Abgas-Verharmloser bekommen harte Schelte von Fachgesellschaften
Die vorherrschende Luftverschmutzung wird von der Weltgesundheitsorganisation WHO als eine der zehn größten globalen Gesundheitsgefahren unserer Zeit eingeschätzt. Sind Diesel Autos tatsächlich das Kernproblem der Luftverschmutzung oder wird im Zuge einer Massenhysterie nur ein Schuldiger gesucht? In letzter Zeit finden hitzige Diskussionen statt. Einige Lungenärzte bezweifeln die Diesel-Abgase als Hauptquelle, andere Fachgesellschaften wie beispielsweise der Verband der Kinderlungenärzte und die Gesellschaft für Pädiatrische Pneumologie halten die Kritiker für unseriös. Wie schädlich sind Dieselabgase wirklich?
Laut Daten des Umweltbundesamtes (UBA) stammen 61 Prozent aller Stickstoffdioxide in der Luft aus Kraftfahrzeugen. Fast drei Viertel dieses Anteils gehen zu Lasten der Dieselabgase. Somit sind nach Ansicht des Umweltbundesamtes Dieselfahrzeuge die größte Quelle für Stickstoffdioxide in Deutschland. Dieser Anteil sei ein bundesweiter Durchschnitt, der in Ballungsräumen auch durchaus höher ausfallen kann.
Warum sind Stickstoffdioxide gefährlich?
Wenn man von Dieselabgasen spricht sind in erster Linie die ausgestoßenen Stickstoffdioxide (NO2) gemeint. Die gesundheitlich unbedenkliche Menge für die Langzeitbelastung sollte laut WHO unter 40 Mikrogramm NO2 pro Kubikmeter Luft betragen. „Ist ein Grenzwert überschritten, bedeutet dies nicht zwangsläufig, dass Menschen dadurch erkranken oder versterben“, schreibt das UBA in einer Mitteilung. Allerdings sei dadurch das Risiko für zahlreiche Krankheiten und Beschwerden erhöht, darunter Bluthochdruck, Herzinfarkt, Asthma bronchiale oder die chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD).
Luftverschmutzung als Risikofaktor
Die Luftverschmutzung sei dabei aber nur einer von mehreren Risikofaktoren, die solche Erkrankungen auslösen. Das individuelle Risiko für die Entwicklung einer Erkrankung aufgrund von Luftschadstoffen lasse sich derzeit noch nicht voraussagen. Das Umweltbundesamt nennt aber mehrere große Studien, die gezeigt haben, dass „das Leben in belasteter Außenluft über Jahre und Jahrzehnte hinweg – ähnlich wie ein ungesunder Lebensstil – bei einem Teil der Gesamtbevölkerung zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen und zu einer geringeren Lebenserwartung führt“.
Unterstützung durch Fachgesellschaften
Die Gesellschaft für Pädiatrische Pneumologie (GPP) sowie der Verband der Lungenfachärzte für Kinder und Jugendliche schlossen sich kürzlich in einer öffentlichen Stellungnahme der Grenzwert-Empfehlungen der WHO an. „Die Lungenfachärzte für Kinder und Jugendliche weisen ausdrücklich auf die in zahlreichen wissenschaftlichen Arbeiten dokumentierten gesundheitsschädigenden Auswirkungen von Luftschadstoffen hin“, schreibt der GPP-Vorstand. Die Grenzwerte seien von internationalen Expertenteams auf Basis der weltweit verfügbaren Literatur zu den Auswirkungen von Luftschadstoffen auf die Gesundheit erarbeitet worden und durch zahlreiche große Studien in renommierten Fachjournalen belegt.
Schelte für die Kritiker
Diese Position wird ebenso von der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP), der European Respiratory Society (ERS) und des internationalen Forums der pneumologischen Fachgesellschaften (FIRS) unterstützt. „Wer öffentlichen Zweifel an dem gesundheitsschädlichen Potential von Luftschadstoffen sät, ohne hierfür wissenschaftliche Arbeiten zu zitieren, verletzt die Grundsätze ärztlichwissenschaftlichen Handelns“, kritisiert die GPP. Auch das Umweltbundesamt hat nur wenig Verständnis für die Gegenposition: „In der Zusammenschau der aktuellen Studienlage ergibt sich eher die Notwendigkeit, einige Luftschadstoffe wie Feinstaub noch strenger zu regulieren und nicht, wie derzeit unverständlicherweise vorgeschlagen die gegenwärtigen Grenzwerte in Frage zu stellen oder gar auszusetzen“, schreibt das UBA in einer Pressemitteilung.
Auch das Deutsche Zentrum für Lungenforschung (DZL) schaltet sich in die Diskussion ein. „Es besteht wissenschaftlich kein Zweifel, dass die Belastung mit Luftschadstoffen eine Gesundheitsgefährdung für die Bevölkerung darstellt“, urteilen die DZL-Fachleute in einer aktuellen Stellungnahme. Dies gelte sowohl bei Atemwegs- und Lungenerkrankungen als auch im Hinblick auf Herzkrankheiten. Es gebe allerdings zur Zeit keine Methode, mit der ein Arzt feststellen kann, welchen Anteil die Luftverschmutzung zu einer Erkrankung beigetragen habt. „In der gegenwärtigen Stickoxiddiskussion erfuhren wissenschaftspopulistische Aussagen eine rasante mediale Aufwertung“, bewertet die DZL die Diskussion. Politische Entscheidungen sollten jedoch auf dem Boden solider wissenschaftlicher Erkenntnisse getroffen werden. (vb)
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