Schreiende Babys lassen sich durch Singen gut beruhigen
Wenn das Baby schreit, entwickeln Eltern ganz unterschiedliche Methoden zur Beruhigung. Besonders effektiv ist Singen beziehungsweise Musik, so das Ergebnis einer aktuellen Studie der University of Montreal. Auch wenn sie die Sprache von Liedern nicht kennen, blieben Säuglinge bei Gesang doppelt so lange ruhig wie bei beruhigender Zusprache, berichtet die Universität Montreal. Das Vorsingen helfe Kindern, ihre emotionale Selbstkontrolle zu entwickeln, vermuten die Forscher.
„Viele Studien haben untersucht, wie Gesang und Rede die Aufmerksamkeit von Säuglingen beeinflussen, aber wir wollten wissen, wie sie die emotionale Selbstkontrolle eines Babys beeinflussen“, erläutert Prof. Isabelle Peretz von der Universität Montreal. Zwar sei die emotionale Selbstkontrolle bei Kleinkindern noch nicht ausgebildet, doch das Vorsingen könne Babys und Kinder scheinbar helfen, diese Fähigkeit zu entwickeln, berichtet die Forscherin auf Basis der aktuellen Studienergebnisse. Veröffentlicht wurde die Studie in dem Fachmagazin „Infancy“.
Auch Säuglinge werden von Musik mitgerissen
Die meisten Menschen können sich für Musik begeistern, wobei Erwachsene und ältere Kinder ihre „Mitnahme“ durch Verhaltensweisen wie Kopfnicken, Mitklatschen oder Trommeln anzeigen, erläutern die Wissenschaftler. Kleinkinder verfügen jedoch nicht über die erforderlichen körperlichen und mentalen Fähigkeiten, um ihrer Begeisterung auf diese Weise Ausdruck zu verleihen, erklärte Peretz. Ein Ziel der Wissenschaftler war es daher, festzustellen, ob Babys überhaupt die mentalen Voraussetzungen für eine Musikbegeisterung mitbringen. Die Säuglinge haben sich von der Musik durchaus mitreißen lassen, so dass hierfür die mentalen Fähigkeiten offensichtlich vorhanden sind, berichtet die Studienleiterin. Im zweiten Schritten verglichen die Forscher die beruhigende Wirkung von Gesang und Sprache.
Um sicherzustellen, dass die Reaktion der Kinder auf die Musik und nicht auf andere Faktoren wie die Stimme ihrer Mutter, vertraute Sprache oder bekannte Rhythmen zurückgeht, ließen die Forscher professionelle Darsteller türkische Lieder vortragen und auch die Zusprache erfolgte auf türkisch. Beim Sprechen wurde sowohl die Babysprache als auch gewöhnliche Erwachsenensprache getestet. Abgespielt wurden die Texte und Lieder vom Tonband, um individuelle Abweichungen zu vermeiden.
Die Kinder wurden im ruhigen Zustand in einem Raum platziert, die Eltern nahmen hinter ihnen Latz und das Experiment begann. „Auch wenn die Eltern mit im Zimmer waren, hatte ihre Mimik keinen Einfluss auf das Kind, da sie hinter den Babys saßen“, berichtet Marieve Corbeil von der Universität Montreal.
Singen hält die Kinder gelassen
Die Forscher spielten den Säuglingen die Aufnahmen solange vor, bis diese erste Anzeichen eines „Schrei-Gesichts“ (senken der Stirn, Mundwinkel zur Seite ziehen, Mund öffnen und Wangen heben) zeigten. Dies sei der häufigste Gesichtsausdruck bei Kleinkindern kurz vor dem Weinen, berichtet die Universität Montreal. Beim Hören der türkischen Lieder blieben die Babys für eine durchschnittliche Dauer von circa neun Minuten ruhig,während es bei der Sprache – unabhängig davon, ob es sich um Babysprache handelte oder nicht – nur halb solange dauerte, bis die Kinder Anzeichen eines „Schrei-Gesichts“ zeigten, betont Corbeil.
Bei der Babysprache seien die Kinder durchschnittlich etwas mehr als vier Minuten ruhig geblieben, bei Erwachsenensprache knapp vier Minuten. „Die fehlenden signifikanten Unterschiede zwischen den beiden Arten der Rede waren eine Überraschung für uns“, so Marieve Corbeil weiter.
Mütter sollten mehr singen
An einer Gruppe weiterer Kinder untersuchten die Wissenschaftler die Wirkung von Gesang und Rede mit vertrauter Sprache und Stimme. Beim Vorspielen von Aufnahmen ihrer Mütter bestätigt sich die deutlich beruhigendere Wirkung des Singens. „Unsere Ergebnisse lassen wenig Zweifel an der Wirksamkeit des Singens von Kinderliedern zur Aufrechterhaltung der Gelassenheit über einen längeren Zeitraum“, betont Studienleiterin Peretz.
Die Ergebnisse seien wichtig, weil „Mütter insbesondere in den westlichen Industrienationen viel häufiger mit den Säuglingen sprechen anstatt zu singen, und ihre Kinder so die emotionalen regulatorischen Eigenschaften des Singens verpassen.“ Singen könnte insbesondere für die Eltern nützlich sein, deren Kinder durch ungünstige sozioökonomische oder emotionalen Umständen ohnehin einen schweren Stand haben, berichten die Forscher. (fp)
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