Syphilis auf dem Vormarsch
Die Geschlechtskrankheit Syphilis war in Deutschland lange Zeit kaum noch verbreitet. Seit einigen Jahren steigt die Zahl der Erkrankungen jedoch wieder an, dabei sind in erster Linie Männer betroffen. Angesichts dieser Entwicklung betonen Experten immer wieder die Wichtigkeit von Früherkennungstests. Denn da Syphilis zu Beginn meist keine Beschwerden verursacht, wird die gefährliche Krankheit in vielen Fällen erst sehr spät diagnostiziert.
Erkrankung verursacht im Frühstadium keine Beschwerden
Bei der Syphilis (auch „Lues“ genannt) handelt es sich um eine weltweit verbreitete Geschlechtskrankheit, die durch Bakterien ausgelöst wird. Die Erkrankung wird häufig auch als „Chamäleon der Medizin“ bezeichnet, denn da Betroffene zu Beginn meist keine Symptome bemerken, wird sie in vielen Fällen erst relativ spät entdeckt. Eine gefährliche Angelegenheit, denn wird die Syphilis nicht behandelt, nimmt sie einen chronischen Verlauf und kann schwere Spätschäden hervorrufen. Die Erkrankung ist sehr ansteckend und kann durch Blut sowie bei allen sexuellen Kontakten übertragen werden.
Anstieg der Neudiagnosen um bis zu 155 Prozent
Die Krankheit galt lange Zeit als nahezu verschwunden. Doch nun scheint es aktuellen Statistiken nach seit einigen Jahren einen umgekehrten Trend zu geben. Denn wie aus der aktuellen Ausgabe des „Epidemiologischen Bulletins“ des das Robert-Koch-Instituts (RKI) hervor geht, gibt es seit 2010 einen kontinuierlichen Anstieg bei den Neuerkrankungen, welcher auch im ersten Halbjahr 2015 anhielt. 2014 sei demnach ein neuer Höchstwert von 5.722 Neudiagnosen verzeichnet worden. Während die Zahl der wahrscheinlich auf heterosexuellem Weg erworbenen Infektionen auf dem Niveau von 2013 blieb und bei Frauen sogar um knapp 3 Prozent sank, sei mit 20,2 Prozent jedoch eine deutliche Zunahme bei Männern, die Sex mit Männern (MSM) haben zu verzeichnen, so das RKI.
Ein Anstieg war in dieser Gruppe in insgesamt 12 Bundesländern zu beobachten, in sechs Bundesländern wie z.B. Mecklenburg-Vorpommern (Anstieg um 155%) oder Bayern (plus 70,6%) fiel er dabei besonders hoch aus. Insgesamt lag der Anteil der Fälle, die vermutlich über sexuelle Kontakte zwischen Männern übertragen wurden den Angaben zufolge im Jahr 2014 bei 84%, der Anteil heterosexueller Übertragungen hingegen nur bei 15,8%.
Berlin verzeichnet mit Abstand die meisten Ansteckungen
Auch die Großstadt scheint ein Risikofaktor zu sein. Denn bei 93,7% aller Meldungen mit Angaben zum Infektionsweg aus Städten mit mehr als einer Million Einwohnern sei als Infektionsweg Sex zwischen Männern angegeben worden. Berlin belegt hier mit Abstand den ersten Platz, denn die Hauptstadt habe eine mehr als 4-fach erhöhte Inzidenz im Vergleich zum Bundesdurchschnitt, so der Bericht. Zudem seien hier nach dem deutlich bevölkerungsstärkeren Nordrhein-Westfalen mit 31 Fällen je 100.000 Einwohnern auch in absoluten Zahlen die meisten Syphilis-Fälle bundesweit aufgetreten. Wie das RKI mit Verweis auf das European MSM Internet Survey (EMIS) mitteilt, sei zu vermuten, dass der vergleichsweise hohe Bevölkerungsanteil von MSM sowie die „sehr vielfältigen Möglichkeiten zur Anbahnung sexueller Kontakte“ wie Clubs, Saunas und Pornokinos „einen erheblichen Einfluss auf die dortige hohe Syphilis-Inzidenz haben“.
