Anspruch auf Reha-Maßnahmen: So kommen Diabetiker zu ihrem Recht
Fast sieben Millionen Menschen in Deutschland sind zuckerkrank. Über 90 Prozent der Betroffenen leiden unter Diabetes Typ 2. Viele Diabetiker wissen nicht, dass sie das Recht auf Reha-Maßnahmen haben. Gesundheitsexperten erklären, wie Betroffene zu ihrem Recht kommen.
Viele Patienten sind überfordert
Fast sieben Millionen Menschen in Deutschland sind an Diabetes mellitus erkrankt, 90 Prozent von ihnen an Diabetes Typ 2. Zwar kann bei einem großen Teil der Diabetiker die Erkrankung auch ohne Medikamente gut kontrolliert werden, doch viele müssen Arzneimittel einnehmen oder sich Insulin spritzen, Blutzucker messen und auf ihre Ernährung achten. Die lebenslange Aufmerksamkeit, die die chronische Erkrankung von den Betroffenen erfordert, überfordert viele Patienten. So manche Reha-Maßnahme könnte ihnen helfen, doch viele wissen gar nicht, dass Menschen mit Diabetes mellitus die Möglichkeit offensteht, auf sachkundige Unterstützung in Form einer Reha-Maßnahme zurückzugreifen. Experten geben einen Überblick über die wichtigsten Fakten.
Kriterien die eine Reha begründen
Gesundheitsexperten zufolge steht bei der Behandlung des Diabetes die Hilfe zur Selbsthilfe im Mittelpunkt – die Betroffenen sollen befähigt werden, ihre Erkrankung so zu managen, dass ihre Lebensqualität nicht beeinträchtigt ist.
„Ist jedoch die Stoffwechseleinstellung auf Dauer unzureichend, sind Erwerbsfähigkeit und Selbstständigkeit des Patienten gefährdet“, erläutert Privatdozent Dr. med. Erhard Siegel von der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) in einer Mitteilung.
Daher zählen schlechte Stoffwechseleinstellungen mit erhöhtem HbA1c-Wert, häufige Unterzuckerungen in der Vergangenheit und arbeitsplatzbedingte Probleme im Umgang mit der Erkrankung zu den drei „harten“ Kriterien, die einen dringenden Reha-Bedarf begründen.
„Liegen bereits Begleit- oder Folgeerkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems oder diabetesbedingte Schädigungen der Augen, Nerven oder Nieren vor, ist der Bedarf umso höher“, so Stephan Ohlf vom Vorstand des Bundesverbandes Klinischer Diabetes-Einrichtungen e.V. (BVKD).
Zu den weiteren Kriterien, die einen Reha-Bedarf begründen können, zählen:
- Übergewicht
- Bluthochdruck
- Fettstoffwechselstörungen
- Bewegungsmangel
- geringes Diabeteswissen
- derzeit Raucher
- vorliegende Depression
- krankmachender Stress
- ungesundes Ernährungsverhalten
Laut der DDG besteht darüber hinaus nach akuter Behandlung in einer Klinik die Möglichkeit eines beschleunigten Antragsverfahrens im Rahmen einer Anschlussheilbehandlung (AHB).
„In diesem Fall muss der Antrag durch das Akutkrankenhaus gestellt werden“, erklärt Ohlf.
Der Verwaltungsleiter der Eleonoren-Klinik der Deutschen Rentenversicherung Hessen fügt hinzu: „Jede akutmedizinische Krankenhausbehandlung, die durch die Diabeteserkrankung erforderlich ist, stellt in sich eine AHB-Indikation dar.“
Die Maßnahme beginnt in der Regel innerhalb von 14 Tagen nach Entlassung.
Therapeutische Wirksamkeit wissenschaftlich nachgewiesen
Dass Reha-Maßnahmen Betroffenen helfen können, erklärt die Deutsche Rentenversicherung in der Publikation: „Reha-Therapiestandards Diabetes mellitus Typ 2“.
„Die therapeutische Wirksamkeit der Rehabilitation bei Diabetes mellitus Typ 2 ist für die Bereiche Bewegungstherapie, Patientenschulung, Gesundheitsbildung, Ernährungstherapeutische Leistungen, Psychologische Interventionen sowie Tabakentwöhnung auf dem Evidenzlevel Ia bzw. Ib wissenschaftlich nachgewiesen“, heißt es darin.
Den Experten zufolge entspricht sie „den Therapieempfehlungen der Nationalen VersorgungsLeitlinien für Typ-2- Diabetes“.
Der behandelnde Arzt als erster Ansprechpartner
Die DDG erläutert in ihrer Mitteilung, wie der Weg zum Antrag abläuft. Den Fachleuten zufolge ist der behandelnde Arzt üblicherweise der erste Ansprechpartner.
„Er erstellt ein Gutachten, das unter anderem den Bedarf und die Aussichten der Reha begründet“, sagt Siegel.
Der Mediziner kann den Antrag an den zuständigen Kostenträger weiterleiten. Bei Berufstätigen ist dies die Gesetzliche Rentenversicherung, bei Rentnern die Krankenkasse.
„Bei der Klinikwahl für eine stationäre und ambulante Reha können die Patienten zudem ihre persönlichen Wünsche einbringen“, erklärt Siegel.
Reha kann stationär oder ambulant erfolgen
Eine Reha dauert mindestens drei Wochen und kann stationär oder auch ambulant erfolgen. „Ein besonderes Merkmal der medizinischen Rehabilitation ist der fächerübergreifende Therapieansatz, die Behandlung in einem multidisziplinären Team“, so Siegel.
Das bedeutet, dass Ärzte, Pflegepersonal, Psychologen, Physiotherapeuten, Diabetesberaterinnen, Diätassistentinnen und Sozialarbeiter zusammen arbeiten.
„In vielen Kliniken können dazu auch noch andere gesundheitliche Probleme etwa an Wirbelsäule, Hüfte oder Knie mitbehandelt werden“, fügt der DDG Experte hinzu.
Die zweite Besonderheit ist die Intensität. „Eine Reha-Maßnahme gibt genügend Zeit, Patienten auch bei schwierigen Problemlagen ausführlich zu schulen, mit neuen Medikamenten, Techniken oder Lebensstiländerungen vertraut zu machen“, sagt Siegel.
Ob Umstellung auf Pumpentherapie, Bewegungstherapie, rasche Gewichtsreduktion, psychologische Betreuung oder Klärung diabetesbedingter beruflicher Probleme – alle diese Aspekte können mit qualifizierten Experten nachhaltig bearbeitet werden.
Auf der Internetseite der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) wird ein Überblick über Kliniken, die Diabetesschwerpunkte haben, geboten.
Einfach „http://www.deutsche-diabetes-gesellschaft.de“ eingeben und den Menüpunkt „Zertifizierte Arztpraxen/Kliniken“ anklicken und Suchkriterien eingeben. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG): Ihr gutes Recht: Reha-Maßnahme bei Diabetes Typ 2 – so geht‘s, (Abruf: 22.07.2019), Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG)
- Deutsche Rentenversicherung: Reha-Therapiestandards Diabetes mellitus Typ 2, (Abruf: 22.07.2019), Deutsche Rentenversicherung
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.