Risiko des Immunkollaps bei Sepsis frühzeitig bestimmen
Eine Blutvergiftung (Sepsis) kann schnell lebensbedrohliche Ausmaße annehmen und trotz verbesserter Therapieoptionen sterben täglich in Deutschland rund 140 Menschen an den Folgen einer Sepsis. Ursache sei oft ein Kollaps des Immunsystems, nachdem die akute Phase der Blutvergiftung schon überstanden ist, berichtet das Universitätsklinikum Heidelberg. Hier gelte es, das Risiko eines solchen Immunkollaps möglichst frühzeitig zu bestimmen.
Zwei Drittel der Sepsis-Todesfälle gehen laut Angaben des Universitätsklinikums nicht auf außer Kontrolle geratene Entzündungsreaktionen im gesamten Körper zurück, sondern sind Folge einer anschließenden Unterfunktion des Immunsystems. In einem neuen Forschungsprojekt soll nun bestimmt werden, welche Patientinnen und Patienten besonders gefährdet sind und wie der gefährliche Zusammenbruch des Immunsystems möglichst früh diagnostiziert werden kann.
Molekularen Mechanismen der Sepsis entschlüsseln
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Deutschland, Belgien und Österreich werden diese Fragestellungen zur Sepsis in einem Verbundprojekt untersuchen, das von der Europäischen Union in den kommenden drei Jahren mit insgesamt 2,5 Millionen Euro gefördert wird. Unter Leitung von Dr. Florian Uhle wird eine Arbeitsgruppe der Universitätsklinik für Anästhesiologie Heidelberg dabei erstmals die molekularen Mechanismen analysieren, welche den Zusammenbruch des Immunsystems bedingen.
Drohendes Organversagen bei einer Sepsis
Eine Blutvergiftung kann beispielsweise infolge einer Lungenentzündung, infizierter Verletzungen oder als Komplikation nach großen Operationen entstehen, wobei sich ausgehend vom Infektionsherd eine Immunreaktion ausbreitet, erläutert das Universitätsklinikum Heidelberg. Unbehandelt könne dies dazu führen, dass der Organismus in einen Schockzustand gerät und die Organe versagen. Dank moderner Behandlungskonzepte in der intensivmedizinischen Versorgung sei dies jedoch heute nicht mehr die Haupttodesursache bei Sepsis.
Zusammenbruch des Immunsystems
Ist die akute Phase des Sepsis überstanden, folgt bei vielen Betroffenen eine Phase, in der das Immunsystem zusammenbricht, was ebenso lebensbedrohlich werden kann. Bei den Betroffenen seien immer neue Infektionen mit Erregern festzustellen, die sehr typisch für ein geschwächtes Immunsystem sind, berichtet das Universitätsklinikum. Oft werde eine wochen- oder monatelange intensivmedizinische Versorgung erforderlich und teilweise versage die Antibiotikatherapie.
Biomarker im Blut identifizieren
Zwar werden in ersten laufenden Studien bereits Therapieansätze erprobt, die diesen Zustand durchbrechen sollen, doch fehlen laut Dr. Florian Uhle noch die diagnostischen Verfahren – „insbesondere um Risikopatienten zu identifizieren, bevor ihre Infektanfälligkeit durch wiederholte Krankheitsausbrüche augenscheinlich wird.“ Ziel des Forschungsprojektes sei es daher, Marker im Blut der Patienten zu identifizieren, die für einen Frühtest herangezogen werden können.
Risiko eines Immunkollaps vorhersagen
Das Heidelberger Forschungsteam wird nach sogenannten epigenetischen Markern am Erbgut von betroffenen Sepsis-Patienten suchen, anhand derer sich das Risiko eines Immunkollaps vorhersagen lässt. „Die Ergebnisse sollen die Basis für die Testentwicklung liefern und zudem Hinweise auf die dem Immunkollaps zugrundeliegenden Mechanismen geben“, berichtet das Universitätsklinikum Heidelberg.
„Wir suchen die Unterschiede zwischen Untergruppen unserer Patienten – z.B. zwischen Patienten, bei denen sich das Immunsystem regeneriert, und Patienten, bei denen es zusammenbricht. So können wir hoffentlich bald jene identifizieren, bei denen ein schwerer Verlauf mit wiederkehrenden Infektionen zu erwarten ist“, erläutert Professor Dr. Markus A. Weigand, Ärztlicher Direktor der Universitätsklinik für Anästhesiologie Heidelberg, den Forschungsansatz.
Welche Spuren hinterlässt eine Sepsis im Körper?
„Die Forschung unserer Arbeitsgruppe setzt da ein, wo die Intensivmedizin endet. Wir wollen verstehen, welche Spuren diese lebensgefährliche Immunreaktion im Körper, in den Zellen oder im Erbgut zurücklässt“, ergänzt Dr. Uhle. Zwar werde es noch einige Zeit dauern, bis neue Erkenntnisse in gezielte Therapieentscheidungen umgesetzt werden können, „aber jeder Puzzlestein bringt uns im Kampf gegen die Sepsis ein Stückchen weiter“, betont der Forschungsgruppenleiter. (fp)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Universitätsklinikum Heidelberg: Sepsis: Bei welchen Patienten bricht das Immunsystem zusammen? (veröffentlicht 19.12.2019), klinikum.uni-heidelberg.de
Wichtiger Hinweis:
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