Viele Frauen, aber auch Männer erfahren Gewalt in der Partnerschaft, die bis hin zu schweren körperlichen Misshandlungen oder sogar Tötungsdelikten reichen kann. Frühzeitig die Warnsignale für drohende Partnerschaftsgewalt zu erkennen, könnte helfen, die körperlichen und seelischen Misshandlungen zu verhindern.
In einer neuen Studie hat ein kanadisches Forschungsteam der University of Western Ontario nun mögliche Warnzeichen für Gewalt in der Partnerschaft untersucht und dabei sieben Faktoren identifiziert, die von besonderer Bedeutung scheinen. Die entsprechenden Studienergebnisse sind in dem Fachmagazin „Social Psychological and Personality Science“ veröffentlicht.
Körperliche und psychische Gewalt
Gewalt in der Partnerschaft umfasst nicht nur körperliche Misshandlungen, sondern auch psychische Gewalt wie zum Beispiel Demütigungen, Drohungen, Einschüchterungen, soziale Isolation oder wirtschaftliche Erpressung.
Im Jahr 2022 wurden in Deutschland insgesamt 157.818 Menschen Opfer von Gewalt in der Partnerschaft, wobei in vier von fünf Fällen eine Frau betroffen war, berichtet das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend unter Berufung auf die polizeiliche Kriminalstatistik (BMFSFJ).
Zudem sei von einer hohen Dunkelziffer auszugehen, da viele Straftaten nicht zur Anzeige gebracht werden, so das BMFSFJ.
Partnerschaftsgewalt weit verbreitet
Insgesamt ist Gewalt in der Partnerschaft weit verbreitet, aber die Trennung von missbrauchenden Partnerinnen und Partnern fällt Betroffenen oftmals aus verschiedenen Gründen schwer (zum Beispiel gemeinsame Kinder, finanzielle Abhängigkeit, fehlende eigene Lebensperspektive), erläutert das kanadische Forschungsteam.
Hier könnte das frühzeitige Erkennen von Warnzeichen für Missbrauch eine Präventionsstrategie sein, um missbräuchliche Langzeitbeziehungen zu vermeiden, so die Forschenden weiter. In der neuen Studien versuchten sie daher Warnzeichen zu identifizieren, die frühzeitig auf Partnerschaftsgewalt hindeuten können.
Welche Warnzeichen gibt es?
Zunächst sollten hierfür 147 Teilnehmende auf einer Liste mit 200 missbräuchlichen und nicht missbräuchlichen Gedanken, Gefühlen und Verhaltensweisen angeben, wie oft diese in ihrer Partnerschaft aufgetreten sind.
Den Ergebnissen zufolge, haben 86 Prozent der Teilnehmenden nach eigenen Angaben mindestens einen Fall von solchem Missbrauch erlebt, allerdings war die durchschnittliche Häufigkeit gering, so das Forschungsteam.
In einer zweiten Untersuchung mit 355 Teilnehmern identifizierten die Forschenden Warnzeichen, die mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit für Partnerschaftsgewalt in den nächsten sechs Monate verbunden waren.
Sieben Warnzeichen identifiziert
Die beiden Teilstudien zeigten, dass die Anzahl der Warnzeichen, die eine Person erlebt, und die Häufigkeit, mit der sie diese Warnzeichen erlebt, auf das Risiko für Gewalt in der Partnerschaft hinweisen kann, erläutert das Forschungsteam. Dabei seien folgende sieben Warnzeichen besonders relevant:
- Partnerin/Partner verhielt sich mir gegenüber arrogant oder überheblich;
- Meinungsverschiedenheiten über sexuelle Themen;
- Partnerin/Partner hatte Sex mit mir, obwohl ich nicht in der Stimmung dazu war;
- Partnerin/Partner hat mich in der Öffentlichkeit in eine unangenehme Situation gebracht;
- Partnerin/Partner hat meine Argumente/Logik ignoriert, wenn sie/er anderer Meinung war;
- Partnerin/Partner reagierte negativ, wenn ich etwas abgelehnt habe, was sie/er wollte;
- Partnerin/Partner hat es mir übel genommen, wenn ich hinterfragt habe, wie sie/er mich behandelt.
Treffen mehrere dieser Punkte zu und treten sie häufiger auf, kann das laut den Forschenden auf potenziell missbräuchliche Beziehungen hindeuten.
Anlass zur Sorge?
Mit anderen Worten ausgedrückt, ist das gelegentliche Erkennen von ein oder zwei Warnzeichen möglicherweise nicht besorgniserregend, das wiederholte Auftreten mehrerer Warnzeichen kann jedoch Anlass zur Sorge geben, so die Studienautorin Dr. Nicolyn Charlot von der Western University.
Auch bedeute der festgestellte Zusammenhang nicht, dass alle Menschen, die die Warnzeichen bemerken, Gewalt erleben werden. Zudem müssen diese Anzeichen nicht jeder Gewalt in der Partnerschaft vorausgehen und die Liste der Warnzeichen nicht endgültig abgeschlossen, betont Dr. Charlot.
Hoffnung auf bessere Prävention
Insgesamt konnten verschiedene Warnzeichen identifiziert werden, die Missbrauch prospektiv vorhersagen, und die Studienergebnisse könnten auch Auswirkungen auf Präventionsmaßnahmen gegen Gewalt in Partnerschaften haben, resümieren die Forschenden.
„Obwohl weitere Forschung erforderlich ist, um die Zusammenhänge zwischen Warnzeichen und Missbrauch vollständig zu verstehen, könnten diese Warnsignale letztendlich in Interventionen eingesetzt werden, um Menschen dabei zu helfen, zu lernen, wie sie missbräuchliche Beziehungen vermeiden oder geliebte Menschen unterstützen können, die möglicherweise einem Missbrauchsrisiko ausgesetzt sind“, betont Dr. Charlot. (fp)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Nicolyn Charlot, Samantha Joel, Lorne Campbell: The Predictive Validity of Intimate Partner Violence Warning Signs; in: Social Psychological and Personality Science (veröffentlicht 11.12.2023), sagepub.com
- Society for Personality and Social Psychology: New research identifies several warning signs that could predict intimate partner violence (11.12.2023), eurekalert.org
- Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend unter Berufung auf die polizeiliche Kriminalstatistik (BMFSFJ): Formen der Gewalt erkennen (Stand 12.12.2023), bmfsfj.de
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.