Sexsucht- gestörte Impulskontrolle oder zwanghaftes Verhalten
Hypersexuelle, im Volksmund Sexsüchtige, werden als “Casanovas” bewundert oder moralisch verurteilt. Es handelt sich indessen um eine Sucht, ein Zwangsverhalten oder eine gestörte Impulskontrolle. Wie die meisten Süchte ist sie mit Leidensdruck verbunden.
Gibt es die Krankheit Sexsucht?
Der Suchtcharakter des Verhaltens zeigt sich darin, dass die Betroffenen über einen längeren Zeitraum die Kontrolle über ihr sexuelles Verhalten verlieren und es nicht ändern (können), obwohl es gravierende negative Konsequenzen hat. Es handelt sich also tatsächlich um ein krankhaftes Verhalten – eine Sucht.
Was sind mögliche Konsequenzen?
Die ersten sichtbaren negativen Folgen hat Hypersexualität in zwischenmenschlichen Beziehungen. Wer exzessiv die Partnerin des besten Freundes ins Bett bekommen will, der Freundin die anbahnende Beziehung durchkreuzt oder ohne Absprache mit der eigenen Partnerin/dem eigenen Partner kreuz und quer durch die Gegend kopuliert – der oder die stehen irgendwann allein da.
Folgen im Beruf
Betroffene können auch ihren Job verlieren. Sei es, dass sie sexuell über Kollegen und Kolleginnen herfallen, ohne dass dieses Interesse auf Gegenseitigkeit basiert, sei es, dass sie ihre Berufspflicht durch ihr Sexualverhalten vernachlässigen. Zum Beispiel treiben sich Betroffene nachts in Clubs herum und landen in fremden Betten und sind so bei der Arbeit unausgeschlafen. Oder sie verbringen ihre Arbeitszeit auf Webforen für Sexualkontakte.
Innere Leere, Vereinsamung und Verwahrlosung
Die Betroffenen sind, im Unterschied zu dem, was manche Außenstehende denken, keine “selbstbewussten Draufgänger”. Sie treibt vielmehr ein Gefühl von innerer Leere und um dieser inneren Leere zu entfliehen, suchen sie einen Kick durch Sex. Perspektivlosigkeit und Angst, mit sich allein zu sein, setzen die Erkrankten Sex als positiven Input entgegen – so wie an Alkoholismus Erkrankte den Alkohol.
Symptome einer Hypersexualität
Leitsymptome einer “Sexsucht” sind hoher Pornokonsum (mehrere Stunden am Tag), ständige Selbstbefriedigung und häufiger Partnerwechsel.
Suchtverhalten
Die Gemeinsamkeit zu anderen Süchten besteht darin, dass dieses Verhalten von den Betroffenen nicht kontrolliert werden kann. Wie ein Alkoholiker seinen Schnaps in der Innentasche versteckt und heimlich trinkt, guckt der Hypersexuelle auf der Betriebstoilette Pornofilme auf dem Smartphone. Wie andere Süchtige vernachlässigen Hypersexuelle übrige Interessen und notwendige Dinge: Sie räumen ihre Wohnung nicht auf, zahlen ihre Miete nicht und kümmern sich vor allem nicht um ihre Partnerschaft.
Mit Mythen besetzt
Exzessives Sexualverhalten ist mit Mythen besetzt: Menschen, die sexuell wenig erfolgreich sind oder sich für unattraktiv halten, bewundern oft diejenigen, denen es leicht fällt, sexuelle Kontakte zu knüpfen. Menschen mit restriktiver Sexualmoral halten häufigen Partnerwechsel hingegen für “Sünde”.
Polyamorie ist keine Krankheit
Umso mehr darf der Begriff Hypersexualität nicht leichtfertig verwendet werden. Kennzeichen sind nicht Polyamorie und auch nicht eine promiskuitive Phase – sondern der Suchtcharakter, die Abhängigkeit und die Flucht aus dem Empfinden innerer Leere.
Entscheidend ist die Kontrolle
Psychologen sind sich heute weitgehend einig, dass für eine hypersexuelle Störung nicht die Anzahl der Partner und sexuellen Kontakte entscheidend ist, sondern die Kontrolle über das Sexualverhalten. Merken Betroffene, dass sie diese Kontrolle verloren haben, dann wird der Suchtcharakter deutlich.
Sex als Flucht
Die Betroffenen “belohnen” sich mit Sex, sie weichen damit Lebensfragen aus, kompensieren Misserfolge im Beruf oder schlimme Erfahrungen der Vergangenheit.
Angst vor Nähe
Eine Krankenschwester kommentierte die Sexsucht eines Betroffenen mit den Worten: “Das ist auch eine Form von Impotenz.” Tatsächlich haben die meisten Erkrankten große Angst, Nähe und Intimität zuzulassen. Sex ist für sie unpersönlich und sobald sich daraus eine liebevolle Bindung an den Sexualpartner entwickelt, verschwinden sie und suchen nach dem nächsten. Ein Betroffener rannte panisch aus einem Club, als er sah, dass dort gleich sechs Frauen standen, mit denen er ins Bett gesprungen war, und die er dann sitzen gelassen hatte.
