Entsteht rheumatoide Arthritis im Darm?
Ein amerikanisches Forschungsteam identifizierte ein Darmbakterium als möglichen Auslöser für rheumatoide Arthritis. Vor allem bei Menschen mit Veranlagung für diese Erkrankung können die entdeckten Bakterien die Immunreaktionen auslösen, die zur Entstehung der Krankheit führen. Die Erkenntnisse bieten neue Ansätze für Behandlungen.
Forschende der University of Colorado School of Medicine (USA) haben herausgefunden, dass ein spezielles Bakterium im Darm dafür verantwortlich sein könnte, rheumatoide Arthritis bei Menschen auszulösen, die bereits ein Risiko für diese Autoimmunerkrankung haben. Die Forschungsergebnisse wurden kürzlich in dem renommierten Fachjournal „Science Translational Medicine“ vorgestellt.
Auslöser für rheumatoide Arthritis unbekannt
Die rheumatoide Arthritis ist eine weit verbreitete chronische Entzündung der Gelenke. Betroffene leiden häufig unter Schmerzen und Schwellungen an den Gelenken. Oft startet die Krankheit in den kleinen Gelenken der Finger und Zehen. Im weiteren Verlauf kann sich die Arthritis auf andere Gelenke sowie auf Sehnenscheiden und Schleimbeutel ausdehnen.
Die Funktion der betroffenen Gelenke wird dabei zunehmend eingeschränkt und kann bis zu einer kompletten Zerstörung reichen. Neben den Gelenkschmerzen leiden Betroffene zudem unter diffusen Symptomen wie Müdigkeit, Unwohlsein und Fieber.
Genaue Auslöser für rheumatoide Arthritis unbekannt
Die Symptome werden durch Autoimmunreaktionen hervorgerufen, deren Herkunft bislang unklar war. Die Behandlungsansätze sind dementsprechend umfangreich und die Wirkungen der einzelnen Maßnahmen unterscheiden sich von Person zu Person.
Die Therapieansätze umfassen unter anderem Medikamente, orthopädische Maßnahmen, chirurgische Eingriffe, Physiotherapie, Ergotherapie, gezielten Sport und Ernährungsumstellungen.
Bakterium Auslöser für rheumatoide Arthritis?
Sollte sich tatsächlich bestätigen, dass eine einzigartige Bakterienart die Immunreaktion auslöst, die bei Risikogruppen eine rheumatoide Arthritis hervorruft, dann wäre das Bakterium ein neuer und vielversprechender Angriffspunkt für die Behandlung der Erkrankung dar.
Die Arbeitsgruppe um die Rheumatologie-Professorin Dr. Kristine Kuhn untersuchte verschiedene Marker im Blut von Betroffenen mit rheumatoider Arthritis. Dabei entdeckten sie einen Antikörper, der normalerweise nur in Schleimhäuten wie der Mundschleimhaut, der Darmschleimhaut oder der Lungenschleimhaut zu finden ist.
Darmbakterium löste bei Mäusen rheumatoide Arthritis aus
So kamen die Forschenden auf die Idee, dass die Auslöser für rheumatoide Arthritis (RA) in einer Schleimhaut versteckt sein könnten. In den Fäkalien von RA-Betroffenen entdeckte das Team dann das Bakterium, welches durch den verdächtigen Antikörper markiert wird.
Es handelt sich dabei um einen Bakterienstamm aus der Gattung Subdoligranulum. In weiteren Verlauf der Studie infizierten die Forschenden Mäuse mit dem entdeckten Bakterium, woraufhin einige der Tiere eine rheumatoide Arthritis entwickelten.
„Durch Versuche an Menschen und Tiermodellen konnten wir feststellen, dass diese Bakterien mit dem Risiko für die Entwicklung von RA in Verbindung stehen“, bestätigt Dr. Kuhn.
Bei den Tieren lösten die Bakterien eine RA-ähnliche Erkrankung aus. Im Blut von Menschen konnte eine Immunreaktion auf dieses Bakterium nachgewiesen werden, die spezifisch für rheumatoide Arthritis ist.
Vielversprechender Angriffspunkt
„Wenn die einzigartige Bakterienart tatsächlich die Immunreaktion auslöst, die bei Personen, die bereits ein Risiko für die Krankheit haben, zu RA führt, könnte es möglich sein, die Bakterien mit Medikamenten zu bekämpfen, um diese Reaktion zu verhindern“, erläutert die Rheumatologie-Professorin.
In weiteren Studien will das Team nun untersuchen, ob sich das Bakterium zur Früherkennung von RA nutzen lässt. Zudem wollen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verstehen, wie genau die Bakterien die Immunreaktion auslösen.
Die Darm-Gelenk-Achse
In der Rheumatologie wird eine Beteiligung der Darmflora an rheumatischen Erkrankungen bereits lange diskutiert. Die Verbindung zwischen dem Darm und den Gelenken wird als sogenannte Darm-Gelenk-Achse bezeichnet.
Beispielsweise beobachten Medizinerinnen und Mediziner, dass nach einer Darminfektion häufig Gelenkentzündungen entstehen. Betroffene mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen sind überdurchschnittlich häufig auch von Gelenkbeschwerden betroffen.
Personen mit Rheuma haben zudem häufig eine Barrierestörung im Darm, bei der die Darmbakterien mit den Immunzellen außerhalb des Darmes in Kontakt kommen. Mehr zu diesem Thema finden Sie in dem Artikel „Darm-Gelenk-Achse: Wie Darmbakterien Gesundheit der Gelenke beeinflussen“. (vb)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- University of Colorado School of Medicine: Can Gut Bacteria Cause Rheumatoid Arthritis? (veröffentlicht: 26.10.2022), news.cuanschutz.edu
- Kristine A. Kuhn, et al.: Clonal IgA and IgG autoantibodies from individuals at risk for rheumatoid arthritis identify an arthritogenic strain of Subdoligranulum; in: Science Translational Medicine (2022), science.org
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.