Experten kritisieren Gentests für maßgeschneiderte Medikamente
19.06.2014
Medikamente wirken nicht bei jedem Menschen gleich, dementsprechend können auch ganz unterschiedliche Nebenwirkungen auftreten. Um herauszufinden, welche unerwünschte Arzneimittelwirkung ein Präparat für den einzelnen Patienten haben könnte, besteht die Möglichkeit, einen Gentest durchführen zu lassen. Die pharmakritische Arznei- und Gesundheitszeitschrift „Gute Pillen – Schlechte Pillen" steht dieser Methode jedoch skeptisch gegenüber und bezweifelt die Notwendigkeit der Tests.
Weniger Nebenwirkungen und höhere Erfolgschance durch Tests?
Der Stoffwechsel eines jeden Menschen ist genetisch bedingt unterschiedlich – daher spielt also auch die Erbinformation eine Rolle dabei, in welcher Weise Medikamente im Körper wirken, wann sie wie aufgenommen und wieder abgebaut werden. Für viele Menschen wäre es daher vermutlich eine angenehme Vorstellung, sich in der Apotheke einem kurzen Gentest zu unterziehen und auf Basis der Ergebnisse ein „maßgeschneidertes“ Medikament zu erhalten. Ein Präparat mit weniger Nebenwirkungen und einer dadurch höheren Erfolgschance. Diese Möglichkeit scheint gar nicht so fern, stattdessen würden laut der pharmakritischen Arznei- und Gesundheitszeitschrift „Gute Pillen – Schlechte Pillen" (GPSP) Apotheken bereits Tests mit dem Namen „Therapiesicherheit“ anbieten , zum Beispiel für das Herzmedikament „Clopidogrel“.
Einsatz in der Krebstherapie und der HIV-Behandlung durchaus sinnvoll
Hinter den neuen Tests würde dem Magazin jedoch ein gänzlich anderes Prinzip stehen, als hinter solchen, die direkt auf die Eigenschaften einer Krankheit eingehen. Solche Tests könnten beispielsweise in der Krebstherapie und der HIV-Behandlung durchaus sinnvoll eingesetzt werden, denn hier gäbe es bereits Therapien, die nur funktionieren würden, wenn der Patient spezielle genetische Merkmale aufweise. Bei den neuen Tests gehe es allerdings um Transportproteine, die mit der Krankheit an sich gar nichts zu tun haben. Hier würde die Frage im Mittelpunkt stehen, wie der jeweilige Wirkstoff und verschiedene Eiweißen im Körper aufeinander reagieren – mit dem Ziel, dadurch die medikamentöse Behandlung optimieren zu können.
US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA verbietet Tests in den USA
Doch welchen Nutzen haben die Kombipakete aus Test und Medikament für den Patienten? Laut „Gute Pillen – Schlechte Pillen" sei die Notwendigkeit eines solchen Tests – den der Patient selbst bezahlen muss – fraglich. Wie die Zeitschrift in ihrer Ausgabe 02/2014 berichtet, sei die sogenannte "therapeutische Breite" der meisten Medikamente ausreichend groß, sodass genetische Unterschiede im Stoffwechsel keine zentrale Bedeutung für die Wirkung und mögliche Nebenwirkungen haben würden. Sind die Tests also nutzlos? Nach Ansicht der US-amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA offenbar schon, denn diese hatte laut dem Magazin bereits im November 2013 dem Unternehmen „23andMe“ den Verkauf verboten. Der Grund: 23andMe hatte auch nach fünf Jahren Vermarktung keine Belege für den Mehrwert durch die Tests vorgelegt – zudem bestünde unter anderem die Gefahr, dass Menschen eigenmächtig ein wichtiges Arzneimittel absetzen könnten, aus Sorge, es würde nicht zu ihren Genen passen.
Tests nützen bislang nur den Anbietern
Dementsprechend sollten laut „Gute Pillen – Schlechte Pillen" die Tests für „maßgeschneiderte Arzneimittel“ aus Patientensicht kritisch betrachtet werden – auch wenn die Entschlüsselung der Erbanlagen generell „ohne Zweifel“ neue diagnostische Möglichkeiten eröffnen würde, sei es beispielsweise im Bereich der Vaterschaftstestungen oder bei erblich bedingten Krankheiten. „Die zunehmend für viel Geld angebotenen Tests zur genetischen Analyse des persönlichen Arzneimittelstoffwechsels haben zwar einen seriösen wissenschaftlichen Hintergrund, aber ihre Aussagekraft verbessern Diagnose und Therapie derzeit nicht. Vorerst nützen sie nur einem, nämlich dem jeweiligen Testanbietern“, so die Kritik von GPSP. (nr)
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