Digitale Diagnosehelfer: Nützen Smartwatches Herzpatienten tatsächlich?
Smartwatches sind für viele Menschen zu einem ganz normalen Alltagsgegenstand geworden. Die Minicomputer, die im Armbanduhren-Stil angeboten werden, sind auch für die Gesundheit nutzbar. Sie können den Puls messen und vor Vorhofflimmern warnen – den Arzt oder die Ärztin ersetzen können sie aber nicht. Die Deutsche Herzstiftung erklärt, was Nutzende wissen sollten.
Elektronische Armbanduhren, sogenannte Smartwatches, können unter anderem Vorhofflimmern erkennen und den Puls messen. Sie sind aber nicht dazu geeignet, Durchblutungsstörungen des Herzens zu erfassen, weder einen Herzinfarkt noch eine koronare Herzkrankheit, erklärt die Deutsche Herzstiftung auf ihrer Webseite. In einer aktuellen Mitteilung erläutern die Fachleute was Nutzende wissen sollten.
Smartwatches können vor Vorhofflimmern warnen
Die als „Smartwatch“ oder „Wearable“ bekannten elektronischen Uhren gleichen kleinen Computern und können den Puls messen sowie einfache EKGs erstellen. Neue Modelle können auch den Blutdruck messen.
Das Erstellen eines Mini-EKGs (z. B. 1-Kanal-EKG) kann die Trägerin oder den Träger des Geräts vor Rhythmusstörungen wie Vorhofflimmern warnen.
Das hat auch eine Studie von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des Deutschen Zentrums für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK) an der Universitätsmedizin Greifswald und Forschenden des Universitätsspitals Basel gezeigt. Ihre Ergebnisse wurden in dem Fachmagazin „JACC: Clinical Electrophysiology“ veröffentlicht.
Vorhofflimmern ist die häufigste Rhythmusstörung mit rund zwei Millionen Betroffenen in Deutschland. Unbehandelt kann sie zu einem Schlaganfall führen.
Hemmungsloses Anwenden kann Betroffene verängstigen und irritieren
Herzspezialisten wie Prof. Dr. Thomas Meinertz vom Wissenschaftlichen Beirat der Deutschen Herzstiftung raten jedoch nur dann zu einem Wearable mit EKG-Funktion, „wenn das für die Diagnose oder die Kontrolle der Therapie sinnvoll ist“. Das kann aber nur die Ärztin oder der Arzt entscheiden, unterstreicht der Hamburger Kardiologe.
„Wearables können die bisherigen Verfahren zu Diagnose und Kontrolle der Therapie nicht ersetzen, aber durchaus ergänzen.“ Für problematisch hält der Experte ein „hemmungsloses Anwenden der Geräte bei fehlender Indikation“, da dadurch die Menschen verängstigt und irritiert würden.
Welche Smartwatches für Herzpatienten und -patientinnen als digitale Diagnosehelfer hilfreich sind, welche Vorteile sie bieten, aber auch wo ihre Grenzen liegen, darüber informiert die Herzstiftungs-Zeitschrift „HERZ heute“, die kostenfrei angefordert werden kann.
Blutdruck messen
Smartwatches (englisch für „schlaue Uhr“) entwickeln sich zunehmend zu medizinischen Diagnosegeräten. Ein Gerät eines japanischen Herstellers, das seit Mitte November 2019 auch in Deutschland auf dem Markt ist, kann den Blutdruck ihres Trägers oder ihrer Trägerin messen. Die Werte lassen sich dann auch auf ein Smartphone übertragen, speichern und versenden.
Die Smartwatch eines bekannten US-Herstellers kann den Herzschlag messen, ein 1-Kanal-EKG erstellen und so vor gefährlichen Rhythmusstörungen wie Vorhofflimmern warnen. Einen Herzinfarkt oder komplexe Herzrhythmusstörungen kann diese Uhr aber nicht erkennen. „Zu einer umfassenden Herzdiagnostik sind die Geräte nicht in der Lage“, urteilt „HERZ heute“.
Ein Gerät eines deutschen Herstellers, das mit Kabeln und Elektroden für den Brustkorb mit einem Smartphone verbunden wird, kann sogar ein 15-Kanal-EKG erstellen.
Technik kann Entwarnung geben und beruhigen
Speziell bei Patientinnen und Patienten mit Rhythmusstörungen kommt es vor, dass sie eine regelrechte Ärzte-Odyssee hinter sich haben, bis die lästige Unregelmäßigkeit ihres Herzschlags von der Ärztin oder dem Arzt per EKG identifiziert werden kann.
Vorhofflimmern lässt sich nämlich nur während der wenigen Minuten auf der Krankenliege oder bei einer 24-Stunden-Überwachung, wenn die elektrischen Ströme im Herzen gemessen werden, erkennen.
„Viele Patienten verpassen diesen Zeit-Slot und gehen dann zum x-ten Mal verunsichert ohne gesicherte Diagnose wieder nach Hause“, sagt Kardiologe Meinertz, selbst Vorhofflimmer-Patient.
Smartwatches machen es hingegen Patientinnen und Patienten möglich, die EKG-Messung genau dann vorzunehmen, wenn sie Symptome wie Luftnot oder Herzrasen spüren. Für Betroffene, die aufgrund einer Rhythmusstörung in ständiger Angst über ihre Herztätigkeit leben, kann die Technik am Handgelenk bei Bedarf auch Entwarnung geben und sie beruhigen. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Deutsche Herzstiftung: Digitale Diagnosehelfer: Nützen Smartwatches Herzpatienten wirklich?, (Abruf: 02.03.2020), Deutsche Herzstiftung
- Deutsche Herzstiftung: Armbanduhr: Als Herzpatient eine Smartwatch mit EKG-Funktion kaufen?, (Abruf: 02.03.2020), Deutsche Herzstiftung
- Deutsches Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK): Vorhofflimmern rechtzeitig erkennen dank Smartwatch, (Abruf: 02.03.2020), Deutsches Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK)
- Dörr M, Nohturfft V, Brasier N, Bosshard E, Djurdjevic A, Gross S, Raichle CJ, Rhinisperger M, Stöckli R, Eckstein J.: The WATCH AF Trial: SmartWATCHes for Detection of Atrial Fibrillation; in: JACC: Clinical Electrophysiology, (veröffentlicht: online 28.11.2018 sowie in Volume 5, Issue 2, Februar 2019, Pages 199-208), JACC: Clinical Electrophysiology
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.