Niederländischer Neurologe soll mehr als 200 falsche Diagnose mit dramatischen Folgen gestellt haben
01.11.2013
Am Montag beginnt der Prozess gegen den niederländischen Neurologen Ernst Jansen, der mehr als 200 Patienten falsch diagnostiziert und behandelt haben soll. Dem Skandalarzt werden unter anderem unerlaubte Obduktionen und Gehirn-OPs sowie das absichtliche Fälschen von Testergebnissen und Vortäuschen von schweren Diagnosen unterstellt. Aufgrund seiner Medikamentenabhängigkeit soll er zudem Rezepte gestohlen und Urkunden gefälscht haben. Schier unglaubliche Vorwürfe, deren Wahrheitsgehalt das Gericht im holländischen Almelo ab nächster Woche prüfen und beurteilen muss. Jansen selbst räumt einige Verfehlungen ein, die er jedoch aufgrund seiner Suchterkrankung und Überlastung verübt habe. Ob es sich bei den unzähligen falschen Diagnosen und Therapien tatsächlich um unbeabsichtigte Kunstfehler handelt, ist jedoch zweifelhaft.
Neurologe schädigt Patienten zum Teil schwer
Der „Skandalarzt“, Horrorarzt“ oder „Dr. Frankenstein“, wie Jansen von den Medien betitelt wird, praktizierte nicht nur in den Niederlanden, sondern auch in einigen Kliniken in Deutschland. In dem Prozess, der am Montag in Almelo beginnt und vermutlich der größte medizinische Strafprozess in den Niederlanden sein dürfte, geht es aber nur um die Vergehen des 68-Jährigen, die er in Holland begangen hat. Jansen wird vorgeworfen, bei mehr als 200 Patienten falsche Diagnosen gestellt und zum Teil folgenschwere Therapien veranlasst zu haben. Er soll wie ein „Gott in Weiß“ geurteilt haben und auf diese Weise unter anderem Alzheimer oder Multiple Sklerose (MS) bei gesunden Menschen oder an anderen Krankheiten leidenden Patienten gestellt haben.
Seit Anfang der 90er Jahre bis 2003 soll er am niederländischen Krankenhaus „Medisch Spectrum Twente" bei über 200 Patienten Fehlentscheidungen getroffen haben. So stellte der Neurologe bei einem 54-jährigen Mann Alzheimer fest. Daraufhin nahm der Patient über Jahre hinweg starke Medikamente gegen die vermeintliche Demenz ein. Wie sich herausstellte litt der Mann aber tatsächlich am Burnout-Syndrom. Jahrelang musste sich der 54-Jährige mit dem Gedanken auseinander setzen, bald zum Pflegefall zu werden und zu sterben. Fälle wie dieser zeigen, welches Leid Jansen nicht nur körperlich wie beispielsweise bei unnötigen Operationen sondern auch psychisch über seine Patienten gebracht hat. Der Staatsanwaltschaft zufolge, hatte eine Patientin infolge einer Behandlung durch den Neurologen sogar Selbstmord begangen.
Insgesamt neun Fälle suchten die Staatsanwälte für die Verhandlung aus. Zudem werden Jansen unerlaubte Obduktionen und Gehirnoperationen, Diebstahl, Urkundenfälschung und Unterschlagung vorgeworfen. Zehn Jahre sind vergangen seitdem die ersten Verfehlungen des Neurologen bekannt wurden. Währenddessen praktizierte der Arzt ungestört weiter und soll 2010 in Deutschland eine Patientin bei einer unnötigen Rückenmark-Punktion schweren Schaden zugefügt haben. Hierzulande war er unter dem Namen Jansen Steur an mindestens sieben Kliniken tätig.
Skandalarzt streitet das absichtliche Stellen falscher Diagnosen ab
Jansen weist alle Vorwürfe zurück. Die Medien würden ihn zu unrecht als einen Kriminellen hinstellen. Bezeichnungen wie „Horrorarzt“ seien „so abscheulich", erklärte der 68-Jährige gegenüber der Zeitung „NRC Handelsblad". Der Neurologe räumt aber ein, großes Leid verursacht zu haben, was er bedauere. Dennoch habe er stets mit größter Sorgfalt gehandelt. Laut Jansen sollten seine Verfehlungen als Kunstfehler eines überlasteten Arztes gesehen werden.
Der 68-Jährige gab mittlerweile einige unwiderlegbare Vergehen zu. So habe er Rezepte gefälscht und gestohlen, um seine Medikamentenabhängigkeit zu bedienen. Zudem räumte er ein, 88.000 Euro von einer Stiftung unterschlagen zu haben. „Ich habe gut davon gelebt", zitiert die Nachrichtenagentur „dpa“ den Arzt.
Die Staatsanwaltschaft sieht jedoch auch darüber hinaus einen eindeutigen, strafrechtlich relevanten Tatbestand. Der Neurologe soll Patienten absichtlich falsche Testergebnisse und Aufnahmen ihres Gehirns vorgelegt haben, um die hanebüchenen Diagnosen zu belegen.
Der Fall Jansen zeigt, wie lange es dauert, bis ein derartiger Fall vor Gericht gebracht wird. Bereits 2003 musste der Neurologe, der bis dahin einen guten Ruf genoss, das Krankenhaus in Enschede verlassen, nachdem er Rezepte gestohlen hatte. Bereits zu diesem Zeitpunkt war immer wieder von Fehldiagnosen die Rede. Obwohl sich seit 2005 220 ehemalige Patienten des Arztes meldeten, von den 80 bereits entschädigt worden sein sollen, leitete die Staatsanwaltschaft erst im Jahr 2009 Ermittlungen ein. Gleichzeitig begann eine interne Untersuchung des Krankenhauses. Der Neurologe musste sich auf Druck der Gesundheitsbehörde aus dem niederländischen Ärzteregister streichen. Im Gegenzug wurde kein Disziplinarverfahren eingeleitet.
Bis Ende 2012 praktizierte Jansen ungestört in Deutschland weiter. „Ich bin doch nicht verurteilt. Ich sah meine Qualitäten", erläutert der Arzt seine Entscheidung. Sollte es im Februar zu einem Schuldspruch kommen, droht dem Neurologen eine zwölfjährige Gefängnisstrafe.
Es ist sicherlich nicht von der Hand zu weisen, dass Ärzte in vielen Kliniken einer dauerhaften Überlastung ausgesetzt sind. Dass es dadurch das Risiko für ungewollten Kunstfehlern steigt, liegt ebenfalls nahe. Die Art und Weise sowie die Menge der Verfehlungen von Jansen deuten jedoch daraufhin, dass es sich hier nicht um bedauernswerte Kunstfehler sondern vielmehr um absichtlich herbeigeführte Schäden am Patienten handelt. (ag)
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