Sepsis-Tag statt, um die Gefahren der Erkrankung bekannter zu machen. Weltweit unterstützen mehr als 2.000 Organisationen und Krankenhäuser den Tag.
Organsysteme können versagen
Bei einer Sepsis gelangen die Krankheitserreger, bei denen es sich meist um Bakterien handelt, aus einem Herd in den Blutkreislauf, mit dem sie zu sämtlichen Körperorganen transportiert werden. Dort kommt es zu infektiösen Streuherden, den septischen Metastasen. Darüber hinaus können sich die Erreger im Blut vermehren. Als schwere Komplikation kann sich ein septischer Schock entwickeln. Im schlimmsten Fall können innerhalb sehr kurzer Zeit mehrere Organsysteme gleichzeitig versagen und damit zum Tode führen.
Verschiedene Anzeichen für Blutvergiftung
Für eine Sepsis gibt es verschiedene Anzeichen, die jedoch nicht alle gleichzeitig auftreten müssen. Das wichtigste Symptom ist hohes Fieber, das im Wechsel schnell ansteigt und innerhalb von 24 Stunden auf Normalwerte sinkt, von wo aus es wieder steigt, u.s.w. Oft ist die Erkrankung einhergehend mit Schüttelfrost. Außerdem können Herzrasen, starke Probleme beim Atmen und ein Abfall des Blutdrucks auftreten. „ Auch Verwirrtheit und andere mentale Veränderungen deuten auf eine Sepsis“, so Reinhart. Allerdings gebe es keine eindeutigen Krankheitszeichen für eine Blutvergiftung, alle Symptome könnten auch jeweils auf eine andere Krankheit hinweisen. Treten jedoch mehrere der Anzeichen zusammen auf, sollte im Zweifelsfall die Notaufnahme eines Krankenhauses aufgesucht werden.
Roter Streifen kein eindeutiges Zeichen
Weit verbreitet ist die Annahme, man könne eine Blutvergiftung sicher an einem roten Streifen auf der Haut erkennen und dass es gefährlich wird, wenn dieser sich dem Herzen nähert. Doch bei dem Streifen handelt es sich keinesfalls um ein eindeutiges Frühwarnzeichen. Reinhart erklärt: „Er tritt nur in etwa ein Prozent alle Sepsis-Fälle auf.“ Oft sei dieser rote Streifen lediglich ein Hinweis auf eine Entzündung und nicht auf eine Sepsis. Aus einer solchen Entzündung könne jedoch im schlimmsten Fall eine Blutvergiftung werden und daher ist ein Arztbesuch ratsam.
Lungenentzündung als Auslöser
„Mehr als die Hälfte aller Sepsis-Erkrankungen entstehen durch Lungenentzündungen“, so Reinhart. An zweiter Stelle folgten laut dem Experten Krankheiten im Bauchraum wie Blinddarm- oder Gallenblasenentzündungen, gefolgt von Harnwegsinfekten. Aber auch ein entzündeter Zahn oder eine Schnittwunde am Finger könnten eine Infektionsquelle sein. Kritisch wird es, wenn die Immunabwehr des Körpers geschwächt ist, wie etwa bei Diabetes, bei Krebs oder nach Operationen. Dann steige die Gefahr, eine Blutvergiftung zu entwickeln.
Blutvergiftung ist medizinischer Notfall
Bei einer Sepsis sollte man nicht lange fackeln. Es handelt sich dabei um einen medizinischen Notfall, bei dem jede Stunde zählen kann. So haben Betroffene, bei denen die Infektion innerhalb der ersten Stunde erkannt und behandelt wird, eine Überlebenschance von 80 Prozent. Wird erst nach sechs Stunden gehandelt, liegt die Chance nur noch bei 30 Prozent. Deshalb sollte bei einem Verdacht auf eine Blutvergiftung auch gleich eine Klinik aufgesucht werden und nicht erst der Hausarzt. Allerdings bestehe in den Krankenhäusern auch ein Infektionsrisiko. Der Jenaer Intensivmediziner Prof. Frank Brunkhorst sagte in einem Interview mit der Frankfurter Rundschau: „Zwei Drittel der Betroffenen erwerben die Sepsis durch eine Infektion im Krankenhaus. Die Patienten, die ins Krankenhaus kommen, sind in der Regel schwer krank, haben eine geschwächte Immunabwehr und sind deswegen besonders empfänglich für Infektionen.“
Es besteht akute Lebensgefahr
Bei Sepsis kämen die Patienten wegen der akuten Lebensgefahr auf eine Intensivstation, wo sie sofort ein Antibiotikum erhalten würden. Die Ärzte versuchten Kreislauf und Blutdruck zu stabilisieren, damit die Organe nicht versagen. Sepsis-Patienten würden deshalb auch große Mengen Flüssigkeit über die Venen und Sauerstoff sowie eventuell Medikamente verabreicht bekommen. Herz, Kreislauf und Atmung müssten ständig überwacht werden und der Entzündungsherd gefunden werden, um ihn behandeln zu können.
Verletzungen säubern und desinfizieren
Infektionen und deren Ausbreiten zu verhindern hilft am besten, um eine Sepsis zu vermeiden. Darum sollten auch kleinste Verletzungen, Entzündungen und Eiterherde immer gesäubert und desinfiziert werden. Darüber hinaus helfen Impfungen, das Erkrankungsrisiko zu senken. „Die meisten Sepsis-Fälle sind Folge von Lungenentzündungen und dagegen schützt die Pneumokokken-Impfung“, erläutert Reinhart. Viele Blutvergiftungen könnten auch durch bessere Hygiene verhindert werden. In Operationssälen erhalten Patienten wegen einer besonders großen Infektionsgefahr vor großen chirurgischen Eingriffen und nach schweren Verletzungen oft vorbeugend Antibiotika. Prof. Brunkhorst verwies auf ein weiteres Präventionspotenzial in den Kliniken: „Ein entscheidender Punkt ist die Handdesinfektion, die in Deutschland nicht ideal ist. Von 100 Momenten, wo man sich die Hände desinfizieren müsste, werden 20 bis 40 eingehalten; wenn man gut ist, sind es 60. Das muss man angehen – schauen, ob der Spender am richtigen Fleck steht, und das Personal trainieren.“ (ad)
Bild: Rolf van Melis / pixelio.de
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