Zwei ganz Große in der Promiwelt stehen im „Verdacht“ mit der Sirtfood-Diät ordentlich Körpergewicht verloren zu haben. Die Rede ist von Pippa Middleton und der Sängerin Adele. Die Fitness-Coaches der beiden Stars schwören auf Sirtford und so lag die Vermutung der englischen Klatschpresse natürlich nahe.
Schaut man sich die neue Diät genauer an, stellt man fest: Sie hat Potenzial – vor Allem aber auch deswegen, weil sie so neu eigentlich gar nicht ist.
Die Schlagzeilen lesen sich, wie man es bei einer neuen Diät gewohnt ist, übertrieben und zu optimistisch: „Jung und schlank mit Genuss“, „So essen Sie sich jünger“, „Die leckerste Diät der Welt!“ So wurden Sirtfood-Bücher angekündigt. Die Diät soll also nicht nur ohne Verzicht schlank machen, sondern auch verjüngen und sogenannte „Schlankheits-Gene“ aktivieren. Zu schön um wahr zu sein? Eigentlich nicht. Obwohl Schokolade und Rotwein zu den erlaubten Lebensmitteln zählen.
Entwickelt wurde die neue Diät durch die US-Ernährungsmediziner Aidan Goggins und Glen Matten. Den Begriff „Sirtfood“ leiteten sie von den Sirtuinen ab, die seit einigen Jahren zu den beliebtesten Forschungsobjekten der Medizin gehören. Denn die Enzyme steuern viele Stoffwechsel- und Alterungsprozesse. Es gibt sieben von ihnen, die sich in ihren Wirkungen unterscheiden und gegenseitig beeinflussen, so dass man meistens gleich mehrere von ihnen ansteuert, wenn man irgendwo „an einer Sirtuin-Schraube dreht“.
Sirt1 reduziert den Aufbau von weißem Fettgewebe, doch es selbst wird wiederum von einem weiteren Sirtuin, nämlich Sirt7, beeinflusst. Am Bad Nauheimer Max-Planck-Institut für Herz- und Lungenforschung hat man vor Kurzem herausgefunden, dass Mäuse bis zu einem magersuchtähnlichen Zustand abspecken, wenn man bei ihnen Sirt7 ausschaltet und dadurch die Sirt1-Aktivität ankurbelt.
Über die Sirtuine 3 und 6 weiß man inzwischen, dass sie am Stoffwechsel im Gehirn beteiligt sind. In Reaktions- und Gedächtnis-Tests schnitten Versuchspersonen mit niedrigem Sirt3-Werten deutlich schlechter ab.
Sie hatten im Gehirn auch mehr Tauproteine, die als Mitauslöser für Alzheimer gelten. Die Sirtuine 1 und 2 dürfen derweil als Mobilmacher des Zuckerstoffwechsels gelten, denn sie verbessern die Insulinsensitivität der Fett-, Muskel- und Leberzellen.
Der Arzneistoff Metformin wird gegen Diabetes eingesetzt und wirkt nur deshalb so gut, weil er den Sirt1-Spiegel erhöht. Pharma-Forscher arbeiten jetzt an einer Möglichkeit, diesen Anstieg direkt, also ohne den Umweg über Metformin, einzuleiten.
Goggins und Matten behaupten nun, man könne die Sirtuinpegel auch ohne Medikamente beeinflussen– nämlich durch einen speziellen Speiseplan: die Sirtfood-Diät. Sie basiert vor allem auf Nahrungsmitteln mit einem hohen Anteil an Polyphenolen, also Gerbstoffen.
Zum Sirtfood gehört aber auch das ganz klassische Abnehm-Prinzip „weniger-ist-mehr“. „Polyphenolhaltige Nahrungsmittel und das Reduzieren der Kalorienzufuhr entfalten ähnliche Effekte auf die Sirtuine, vor allem auf die Sirt1“, betonen Goggins und Matten. Deswegen steigt die Sirtfood-Diät dann doch, wenig überraschend, mit dem Verzicht ein.
Die erste Phase dauert 3 Tage und besteht aus einer Reduktion auf 1000 Kilokalorien pro Tag, die auf zwei Sirtfood-reiche Gemüsesäfte und eine Sirtfood-reiche Mahlzeit verteilt werden. Für die vier darauffolgenden Tage sind 1500 Kilokalorien vorgesehen, verteilt auf zwei Säfte und zwei Mahlzeiten. Den Abschluss bildet eine Stabilisierungsperiode von zwei Wochen, in der man drei Sirt-Mahlzeiten und einen Sirt-Drink konsumieren darf.
Anschließend werden die Kalorien nicht mehr reduziert. „Es geht hier vielmehr darum, sich daran zu gewöhnen, fortan generell mehr Sirt-Food auf dem Speiseplan zu haben“, betonen Goggins und Mattens. Letztendlich ist also eine langfristige Nahrungsumstellung anvisiert – und hierin sind sich die Sirt-Autoren mit den Ansichten der großen Fachgesellschaften, wie etwa der Deutschen Gesellschaft für Ernährung, dann wieder vollkommen einig,
Und nicht nur da besteht Einigkeit. So finden sich auf der Liste des polyphenolhaltigen Sirtfoods zwangsläufig pflanzliche Nahrungsmittel wie Walnuss, Olivenöl, Knoblauch, Rucola, Petersilie, Kapern und auch ein wenig Rotwein, also die typischen Bestandteile der Mittelmeerdiät, die von Ernährungsmedizinern als besonders gesund eingeschätzt wird. Andere Bestandteile der Sirt-Diät kennt man aus der asiatischen Küche wie etwa Kurkuma, Tofu, rote Zwiebeln und Grünen Tee.
Letzterer zeigte im Labor einen besonders großen Einfluss auf die Sirtuine, ebenso wie Kaffee und Schokolade, die dem Sirtfood sozusagen noch eine schmackhafte Krone aufsetzen. Solche Empfehlungen machen eine Diät natürlich gleich viel attraktiver als Darben und Kalorien zählen.
Klinische Belege für die Sirt-Diät gibt es allerdings noch keine. Weder für ihre Wirkung aufs Körpergewicht, noch für die Effekte auf Hirn, Zuckerstoffwechsel und Lebenserwartung. Aber ein Forscherteam der Christian-Albrecht-Universität in Kiel kommt in einer Studie immerhin zu dem Schluss, dass die Kombination aus Mittelmeer- und Asia-Kost in der Tat „eine vielversprechende Strategie“ sei, „um vor chronischen Erkrankungen zu schützen und zu einem gesunden Altern beizutragen“.
Die norddeutschen Ernährungswissenschaftler sehen dabei auch den siruinanregenden Effekt, aber er sei eben auch nur einer von vielen Effekten, die von dieser überwiegend vegetarischen Speisenkombination ausgingen. Sie nennen den Ansatz daher lieber „Mediterr¬Asian-Diät“.
Ob sich dieser Name in der für ihre schillernden Titel bekannten Diäten-Szene durchsetzen wird, ist allerdings fraglich. (fs)
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