Wie kommt es zur Sucht?
Die Ursachen von Hypersexualität unterscheiden sich von Mensch zu Mensch. Bisweilen liegen ihr tief gehende psychische Probleme zugrunde: Traumatisierung, sexueller Missbrauch in der Kindheit und ähnliches. Oft handelt es sich aber um ein schleichend erlerntes Verhalten wie auch bei anderen Süchten. Betroffene beginnen, Langeweile mit Sex zu kompensieren. Die Masse an Pornografie im Internet macht das heute sehr einfach. Auch die biologische Voraussetzung kann hinein spielen: Menschen mit starkem Sexualtrieb wären demnach höher sucht gefährdet.
Komorbidität
Hypersexualität kann, aber muss nicht, Teil der Symptome anderer Erkrankungen sein. So zeigen auch Menschen mit einer Borderline Persönlichkeitsstörung oder Bipolare in ihrer manischen Phase oft hypersexuelles Verhalten. Auch die Kombination mit anderen Süchten tritt verstärkt auf: Missbrauch von Substanzen – Alkoholismus oder Abhängigkeit von Drogen wie Heroin oder Kokain.
Was tun?
Wichtig für Betroffene ist erst einmal, sich einzugestehen, ein Problem zu haben. Das klingt einfacher als es ist, da das hypersexuelle Verhalten ja gerade eine Flucht bedeutet, um sich nicht mit Lebensproblemen auseinander zu setzen. Dann geht es darum, therapeutische Hilfe zu suchen.
Was können Angehörige tun?
Angehörige sollten offen mit den Betroffenen über das Problem reden und das Verhalten dabei weder moralisch verurteilen noch schön reden. Sie sollten den Betroffenen vor allem vermitteln, dass sie sie als Menschen schätzen und sie ihnen nichts beweisen müssen.
Therapien gegen Hypersexualität
Hypersexualität lässt sich nur individuell behandeln, da die individuellen Ursachen sich stark unterscheiden. Da es sich um eine Verhaltensstörung handelt, verspricht eine Verhaltenstherapie am meisten Erfolg. Hier lernen die Betroffenen, ihre Impulse zu kontrollieren und Probleme nicht mehr durch sexuelle Reize zu verdrängen. Zudem lernen sie, Nähe zuzulassen.
Es geht nicht um Abstinenz
Im Unterschied zu Substanzmissbrauch geht es nicht darum, die Betroffenen zur Abstinenz anzuhalten. Sex ist für Hypersexuelle nicht wie eine Schnapsflasche für einen Alkoholiker. Es geht vielmehr darum, die eigene Sexualität zu kontrollieren, damit sie für die Betroffenen wieder Lust statt Leid verursacht.
Die Dosis steigt bei jeder Droge
Mit Substanzmissbrauch hat Hypersexualität gemeinsam, dass die Dosis, um den Kick zu bekommen, steigt. Anfangs lassen sich Probleme mit Sex tatsächlich für einen Moment verdrängen, doch die Wirkung lässt nach und die Probleme bleiben ungelöst. Die Betroffen steigern jetzt ihre Sexualkontakte und wiederholen ihre sexuellen Aktionen und fühlen sich trotz dutzenden von Onenight-Stands und hunderten von konsumierten Pornos innerlich leer.
Entzugserscheinungen
Der Suchtcharakter zeigt sich auch darin, dass die Betroffenen unter Entzug leiden. Ohne Sex, wenn auch nur für begrenzte Zeit, werden sie aggressiv, depressiv oder nervös.
An das Problem herangehen
Hypersexualität ist ein Verdrängungsverhalten. In der Therapie geht es jetzt darum, an das wirkliche Problem heranzukommen und es zu bearbeiten. Fühlen Betroffene sich wertlos oder benachteiligt? Leiden sie an einem Vaterkomplex, haben sie Verlustängste? Steckt in Wirklichkeit eine handfeste depressive Erkrankung hinter dem Verhalten?
Nymphen und Satyre
Satyre waren in der griechischen Mythologie Mischwesen aus Männern und Ziegenböcken und zeichneten sich durch eine animalische Wolllust aus. Sie stellten den Nymphen nach, feenartigen weiblichen Wesen und kopulierten mit ihnen, wo immer die beiden sich trafen.
Fabelwesen und Krankheiten
Satyriasis und Nymphomanie sind veraltete Begriffe für sexuell sehr aktive Männer und Frauen. Das damit bezeichnete gesteigerte sexuelle Verlangen, das die Betroffenen offen ausleben, hat jedoch mit einer Sucht, also einem krankhaften Verhalten, nichts zu tun. (Dr. Utz Anhalt)
Autoren- und Quelleninformationen
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.