Internet erleichtert das Kennenlernen anderer Männer
Ein weiterer Risikofaktor seien laut Prof. Norbert Brockmeyer Party-Wochenenden, an denen stimulierende Drogen wie Crystal Meth konsumiert werden. Denn durch die Drogen nehme das Risikobewusstsein ab, zudem seien diese Partygänger ohnehin über Drogenberatungsstellen schwer zu erreichen, so der der Präsident der Deutschen Gesellschaft für sexuell übertragbare Krankheiten (DSTIG) gegenüber der Nachrichtenagentur „dpa“.
Doch die Infektionskrankheit breitet sich nicht nur in der Großstadt aus. Stattdessen würden laut dem RKI knapp ein Drittel (32,5%) der Meldungen aus Orten mit weniger als 100.000 Einwohnern stammen. „Wir vermuten, dass es für Männer leichter geworden ist, durch das Internet beispielsweise, vielleicht auch durch Dating-Apps, andere Männer kennenzulernen“, so die RKI-Expertin für sexuell übertragbare Infektionen, Viviane Bremer, gegenüber der Nachrichtenagentur „dpa“. „Gefühlt kennt man sich eigentlich, das erschwert die Kondom-Nutzung“, ergänzt Prof. Brockmeyer. Denn bei der neuen Form des „Datings“ würden normalerweise vor dem ersten Treffen zunächst Nachrichten ausgetauscht, wodurch schnell ein „trügerisches Vertrauen“ entstehe.
Infektionen mit HIV könnten wichtigen Einfluss haben
Wie das RKI weiter berichtet, sei zudem anzunehmen, dass Infektionen mit HIV einen wichtigen Einfluss auf die Syphilis-Epidemie in Deutschland haben. „Wir sehen immer wieder in Studien, dass HIV-Positive eher mal ungeschützten Sex mit anderen HIV-Positiven haben“, erläutert Viviane Bremer. Dieser Zusammenhang könne zwar momentan nicht genau quantifiziert werden, dennoch werde vermutet, dass viele der Syphilis-Fälle bei HIV-Positiven vorkommen, da die Geschlechtskrankheit hier als „kleineres Übel“ in Kauf genommen werde. Auch andere Experten gehen davon aus, dass AIDS und HIV durch die neuen Behandlungsmöglichkeiten bei vielen Betroffenen an Schrecken verloren haben und daher beim Sex häufig nicht auf ausreichenden Schutz geachtet wird.
Ein Mal im Jahr zum Suchtest
Angesichts der gestiegenen Neuerkrankungen sei es laut Armin Schafberger, Medizin-Referent bei der Deutschen Aids-Hilfe, wichtig, noch früher als bisher zu diagnostizieren. Denn nur in etwa einem Drittel der Fälle werde die Infektion im Frühstadium entdeckt. Daher sollten Menschen mit erhöhtem Risiko auf Anraten der Aids-Hilfe ein Mal im Jahr einen vorbeugenden Suchtest beim Arzt durchführen zu lassen. Die Krankenkasse übernimmt die Kosten hier jedoch erst, wenn Symptome erkennbar sind, zu denen anfangs vor allem Lymphknotenschwellungen und schmerzlose Geschwüre am Penis, in der Scheide, am und im Mund bzw. am und im Po zählen. Im weiteren Verlauf treten zudem meist Fieber, wiederkehrender Hautausschlag und gummiartige Knötchen auf, die am ganzen Körper vorkommen können
Doch genau hier liegt das Problem, denn da die Syphilis zu Beginn meist gar keine Symptome verursacht, kann sich der Patient zum Zeitpunkt des Tests bereits in einem fortgeschrittenen Stadium befinden. Hinzu komme laut dem RKI-Bericht, dass viele Männer, die mit Männern Sex haben, gar nicht über entsprechende Angebote informiert seien, ebenso ließe „die Breite der durchgeführten diagnostischen Angebote [.] zu wünschen übrig“. In anderen strukturell vergleichbaren europäischen Staaten (wie z.B. den Niederlanden oder Großbritannien) existiere hingegen „ein zum Teil sehr breites Netz von spezifisch auf MSM ausgerichteten, niedrigschwelligen Beratungs-, Testungs- und Behandlungszentren“, so das RKI. (nr)
Autoren- und Quelleninformationen
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.