Studie: Was passiert im Gehirn bei Stress?
Dauerhafter Stress gilt als Auslöser für viele psychische Erkrankungen wie beispielsweise das Burn-out-Syndrom, Depressionen, Angstzustände und Panikattacken. Warum Stress diese Wirkung auf den Körper haben kann, ist noch nicht ausreichend verstanden. Ein deutsches Forschungsteam fand nun heraus, dass akuter Stress dynamische Veränderungen im Gehirn hervorruft, wodurch sich das Risiko für psychische Erkrankungen zu erhöhen scheint.
Forschende des Max-Planck-Instituts für Psychiatrie (MPI) haben im Rahmen einer aktuellen Studie herausgefunden, dass verschiedene Netzwerke im Gehirn unterschiedlich auf akute Stress-Belastungen reagieren. Anhand der Auslastung konnte die Arbeitsgruppe ablesen, wie anfällig Personen für negative Grundstimmungen waren. Die Ergebnisse wurden kürzlich in dem Fachjournal „Biological Psychiatry“ präsentiert.
Stressauswirkungen auf das Gehirn untersucht
Es war bislang nur wenig darüber bekannt, welche dynamischen Prozesse bei akutem Stress im Gehirn ablaufen. Das Team des MPI und der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Universitätsklinikums Tübingen hat nun bei Probandinnen und Probanden untersucht, welche Gehirn-Areale unter Stress aktiv sind.
Einige der Teilnehmenden hatten eine diagnostizierte affektive Erkrankung wie zum Beispiel eine Depression oder Angststörung.
Den Teilnehmenden wurden unter Zeitdruck knifflige Aufgaben (beispielsweise komplexe Matheaufgaben) gestellt. Währenddessen beobachteten die Forschenden mittels Magnetresonanztomographen, was im Gehirn passierte. Neben Aufnahmen im MRT maß das Team auch das Stresshormon Cortisol sowie die Herzfrequenz.
„Unsere Studie zeigt nicht nur, wo Veränderungen auftreten, sondern wie verschiedene Hirnregionen zusammenspielen und wie sich ihre Kommunikation im Lauf der Situation verändert“, erläutert Studienerstautorin Anne Kühnel vom MPI.
Jeder reagiert unterschiedlich auf Stress
Die dynamische Reaktion auf diese Stresssituation fiel bei den Teilnehmenden unterschiedlich aus. Die Forschenden konnten die Reaktionen mit bestimmten Stimmungslagen wie Angst oder Frust in Verbindung bringen.
Gleichzeitig gab es eine Verbindung zwischen negativen Grundstimmungen und psychischen Erkrankungen. Je ängstlicher, zurückhaltender oder depressiver die Teilnehmenden waren, desto höher war laut dem Forschungsteam das Risiko einer psychischen Erkrankung.
„Die veränderte Kommunikation zwischen den Gehirnarealen stützt die These, dass psychische Störungen Netzwerk-Erkrankungen sind, bei denen das Zusammenwirken von neuronalen Einheiten gestört ist“, erklärt MPI-Direktorin Elisabeth Binder. Diese neuen Erkenntnisse seien wichtig für die Entwicklung individuellerer Diagnosen und personalisierter Therapien.
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Stress-Reaktion muss individuell betrachtet werden
„Wir konnten erstmals zeigen, wie wichtig individuelle Muster der Stressantwort im Gehirn sind, um das Erleben von Stress – einschließlich ungünstiger Nachwirkungen der Belastung – besser zu verstehen“, verdeutlicht Gruppenleiter Nils Kroemer.
Neuer Ansatz gegen stressbedingte Erkrankungen der Psyche
Die Forschenden wollen die dynamischen Modelle der Hirnantwort einsetzen, um beispielsweise die Stressantwort bei Personen mit hohem Risiko für psychische Erkrankungen zu untersuchen sowie um zu testen, wie Medikamente diesen Prozess beeinflussen. (vb)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Max-Planck-Institut für Psychiatrie: Akuter Stress führt zu dynamischen Veränderungen im Gehirn (veröffentlicht: 16.02.2022), psych.mpg.de
- Anne Kühnel, Michael Czisch, Philipp G. Sämann, et al.: Spatio-temporal dynamics of stress-induced network reconfigurations reflect negative affectivity; in: Biological Psychiatry, 2022, biologicalpsychiatryjournal.com
- Bundesministerium für Gesundheit: Stress: Auswirkungen auf Körper und Psyche (Stand: 21.08.2020), gesund.bund.de
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.